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Reisetagebuch

9/7/2005   Tansania / Mbeya

Christliche Lieder

Zeitgefuehl im Alten Kontinent

(Harald) Es ist noch dunkel, als ich aufstehe. Dann geht hinter der Bergen am anderen Ufer die Sonne auf. Nach langsamem Fruehstueck in den waermenden Strahlen packe ich das Zelt zusammen. So oft gemacht, hunderte Male. Reiseroutine.

An der Strasse Warten auf einen Bus. Kaporo, dann die Grenze. Das letzte Geld getauscht fuer den Bus nach Mbeya. Kyela, Tukuyu. Die Strecke ist eine Bilderbuchfahrt durch sattgruene Plantagen von Bananen, Papaya, Tee, Tomaten, Mais usw. Das schmale, graue Band der einzigen Asphaltstrasse von Mittel- und Nordmalawi windet sich ueber die Bergkaemme, unter riesigen Mangobaeumen hindurch, verschwindet hie und da und taucht in der diesigen Ferne wieder auf und ich erinnere der haeufigen Gedanken meiner Herreise: "Herzlichen Glueckwunsch, da muss ich rauf! Na das wird heiter."

Auch Mbeya vertraut. Unterkunft wie voriges Jahr ueber der Stadt. Essen beim Inder, Gespraeche mit deutschen Touristen, Dagmar und ihr Bruder und ich planen eine Wanderung morgen. Diafilme kaufen, das Internet langsam und muehselig. Im Nebenzimmer singen zwei Maenner lauthals christliche Lieder. Nach 20 Minuten klopfe ich an. Ob man nicht morgen frueh weitersingen koenne, die Lieder seien durchaus sehr schoen, die Stimmen- nun, sagen wir mal "markant"- ja, alles ganz nett, aber es sei Mitternacht und wenn ich mich so umschaue, aehnelt mein Zimmer keiner Kapelle, da halte ich eine Verwechslung fuer ausgeschlossen, da bin ich mir sicher. Nochmals: schoene Stimmen, tolle Songs, ehrlich. Beten ist ja ganz richtig, auch da stimme ich zu, ja-ja. Ja. In 10 Minuten? Das halte ich noch aus. Afrikanische 10 Minuten dauern etwa 20-30 Minuten, muss man wissen. Afrikanische Zeitangaben sind Absichtserklaerungen, keine Vorhersagen. Sie verdeutlichen lediglich den Wunsch des Sprechers, nicht dessen Willen. Sie spiegeln den Geist des Gespraeches wieder, die Haltung dir etwas Nettes zu sagen, dich zu besaenftigen und Hoffnung zu schenken. In Afrika gibt es das nicht: "Ein Mann, ein Wort!" EIN Wort? Das gibt es genausowenig wie "ein Mann". Hier wird im Verbund entschieden, da gilt es vieler Leute Interessen zu wahren bei einer Entscheidung, wer das nicht beachtet, laeuft auf und wird scheitern mit seinen Plaenen. Die Ohnmaechtigen haben auch ihre Macht: ueber Zauberei, die man kaufen, mieten kann. Selbst der grosse Dingane, der Zuluhaeuptling, spuckte regulaer in die Hand eines dafuer stets neben ihm knieenden Dieners, damit sich keiner zu Zauberzwecken seines Speichels bemaechtigen konnte.

Und weil Entscheidungen so ausgiebig palavert werden, weil so viele Interessen zu wahren sind, tut man sich mit Ad-hoc-Enscheidungen, ja klaren Entscheidungen ueberhaupt, sehr schwer und alles wird langsam und schwerfaellig.

Ich mache also mein Licht wieder an und lese und warte die afrikanischen 10 Minuten ab. Zeit in Afrika ist nicht gemessen, sondern gefuehlt. Fuer den, der sich ablenkt, vergeht die Zeit schneller, egal was die Uhr sagt. Afrika ist der Kontinent der Vagheit, nicht der Exaktheit. Des Ungefaehren im Gesprochenen, nicht die Verbindlichkeit des Geschriebenen.

geschrieben am 3.11.


 


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