9/6/2005 Malawi / Karonga
Killer in Afrika
Das Maedchen am See
(Harald) 5.9.- Von Nkhata Bay mit dem Bus zurueck nach Mzuzu und Rumphi, Uebernachtung im "Chefs Pride"-Hotel. 6.9.- Abschied von Julie, die mir Euros fuer das tansanische Visum leiht. Mit dem Minibus nach Karonga, ins Land des Nkhonde-Stammes, 50 km vor der Grenze. Hier gibt es ein Dinosaurier- und Vormenschenmuseum. Ganz in der Naehe von Karonga wurden bedeutende Funde von Vormenschen gemacht, die die geografische Luecke zwischen den frueheren Funden in Aethiopien, Kenia und Nordtansania, sowie denen in Suedafrikas Gauteng-Provinz schliessen. Im Ortskern ankommen, miete ich ein Fahrradtaxi. Das ist ein normales Fahrrad mit stabilem Gepaecktraeger, auf dem, wie in Kenia z.B., bestenfalls ein festes Plastikpolster montiert ist. Dieses hier bietet blankes Eisen. Rechts zwei Gepaecktaschen, links eine, am langen Arm baumelnd, radeln wir stadtauswaerts. Auch mal nett, kutschiert zu werden! Die halbstuendige Muehsal bringt dem Fahrer 50 Quatscha, also rd. 30 Cent EUR. Im Hotelkomplex finde ich noch meinen alten Eintrag im Gaestebuch von 2004. Der Hotelmanager erinnert sich meiner und erzaehlt von der jungen Radfahrerin aus Deutschland, die 2001 hier alleine durchkam, auf ihrem Weg Richtung Kapstadt und die einige Wochen spaeter, in der Naehe von Cape McClear am Suedende des Lake Malawi, von zwei jungen Malawiern ermordet wurde. Die Taeter wurden gefasst. Das angeblich 18-jaehrige Maedchen hat ihren Mut und ihre Neugier mit dem Leben bezahlt. Der Manager erinnert sich an ein symphatisches, freundliches Wesen, dass viel gelacht hat. Ich wuerde ihr gerne mein Reisetagebuch widmen, wenn ich nur wuesste wie sie hiess. Man bietet mir ein Zimmer an, aber ich bevorzuge den kleinen Sandstrand vor dem Gartenlokal und baue neben einem alten Fischerboetchen mein Zelt auf. Die kleinen Wellen schwappen schlurfend an das schlammige Ufer. Hier wird vor Bilharziose gewarnt, eine, sofern unbehandelt, toedliche Krankheit, die durch winzige Wuermer hervorgerufen wird, die sich, ueber Wasserschnecken als Zwischenwirte fuer ihre Eier, in die menschliche Haut bohren und ueber die Blutbahnen in Organe wie z.B. die Leber, aber auch ins Gehirn gelangen. Waehrend Touristen Gewaesser panisch meiden, denen Bilharziabefall nachgesagt wird und jedes Guidebook sich mit diesem Thema befasst, muessen Afrikas Menschen mit dem Risiko leben und baden tagtaeglich und ausgiebig in solchen Wassern. Mangels Duschen und Schwimmbaedern, Waschmaschinen und Autowaschanlagen bleibt ihnen ja auch nichts anderes uebrig. Ich bin der einzige Gast hier. Man wirft fuer mich den Heizkessel fuer die Dusche an und inmitten Schwaermen von hungrigen Moskitos entledige ich mich des Schweisses. Ein Fisch aus dem See mit Reis und Beilage unter einem der metallenen Sonnenschirme mit Schilfdach. Der Abendwind macht den Konzertmeister der Palmblaetter, Beleuchtungskabel und Wellen, meine Gedanken und Erinnerungen komponieren eine eigene Synphonie. Sie schweifen ab zu dem Maedchen, dass, genau wie ich, hier ihr Zelt aufschlug vor fast 4 Jahren, dass optimistisch, mutig weiterfuhr, voller Symphatie fuer Land und Leute und arglos irgendwo am See vom Rad stieg um Fotos zu machen und dann kamen zwei Jungs daher, die es fuer akzeptabel hielten, fuer ihre Lust und Gier diesen Menschen zu toeten. Nach kurzen, schrecklichen Momenten der Befriedigung ein wenig Geld, ein Fahrrad, Waesche, wenige Wertsachen, ein Zelt, dass auf dem Schwarzmarkt verkauft werden koennte, nachdem der Staub des Verbrechens sich gelegt hat. Was kann man dafuer kaufen? Eine Armbanduhr, ein paar Schuhe, Bier und ein bisschen Spass vielleicht. Das alles mit diesem metallischen Beigeschmack des vorangegangenen Verbrechens. Wenn schon nicht mit Gewissensbissen, so doch sicher mit Angst vor Aufdeckung verbunden. Und ich denke an den Unfall, der am hiesigen Westufer des Sees geschah: ein offener Bau-LKW transportiert an einem Feiertag Schulkinder, eng eingepfercht auf der Ladeflaeche, der Fahrer rast wie ein Irrer, ueberschlaegt sich...Ueber 200 Kinder starben an diesem Tag, nur wenige ueberlebten. Trotzdem hat es die hiesige Regierung nicht geschafft, wirksame Kontrollen durchzusetzen, die Passagierzahlen und Ueberladungen verhindern. Ich habe drei Jahre lang Glueck gehabt, bin trotz aller Gefahren heil durchgekommen. Die letzten paar tausend Kilometer werde ich auch noch unbeschadet ueberstehen, auch wenn ich weiterhin mit Afrikas Strassenkiller Nr. 1 reisen werde: den Minibussen. geschrieben am 3.11.
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