8/18/2005 Zimbabwe / Murewa
Die letzten Radfahrtage
Die letzte Nacht im Busch
(Harald) B.B. faehrt mich in die Stadt, ich kaufe Diafilme, gehe ins Kino, kaufe ein und geniesse Essen und Backwaren und einen ausgezeihneten Cappuchino im McAdams an der Samora Machel, der wohl beeindruckensten Strasse im Zentrum. Harare macht auf mich einen eher heiteren Eindruck, trotz der staendigen Autoschlangen an den Strassen und den z.T. nur mager gefuellten Regalen in den Supermaerkten. Ich fuehle mich sicher hier, anders als in S.A.s Grossstaedten oder Nairobi. Strassenkuenstler bieten Unterhaltung, opositionelle Zeitungen sind auf der Strasse durchaus zu bekommen (z.B. "The Zimbabwean" aus London), ueber DSTV, also Satelitendienste, kann man BBC und CNN und die Deutsche Welle sehen. Fast jeder spricht Englisch, wenn man mich auch oefters wg. meines Akzentes als Suedafrikaner zu outen meint (was ich stets sofort korrigiere), so wird mir als deutschen Touristen immer sofort geholfen. Harares Architektur ist gepraegt von flacheren Kolonialbauten, vor allem der Jahre 1920 bis 1950, sowie den Hochhaeusern der 60er Jahre bis heute. Es gibt hier wohl mehr Jacaranda-Baeume als in Praetoria, sowie viele andere Allee-Baeume und Palmen. Die Hoehenlage macht das Klima angenehm und den Wind frisch. B.B. und ich haben lange Gespraeche in der Kueche, im Living-Room, im Auto gehabt. Als ich meine Fahrrad zur Abreise packe, verabschiedet sie mich herzlich. Andy ist gerade aus Kapstadt zurueck, bedroeppelt ob der neuerlichen Niederlage seiner Mannschaft: "Das hat alles mit dem Scheiss-Rassismus angefangen." sagt er resigniert. Und er bereichert mich mit einer Erkenntnis zur zimbabwischen (afrikanischen) Tradition, betrunken Auto zu fahren: "Wenn einer in Zim geradeaus faehrt, weisst du, dass er besoffen ist, denn er weicht den Schlagloechern nicht mehr aus." Die drei Hunde, Shadow, Christinas Liebling, Puutsch, der kleine, nervoese Miesgram und die dicke Wally schnueffeln an mir rum, sie spueren die Aufbruchstimmung, der Hahn der Dreiergruppe Perlhuehner keckert noch mal laut, Pieter drueckt mir mit seiner Farmer-Pranke die Hand, Lisa floetet ein "Come back again!", dass elektrische Schiebetor rumpelt und draussen bin ich. Obed, einer der beiden Haushaelter, geleitet mich zur Ausfallstrasse Richtung Nordost, ich gebe ihm noch 20.000 ZD- "Mai-tha" sagt er, "Danke". Vor mir liegen 250 km bis zur Grenze nach Mosambik. Fuer diese Strecke habe ich drei Tage angesetzt. Ich fuehle mich frisch und fit, wenn auch etwas unruhig, wie immer bei besonderen Abschieden. Die Aussenbezirke Harares liegen bald hinter mir. Maessiger Verkehr, schraeger Gegenwind. Es geht vornehmlich leicht aufwaerts und wird allmaehlich heisser. Der Schweiss trocknet in der trockenen Luft schnell. Die ersten Kopjes tauchen auf. Diese isolierten, verstreuten Granitformationen sind meist bewaldet oder mit bluehenden Bueschen bewachsen und ihre Spitzen mit grossen, runden Felsen bedeckt, geformt wie zerfallene Burgen und sie erinnern mich an Greater Zimbabwe. Kuehe weiden, Agamen huschen von ihren Aussichtspunkten in Felsspalten, wenn ich vorbeifahre. Mit der Hitze und Trockenheit tauchen die Gesichtsfliegen auf und Staubhosen bilden sich. Ich gruesse viel: "Magadi-i" (Wie gehts) und "Maskaati" (Guten Nachmittag). Nach 80 km erreiche ich Murewa, eine Kleinstadt. Im Kraemerladen "Mr. Farmer" begruesst mich Stanford, ein junger Schwarzer, der mir Unterkunft anbietet. Ich gehe erstmal nebenan Essen. Dort gibt es keinerlei Getraenke, keinen Reis, keine Servietten und auch kein einziges Messer. Als ich von einem Transporter, der voller Menschen und Ladung ist, ein Foto mache, beschwert sich ein junger Mann, ich muesse ihn um Erlaubnis fragen wg. eines Fotos. Ich sage ihm, dass wenn ich dauernd alle Leute vorher fragen wuerde, wenn ich ein Foto machen wolle, ich nicht zum Fotografieren kaeme. "Das kostet Zeit und es waere immer einer dabei, der nicht will. Das hier ist eine Busstation, oeffentliche Flaeche, da mach ich ein Foto wenns mir gefaellt." Das ist Zim 2005, ein Schatten seines einstigen Selbst. Der Mann will mir partout Schwierigkeiten machen. Wieder dieser Mix aus Abneigung gg. Weisse und Paranoia. Man mag vermuten, dass es andere Gruende wg. der Fotoparanoia gaebe, aber die Leute sind hier zu 75 % Christen, Muslime gibt es fast keine und etwa 24 % sind Animisten, die aber ueberwiegend in den entlegenen Doerfern leben. Manche Muslime leiten vom alttestamentarischen Gebot, man duerfe sich kein Abbild von Gott machen und der Aussage, der Mensch sei nach Gottes Ebenbild geschaffen, ab, dass man also auch kein Abbild, sprich Gemaelde und Fotos, von Menschen machen duerfe. Und dies wiederum uebertragen sie dann weiter darauf, dass sie auch nicht erlauben duerften, dass andere, auch anderen Glaubens, von ihnen ein Bild machten. Aber es gibt stets auch den "Glotzeffekt"- Touristen, die auf jeden das Objektiv halten wie in einem Zoo, ohne zu Gruessen, ohne auf den richtigen Moment zu warten, ohne einzelne oder kleine Gruppen um Erlaubnis zu fragen. Eine Scheu vorm Fotografiertwerden kennen wir ja alle. Standford bringt mich zu seiner Wohnstaette, die sich als ein winziges Zimmerchen mit einem schmalen franzoesichen Bett herausstellt. "Nein mein Lieber", sage ich, "ich schlafe nicht mit dir in einem Bett, sorry!" Ich grinse, er grinst, sagt was von "Junggeselle", sein Laden wirft kaum was ab, er spart, um heiraten zu koennen. Ich such mir den Weg zurueck zur Stadt. Im Supermarkt gibt es nichts zu trinken. Das hab ich noch nirgends in Afrika erlebt. Die Sonne ist untergegangen, als ich nach 3 km die Hauptstrasse wieder erreicht habe. Ich will mir einen Zeltplatz suchen, aber irgendwie fuehle ich mich kaum muede und fahre weiter und weiter durch die Nacht. Ein leuchtender Mond, der am Himmelszelt thront, weist mir den Weg, wenn mich auch das Gegenlicht der Autos blendet. Es geht viel abwaerts, ein leichter Wind kuehlt mich, ueber mir die Sterne, es ist einfach herrlich! Nach 46 km Nachtfahrt- Rekord meiner Radtour- schiebe ich das Rad links ueber eine Sandpiste in den lichten Busch, ins hohe Gras. Mit meinem Schraubenschluessel grabe ich die strohharten Grasbueschel aus, die sonst den Zeltboden durchstiessen und ebne den Boden. Trommeln erklingen, Gesaenge schwellen auf und ab, Nachtvoegel pfeiffen und traellern. Endlich bin ich todmuede und steige in mein kleines, blaues Zelt. Es war dies meine letzte Zelt-Busch-Nacht. geschrieben am 18.9. in Moshi
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