8/30/2005 Malawi / Mzuzu
Uliquandschi (der Gehrmaan regt sich auf)
Von Plastikgeld und unerschoepflichen Quellen
(Harald) Mein heutiges Ziel ist Rumphi, wo ich Julie zu treffen hoffe, die ich in Lilongwe kennengelernt habe und die dort arbeitet. Morgens steige ich erneut in einen Minibus, diesmal vorne neben dem Fahrer, neben mir ein junger Polizist, der etwas Englisch spricht. Ansonsten wird hier Tschitschewa gesprochen, Malawis erste Amtsprache. "Uliquandschi" sagt der freundliche Mann, das heisst "Wie gehts?". Meine letzte Barschaft geht fuer den Fahrpreis drauf, 600 Quatscha, nach meinem Einkauf im "Superette"-Markt: Wasser und Muffins. Das Fruehstueck auf einem Holzbaenkchen vor dem Geschaeft, dem Bettler neben mir breche ich ein Stueck vom Kuchen ab. Mit dem Fahrpreis haut man mich wieder mal uebrs Ohr, ich weiss es und kann doch nichts dagegen machen, denn der Fahrer gestikuliert, wenns mir nicht passt, koenne ich unterwegs gerne aussteigen. Die Mitreisenden machen meine Bemuehungen, den richtigen Fahrpreis zu zahlen, mangels anderer Themen zum Dauerlacher. Immer wieder hoere ich "Gehrmaan- hahaha" hier und "Gehrmaan hahaho" da und nach 10 Minuten platzt mir der Kragen, da auch mein, sonst doch so freundlicher, Polizist keinerlei Anstalten macht mich zu unterstuetzen. Der Hintergrund der Belustigung ist, dass man sich ueber meinen Geiz ereifert, nicht mehr zahlen zu wollen, als die armen Leute hier. Als ich andeute, dass ich schlichtweg kein Geld mehr in der Tasche habe, habe ich das Stichwort fuer noch mehr Gelaechter gegeben, da doch jeder weiss, dass das gelogen ist, da Weisse immer Geld haben. Die haben Plastikkarten, mit denen sie aus Automaten Geld ziehen, die haben kleine Papierstreifen, mit denen sie bei Banken Geld bekommen und die koennen sogar bei ihren Botschaften Geld abholen, wenn sie welches brauchen. Wenn ein Malawier kein Geld hat, dann hat er kein Geld- basta. Keine Bank gibt ihm Kredit und seine Barschaft hat er in der Tasche. Das Gelaechter schwillt an, immer wieder werden neue Witze gemacht und schliesslich reicht es mir endgueltig und ich werde laut: ob man es nicht fuer unhoeflich halte, in einer Sprache, die der Landesgast nicht verstehe, ueber ihn Witze zu machen, wie sie sich fuehlen wuerden, wenn sie in einem fremden Land waeren, z.B. in meinem und immer wieder "Malawier" gesagt wuerde und das dann verlacht wuerde. Der Polizist uebersetzt und schlagartig macht sich Betroffenheit breit, die Sticheleien hoeren auf und ein langes Schweigen tritt ein. Nur: auch der Polizist unterstuetzt den Betrug und ich zahle zaehneknirschend den "Musungu-Preis". Wir erreichen Jenda, direkt an der zambischen Grenze gelegen, dann geht es durch die Berge nach Mzimba. Die Pause dort am Marktplatz nutze ich, um den Fahrradmonteur zu finden, der mein Rad seinerzeit repariert hat und gute Arbeit leistete. Er erkennt mich noch wieder und beschreibt, was er vor rund einem Jahr gemacht hat. Nach einer Std. Abfahrt nach Mzuzu, der groessten Stadt westlich des Lake Malawi. Es geht in engen Serpentinen durch eine spektakulaere Bergwelt mit Ausblicken auf den Malawisee. Auch Mzuzu ist mir noch vertraut. Eine Wechselstube hat zu, in einer Bank tausche ich meine letzten 15 USD. Das Netcafe hat keine Verbindung z.Zt. Im Restaurant "Obrigado"- "Danke" auf Portugiesisch- entdecke ich am Nebentisch Julie! Sie ist aus dem Norden mit ein paar Kollegen hier und in ausgelassener Stimmung werde ich kurzerhand auf die Ladeflaeche des Chevrolette verladen und der Fahrer rast gen Rumphi. Unterwegs rammt er eine Taube, man haelt an und sucht den Kadaver und nimmt ihn zum Verspeisen mit. Alles geht Pinkeln und stoert sich nicht im Geringsten an der direkt daneben stehenden Julie. Von der Hauptstrasse Richtung tansanische Grenze geht es links ab 10 km in die Berge nach Rumphi. Hier ist es windig und kuehl und wunderschoen. Ringsum Gipfel, lichtes Buschwerk und trockenbelaubte Baeume, zwei Baeche treffen sich hier, die reichlich Wasser fuehren. In Julies Hotel, dem "Chefs Pride", ist kein Zimmer frei und ich schlage kurzerhand mein Zelt hinter dem Haus auf einem schmalen Grasstreifen unter den Waescheleinen auf. Der Strom faellt im ganzen Tal aus und ermoeglicht romantische Blicke auf einen unwirklich-klaren Sternenhimmel, der Mond spiegelt sich aufgeregt im Bachwasser und die Berghaenge ringsum zeigen ihre unrasierten, schwarzen Kaemme aus fast kahlem Buschwerk. Im Gang des Hotels stehen Kerzen auf dem Boden, mein Schatten ueberholt mich im Vorbeigehen, draussen brennen kichernde Kochfeuer, in der Hotelbar wird lautstark Billiard gespielt und zuviel getrunken und den kurzberockten, questossenden Frauen zu lange auf den achsorunden Hintern geschaut. geschrieben am 3.11.
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