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Reisetagebuch

8/31/2005   Malawi / Rumphi

Julie

Ich falle in ein Loch und verstehe durchaus

(Harald) Wecken um 5.30 Uhr. Es ist kalt, der Himmel bewoelkt, still im Tal, aus ein paar Daechern steigt Rauch auf, man kocht Nzima, Maisbrei. Julie und ich machen eine Morgenwanderung hinunter zur Bruecke ueber den Rumphi. Vogelmaennchen markieren floetend ihr Revier, Tauben verpruegeln sich mit den Fluegeln, ein Goliathreiher, der Kaiser seiner Gattung, gleitet majestaetisch ueber die Jacarandabaeume hinweg, die jetzt lila-praechtig bluehen. Und Flamboyantbaeume, die sich ihrer unterarmlangen, dunkelbraunen Bohnenschoten rasselnd auf den Aspahlt entledigen. Hellgraue Kopjes, riesige Felskartoffeln, liegen im Bachbett, als habe ein Riese sie hier zum Waschen abgelegt. Tatsaechlich sind sie weit oben vom Huegelhang heruntergekollert- wie gern wuerde ich solch ein Spektakel schauen.

Die Strasse ist Jacaranda-besaeumt. Der Baum stammt aus Suedamerika und scheint heute geradezu ein afrikanisches Wahrzeichen zu sein, wie Mais, Flamboyant-, Tannen-, Fichten- und Eukalyptusbaeume ist er weit verbreitet, aber nicht heimisch.

Im Wasser stehen weisse Kuhreiher, die kleine Variante, Frauen nehmen ein Bad hinter lichtem Schilf notduerftig verborgen, lachend, winkend, buntbetucht dann. Wir springen ueber trockene Steinkuppen im kraeftigen Strom. Eisvoegel, gross und bunt wie Aras, flattern hungrig ueber dem Wasser und stossen blitzschnell, erfolgsgewohnt, ins Rauschende, Spiegelnde, mit zappelnder Beute im langen Spitzschnabel auftauchend. Auf kahlem Geaest hauen sie das Fischlein k.o., rechts, links, zack-flatsch, dann den kurzen Hals gereckt und mit zwei, drei Stoessen ist der fingergrosse Fisch verschlungen.

Ich bringe Julie zur Dienststelle. Ihr Chef ist nicht da, wie auch die meisten der Maenner, die gestern, wie so oft, zu tief ins Glas geschaut haben. Chefs gehen hier vor allem mit dem Beispiel voran, wie man es nicht macht, sich aber erlauben kann. Wozu soll Macht auch gut sein, wenn man sie nicht benutzt, ausnutzt? Julies Chef hat verkuenden lassen, er sei bei einem kranken Cousin in Mzuzu. Was fuer eine Frechheit, so eine derart dreiste, offensichtliche Luege, da ihn jeder gestern abend voellig betrunken gesehen hat. Und jeder weiss, dass Sich-um-Kranke-kuemmern reine Frauensache ist. Aber allen seinen maennlichen Untergebenen ist das sehr recht, denn sie fehlen samt und sonders ebenfalls und was soll der Chef schon sagen. Er sieht es nicht und sie sind ja auch noch restalkoholkrank.

Am Nachmittag wandern wir ortsauswaerts, durchqueren mit hochgekrempelten Hosenbeinen den klaren, kalten Bach, kraxeln hangaufwaerts ueber loses Geroell, Ziegenpfade benutzend. Hoelzerne Kuhglocken rumpeln dumpf, Messing ists bei den Ziegen, die weissen Baeuche leuchten zwischen dem hellbraunen Gestruepp wie Schneebaelle. Eine grosse Gottesanbeterin versucht aengstlich davonzulaufen. Ich setze sie auf meine sonnenverbrannte Hand, wo sie ruhig wird, als warte sie ab, was ich vorhabe. Nur Anschauen. Die Heuschrecke dreht ihren dreieckigen Kopf. Hinter uns seltsames Rufen, ein schwarz-weisses Hornvogelpaerchen mit karmesinroten, gebogenen Schnaebeln gleitet durch die Dornenbaeume.

Mit meinem einzigen Schuhwerk, den Sandalen, finde ich keinen Halt, auch Julie rutscht mehr als sie steigt, die Sonne sinkt, 100 m unter dem Huegelkamm setzen wir uns nebeneinander auf einen Baumstamm und schauen der Sonne zu, wie sie sich umzieht von Gelb ueber Orange nach Flammenrot und ihre Pracht verteilt auf die Berge, deren Haenge orange-leuchtend antworten, die vordem hellgrauen Kopjes antworten am Ende nur noch in dunklem Lila, die Wolken fliehen vom Horizont der Nacht zu. Wir grinsen uns an. Schoen wars, gelle? Hat die Muehe gelohnt.

Bergabwaerts schnell vor der Dunkelheit. Eine Huette, eine Familie, Hundewelpen fiepend. Kein Strom hier und ein langer Weg ins Dorf. Einsam. Freundliche Leute- da gehts lang! zeigen sie.

Am Bach ists dunkel schon und mehrere Maedchen zeigen uns eine Furt, die wir durchwaten, bis ueber die Oberschenkel das Wasser, Julie mit weissen Beinen vor mir, die Kamera wie eine Trophaee hochhaltend. Sie schenkt den Maedchen Stifte, wir muessen alles bezahlen.

Kein Mond, das hatte ich nicht beruecksichtigt und als ich voraus auf elektrisches Licht zulaufe, geblendet, sacke ich schlagartig vor Julie in ein Loch. Ich bin unzerbrochen, aber verschrammt und erschrocken und kann erst nicht in Julies, teils erleichtert-hysterisches Lachen einfallen. In meinem Fuss stecken Dornen. Als ich derart verstaubt, zerkratzt ins Licht vor das Haus vor mir trete, schaut man von drinnen argwoehnisch, aengstlich aus einem Spalt auf mich und weigert sich beharrlich, auf mein Rufen zu reagieren. Wieviel Weisse haben eigentlich in Malawi auf dem Land schon Ueberfaelle veruebt, na? Also was soll der Quatsch?

Schliesslich fasst sich drinnen jemand ein Herz, mein energisches Klopfen an die wacklige Holztuere ist kaum zu ignorieren. Wo, bitte, gehts zur Strasse?

Im Hotel sitzen wir bei Kerzenschein draussen und essen Minifrikadellen und schlafen spaeter wie die Steine, nachdem ich den einheimischen Poolcracks noch erfolglos versucht habe zu zeigen, was ne deutsche Billiardharke ist. Julie hat noch nicht begriffen, warum sich einer der Maenner mir gegenueber so aufspielt und sich z.B. einfach etwas von meinem Teller nimmt und sie gegen ihren Willen zum Trinken anhalten will und ich erklaere ihr, dass ihr bezauberndes Laecheln dessen Hormonhaushalt in Wallung gebracht hat und wie einfach hier die Maenner gestrickt sind. Eine Frau darf sich nicht so nah neben sie stellen, ihnen lange und fest in die Augen schauen und dauernd Freude und Lachen zeigen, vor allem nicht mit einem tiefen, weissen Dekoltee. Der Kerl sieht mich als Konkurrenten und wird unangenehm und ich sage ihm vor den Umstehenden, dass er mir das, was er von meinem Teller genommen hat, bezahlen muss. Julie ist das peinlich, aber wenn sie nicht aufpasst, wird ihr einer der fast jeden Abend betrunkenen Kollegen, den sie so locker anlacht, sich eines Nachts ermuntert fuehlen. Julie fuehlt sich mit ihren 22 Jahren vor einem zoelibatverstaerkend-haesslichen Typen Mitte 50 sicher, aber in Afrika sind solche Altersunterschiede fuer Maenner kein Signal. Hier versteht jeder Polizist, dass sich ein Malawier von einem jungen, weissen Maedchen angezogen fuehlt. Wie mir die Polizei in Aethiopien in zwei Faellen von Gewalt gegen Frauen lachend versicherten: "Das ist unsere Kultur, das verstehen sie nicht." Ich verstehe durchaus, ich verstehe durchaus.

geschrieben am 3.11.


 


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