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Reisetagebuch

8/24/2005   Malawi / Lilongwe

Reise vorwaerts in die Vergangenheit

Villa Huegel

(Harald) Ich streife morgens durch die Kleinstadt um Fotos zu machen. Es ist ein schoener Tag, die Nachtfeuchte haelt noch den Staub, den die Autos auf den Lehmstrassen aufwirbeln, niedrig. Da ist der Mercado, der kleine Innenhofmarkt, davor halten die Minibusse. Vorbei am Krankenhaus, in dem sich Ole hat untersuchen lassen. Und am Schoensten: die Villa Huegel, ein voellig symmetrischer Kolonialbau, weiss, mit hellrotem Ziegeldach, selbst die Palmen stehen beidseits gleich.

Eine breite Treppe fuehrt auf einen gekachelten Mosaik-Schmuckbrunnen hinunter, ueber dem Becken die Darstellung eines tonsierten Moenchs mit Leichenbittermine, ganz katholisch-entsagend-lebensfreudenfremd.

Alle Strassen breit, Alleen, Plaetze, alles angesichts der geringen Bewohnerzahl, ueberdimensoniert, aber ruhig wirkend. Die Schule. Die Kinder muessen vor dem Unterricht ihren Schulhof fegen- blanke, trockene Lehmerde, gefegt mit kleinen Reisigbesen im Buecken, gegen den Wind und so blaest ihnen der ihre Uniformen voll. Keiner der Lehrer achtet auf das Missgeschick, zeigt den Kindern, wie man es richtig macht.

Ich warte am Mercade auf einen Kleinbus. Der faehrt eine Runde durch eine laermende Siedlung aus Holzhuetten und -laeden, dann ist der Bus mit Menschen zugequetscht, ueberladen. Ohne Stossdaempfer, jede Bodenunebenheit knallt durch die Karosserie. Am Polizeicheckpunkt hat die Polizei nichts dagegen.

Neben dem Fahrer und dem Conductor gibt es an den Haupthaltepunkten noch die "Vollstopfer", deren Job das Anlocken von Passagieren durch Schreien und sogar koerperliches Dirigieren ist. Daneben sind sie Profis im Sitz- und Gepaeckverteilen. Mit auch nur den geringsten Absprachen ueber die ordentliche Zuteilung der Passagiere, waere das Chaos zu vermeiden. So wie die Wagen eintreffen, stiegen die Passagiere zu, die Tarife sind ja eh alle gleich. Aber stattdessen blockieren sich die Fahrer mit ihren Wagen, schneiden sich die Zu- oder Abfahrtsmoeglichkeiten ab, das gibt Geschrei, Chaos und Streitereien. Warum ist Afrikas Verkehrsmittel Nr. 1 so verschrien?

Die Minibusse sind bei weitem die gefaehrlichsten Transportmittel, Unfaelle, bei denen 10 und mehr Fahrgaeste umkommen, sind haeufig. Hier kann man anschaulich sehen, dass Afrikaner sehr schnell, sehr effizient sein koennen und das ein Provisionssystem sie zu langen Arbeitszeiten antreibt und jedes Risiko, auch fuer die ihnen anvertrauten Fahrgaeste, eingehen laesst. Das ausschliesslich von Provisonen Abhaengen, bedeutet, dass die Fahrer

1. soviele Passagiere wie moeglich ins Auto zwaengen, auch mit groesserem Gepaeck, denn das wird zusaetzlich berechnet. Gerade die hohen Dachlasten bringen bei schnellen Lenkbewegungen die Wagen ins Schleudern.

2.so schnell rasen wie moeglich, um mehr Fahrten pro Tag zu haben.

3.so viele Konkurrenten wie moeglich zu ueberholen, um ihnen voraus die Fahrgaeste wegzuschnappen. Das fuehrt zu wahren Hoellenrennen.

4.Die Fahrer sind meist viel zu jung fuer die verantwortungsvolle Arbeit. Junge Rambos, die sich selbst ueberschaetzen und oft nicht mal einen Fuehrerschein gemacht, sondern gekauft haben, also Verkehrsregeln nicht kennen. Das ein Fussgaenger Vorfahrt hat, WISSEN sie oft nicht.

5.Die Fz-Sicherheit ist allen egal. Die Fahrer und Conductor nehmen in ihrer jugendlichen Verantwortungslosigkeit jedes Risiko in Kauf. Sie haben kaum andere Berufsperspektiven. Die Besitzer kommen nur ans Autofenster um abzukassieren. Sie wollen nichts investieren, solange das Auto nur irgndwie faehrt.

6.Die Fahrer trinken und benutzen Drogen wie Dagga oder Tschatt/Mera, dass gilt oft als erwachsen und chic und zeigt, dass man Geld uebrig hat. Tschatt haelt auch laenger wach, erhoeht aber auch die Risikobereitschaft und fuehrt zur Selbstueberschaetzung.

7.Die Fahrer kaempfen verbissen. Fahrer zu sein bedeutet Prestige in Afrika. Ohne Aussicht, als Ungelernter einen anderen Job zu bekommen, sind sie allzubereit, Grenzen zu ueberschreiten. Um das eintraegliche Geschaeft hat es z.B. in S.A. schon Bandenkriege mit vielen Toten gegeben.

Ich jedenfalls hoffe, die vor mir liegenden, tausenden von km Busfahrten unbeschadet zu ueberstehen.

Es sind nur 25 km bis zur Grenze. Fuer Malawi brauchen EU-Buerger kein Visum, eine freundliche Geste. Nach den Grenzformalitaeten gehe ich zu Fuss zur Asphaltstrasse im Ort hinunter, neben mir ein etwas aufdringlicher, zu hoeflich wirkender Mann (Motto:"Bleib immer am Muzungu- es springt immer was dabei heraus"). Dann stehen wir in der prallen Sonne, warten auf einen Bus. Ein riesiger 4x4 haelt, chromblitzend, ein riesiger Motor tuckert unter der Haube. Zwei Inder bieten mir die Mitfahrt an und der kleine Malawier neben mir springt einfach mit in den Wagen, was den Indern sichtlich nicht gefaellt. Aber der Mann spielt den Freund und kommt so zu einer kostenlosen Mitnahme (Mott:s.o.).

Die 85 km bis Lilongwe rast der Inder nun mit 120 km/h, hupend alles verjagend und setzt mich am Campingsplatz ab. Ich stelle mein Zelt auf der Wiese unter einem Baum auf. Ein Italiener aus dem Tirol, dessen Muttersprache Deutsch ist, hat sein Zelt neben mir. Er spricht, wie er selbst sagt, nur schlecht Italienisch, was ich kaum glauben mag.

Ich fahre in die Stadt. Netcafe. Einkaufen. Indisch Essen- Tandoori. Alles ist deutlich teurer geworden seit ich hier war und es sind mehr Bettler auf den Strassen.

geschrieben am 4.10. in Addis Abeba


 


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