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Reisetagebuch

8/17/2002   Oesterreich - Amstetten

Fische im Regenschirm und auf der Strasse / KZ Mauthausen

Zelten in der Jugendherberge und technische Erfolge, wir sind erschuettert ueber die Schaeden der Hochwasserkatastrophe

(Harald und Renata) Die Nacht haben wir in Linz schliesslich in der oertlichen Jugendherberge verbracht, die, wie viele andere auch, oben auf einem Berg liegt. Sich da abends nach Regen und Tagesleistung, einer Fast-Food-Mahlzeit und Internetarbeit um 23 Uhr noch hoch zu treiben, ist eine echte Strapaze.

Oben angekommen, finden wir niemanden vor. "Nach 21 Uhr keine Aufnahme mehr" steht da. Aber wir sind hundemuede und quartieren uns in einem Nebentrakt in einem Vortragsraum ein, legen uns auf unsere Schlafmatten zwischen die Stuehle. Nachts wachen wir auf: Horden von stechenden Plagegeistern attackieren uns. Wir bauen unser Innenzelt im Zimmer auf- damit ist der Sieg unser.

Um 6.30 Uhr packen wir, niemand hat uns bemerkt. Entlang der Donau Richtung Mauthausen. Immer wieder muessen wir in die Berge ausweichen, weil in Flussnaehe alles gesperrt ist. Was fuer eine Tragoedie: Tausende Autos im Schlamm, hunderte Haeuser ueberflutet. Die Kornfelder sind abgeerntet, aber auf vielen Feldern steht der Mais im Wasser, Obstgaerten vernichtet. Vor Renatas Augen legt sich ein Apfelbaum voller Fruechte langsam ins Wasser. Auf der Bundesstrasse liegen Fische, die das ablaufende Wasser nicht mehr erreicht haben. Habe ich in Passau noch genug Galgenhumor gehabt, um mit einem umgedrehten Regenschirm auf dem Hotelweg drei Fische zu fangen, so truebt jetzt Ausmass und Anblick der Schaeden die Stimmung. Wir bieten unsere Hilfe an, die jedoch freundlich abgelehnt wird. Feuerwehren, Bundesheer und THW haben ganze Arbeit geleistet. Schnell sind zu beseitigende Folgen abgearbeitet.

In Linz gelingt einem Sony- Mitarbeiter, der im Internetcafe arbeitet, was uns bisher nicht gelang: Der Datentransfer von der Kamera ins Internet.

Die per Post von Regensburg nach Duesseldorf geschickte CD ist samt Diafilm verloren gegangen. Somit wird es nie Diabilder von Deutschland geben.

Wir fahren nach Mauthausen, besichtigen das ehemalige Konzentrationslager. Oesterreich investiert hier gerade erneut 5 Millionen Euro, um die jetzt schon gut erhaltene Gedenkstaette noch besser zu konservieren. Wir sind die einzigen Besucher, die nicht fotografieren. Im Gegensatz zu anderen erscheint es uns auch unpassend, hier mit Sportbekleidung oder Bier trinkend durchzuhetzen, gar noch die Gaskammer fotografierend. Wir nehmen uns fast sieben Stunden Zeit. Wie zu erwarten, sind wir am Ende einer Filmvorfuehrung voellig durch den Wind, als ein schluchzender, amerikanischer Soldat den Anblick schildert, der sich ihm bei Befreiung des Lagers (ueber 30 Jahre zuvor) bot. Wir lesen eine Wandinschrift eines juedischen Insassen: "Hiernach muss Gott mich um Verzeihung bitten."

Fuer Renata ist es besonders schlimm, weil hier so viele Polen starben. Der Steinbruch, Vernichtung durch Arbeit. Auch Roman Polanskis Vater wurde im Alter von 36 Jahren hierhin deportiert, sein Sohn war da neun. Der Vater ueberlebte das KZ und bewaeltigte das Erlebte in den vielen Treffen mit anderen Haeftlingen.

Als ich den Namen eines jugoslawischen Opfers namens "Tadic" lese, denke ich an den gleichnamigen Taeter und Gefaengnisinsassen in Den Haag, der wg. Greueltaten in Bosnien verurteilt wurde. Er koennte der Sohn oder Enkel des o.a. Opfers sein.

"Wenn wir eins aus der Geschichte lernen koennen, dann, dass wir nichts aus der Geschichte gelernt haben." Wir machen kein einziges Foto.

Wir uebernachten in Saxen in einem Bauernhof. Der Wirt erzaehlt: Alle Verwandten sind im Einsatz gegen die Hochwasserschaeden, jede Familie ist irgendwie betroffen, ein Schwager konnte seine 21 Stiere nicht mehr retten und musste seine eigenen Tiere erschiessen, um sie nicht ersaufen zu lassen. Bei einem Autoimporteur sind 5000 Autos im Schlamm versunken...Ende der Litanei.

Wir wandern bei Saxen durch eine Klamm, eine Schlucht. Eigentlich gesperrt, aber die Wasserstaende sinken ja. Kaum sind wir aus der Klamm heraus, bricht ein neuerliches Gewitter los. Wir warten das Aergste ab und sehen auf dem Weg in den Ort, dass das Baechlein, dass vor drei Stunden einen Wasserstand von etwa einem Meter hatte, jetzt ein Schlammmonster geworden ist, sich brodelnd und uferfressend durch den Ort waelzt. Wie mag es jetzt in der Klamm aussehen?

Nachmittags wieder kein Durchkommen am Strom. Umleitung ueber die Berge. Hier zeigen diese uns unsere Grenzen: Wir schaffen den ersten 6-km-Anstieg. Aber so noch 70 km weiter? Never! No chance. Also zurueck. Aufstieg in 90 Minuten, Abfahrt in 12 Minuten. Dann an der Mississippi- Donau, braun statt schoen blau, zurueck. Wieder eine Ueberquerung, wieder ein konditionsfressender Anstieg. Tagesleistung: effektive 20 km.

Im Hotel sehen wir erstmals Nachrichten aus Deutschland, von der Schwarzmeerkueste, Tschechien. Mein Gott, was fuer eine Tragoedie!

Wir entschliessen uns, nur noch ueber die Bundesstrasse 1, abseits des Flusses, nach Wien zu fahren.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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