9/9/2005 Tanzania / Iringa
Nulla poena sine lege?
Der Maji-Maji-Aufstand
(Harald) Auch Tanzania war Schauplatz deutscher Kolonialgeschichte und ihrer zwangslaeufig ueblen Folgen. 1905 erhoben sich die Angehoerigen verschiedener Staemme gegen die Knebelung- zu einem Zeitpunkt, als in den USA die letzten Aufstaende schon 15, 20 Jahre frueher niedergeschlagen worden waren (Geronimo 1888, Sitting Bull 1890, Wounded Knee 1890). Die Sioux und Cheyenne in Dakota waren die letzten Indianer, die sich erhoben, aber vor allem wegen der waffentechnischen Ueberlegenheit der Armee der Weissen aufgaben. Vor diesem militaerischen Hintergrund muss man die Erfolge der Aethiopier 1896 gegen die Italiener sehen, sowie das Scheitern der Matabele in Zimbabwe 1896, der Sudanesen des Mahdis in der Schlacht bei Omdurman gegen die Englaender 1898- die groesste Armee, die bis dahin je in Afrika aufgestellt worden war. Gegen die industriegefertigten, modernen Waffen hatten Indigene weltweit am Ende des 19.Jh. keine Chance mehr. Im Maji-Maji-Aufstand ("Maji" ("Madschi" gesprochen) ist Kisuaheli und heisst "Wasser") erhoben sich die- eigentlich verfeindeten- Staemme der Wapogoro, Warundi, Massai, Jao, Kichi, Makua, Matumbi, Mwera, Wagogo und die Ngindos. Die Aufstaendischen glaubten damals, durch verzaubertes Wasser kugelfest zu sein (eine weitere, erstaunliche Parallele zu den Geistertaenzern und Aufstaendischen in den USA am Ende des 19.Jh.). Sie versuchten in Tanganyika, trotz Maschinengewehren und Kartaetschengranaten, eine Befreiung vom Sklaven- und Steuerjoch und dem alltaeglichen, unertraeglichen Rassismus, wie in Namibia die Herero und Nama (Hottentotten) zum fast gleichen Zeitpunkt. Beide Aufstaende wurden blutig niedergeschlagen. In Namibia starben wahrscheinlich die Haelfte aller Hereros, ca. 20.000, vielleicht auch wesentlich mehr, niemand wird das je sagen koennen. Die deutsche Generalitaet sandte General Lothar von Trotha, der sich schon beim Boxeraufstand in China 1900/01 durch seine Grausamkeit hervorgetan hatte. Nach dem grossen Volksmord in Namibia reiste er nach Tanganyika weiter und kroente seine Bilanz im Massenmord. Dauerte der Buschkrieg in Namibia noch fast fuenf Jahre, war er hier in zwei Jahren niedergeschlagen. Ca. 100.000-250.000 Tote forderte der Maji-Maji-Aufstand- wesentlich mehr, als der Krieg in Namibia. Trotzdem hat hier bisher niemand eine Klage gegen die BRD angestrengt und in Deutschland erinnert sich fast niemand mehr dieses Geschichtskapitels. Die Verluste auf deutscher Seite waren uebrigens gering. Und erst durch die Graeuel dieses Schlachtens, wurde in den deutschen Kolonien die Sklaverei abgeschafft, die den dortigen Farmern und Firmen bis dahin billige Arbeitskraefte verschaffte. Die deutsche Kolonialgeschichte begann 1884 und endete 1918 mit der Kapitulation der deutschen Truppen in Ostafrika. Sie war somit kurz. Und blutig. Weitere Kolonien waren neben Deutsch-Suedwestafrika (Namibia) und Deutsch-Ostafrika (Tangayika, Ruanda, Burundi)), Kamerun, Togo und Gebiete in Franzoesisch Aequatorialafrika, sowie Tsingtau in China und Papua-Neuguinea. Am 19.9.2001 reichten die namibischen Hereros in den USA zwei Klagen zu jeweils 2 Milliarden USD gegen die Bundesrepublik Deutschland, sowie die Woerman-Linie (die hamburger Reederei, die die Soldaten nach Namibia verschiffte), gegen die Deutsche Bank und die Terex Corporation ein. Die Klagen hatten und haben keine Aussicht auf Erfolg, obwohl jedes Rechtsgefuehl fuer ein positives Urteil fuer die Hereros spricht. Gesetze und ihre Auslegung sind von den Industriestaaten bestimmt, nicht von den Betroffenen, so wie es auch mit den damaligen "Vertraegen" war. Nur ein Bsp.: Joseph Fredericks, das damalige Oberhaupt der Nama, dem zweiten, grossen Stamm in Namibia, ging bei Vertragsunterzeichnung bei den Angaben ueber Grenzen von englischen Meilen aus (ca. 1,6 km)- den einzigen Meilen, die er kannte-, waehrend der bremer Kaufmann Adolf Luederitz auf deutschen Meilen beharrte (7,4, km). Europaeische Gerichte gehen nach dem Grundsatz vor: "Nulla poena sine lege"- keine Strafe ohne Gesetz. Die UN-Konvention zur Bestrafung von Voelkermord wurde erst 1948 erlassen. Und die Genfer Konvention von 1864 und die Haager Landkriegsordnung von 1899/1907 gelten nur fuer Vertragsparteien. Und wie die Palaestinenser erst durch die Gruendung des israelischen Staates 1948 Buerger eines Staates wurden, so wurden die Nama und Hereros erst durch die Protektoratserklaerung des Reichskanzlers Bismarck 1884 Staatsbuerger. Aber trotzdem heissen sie heute in der Rechtssprache "nichtstaatliche Gruppen". Im Uebrigen sind die Ansprueche verjaehrt- auch dies eine Festlegung "zivilisierter" Rechtssyteme. Fuer die Hereros ist das nicht verjaehrt und immer noch ungesuehntes Unrecht und die Rechte ihres Volkes sehen sie nicht definiert durch ihre Peiniger. Das sie wie schaedliche Tiere von Von Trotha und seiner Soldateska gejagt und abgeknallt wurden, war, ist fuer sie Unrecht, auch ohne Unterzeichnung von Abkommen und Vertraegen in Europa. Wie die Palaestinenser vor 1948, definieren sie sich auch fuer die Zeit vor einer Staatsgruendung als Volk, als Menschen, denen Menschenrechte, Existenz- und Terretorialrechte zustanden. Es gab keinen Nama- oder Herero-Staat, ebensowenig wie einen palaestinensischen, aber diese Menschen waren da, seit Jahrhunderten, sie geniessen eine Art "Niessbrauch", also ein Gewohnheitsrecht. Zu sagen, es gab keinen Staat vordem und deshalb haetten Bewohner dieser "Gebiete" keine einklagbaren Rechte, erweckt im einen Fall im ganzen suedlichen Afrika, im anderen Fall im ganzen arabischen Kulturraum Widerspruch und Zorn. Aber diese "nicht-zivilisierte" Rechtsauffassung zaehlt nicht. Die Bundesregierung fuehlt sich den Hereros und Namas allerdings verpflichtet und so hat Namibia seit 1990 den groessten Anteil deutscher Entwicklungshilfe erhalten: ca. 500 Mill. Euro. Aussenminister Fischer hat 2001 in Durban, auf der Anti-Rassismus-Konferenz, immerhin die Schuld Deutschlands fuer die Folgen der Unterdrueckung und Versklavung in den deutschen Ex-Kolonien anerkannt. Ich wache um 4.30 Uhr auf- eine Muecke hat es ins Netz geschafft und mich angezapft. Trotz aller Routine brauche ich eine Viertelstunde, bis ich sie erwischt habe. Und kaum fallen mir die Augen wieder zu, ruft der Muezzin nebenan zum Gebet auf: "Allahu ekteber" Dann faellt ein zweiter ein, wuetend klingt der (wahrscheinlich weil er jeden Morgen so frueh raus muss) und ich frage mich wieder mal: wer, um alles in der Welt, spricht in SSA eigentlich Arabisch ausser den Imamen und Muezzinen, so dass er die Gebete ueberhaupt verstehen kann? Alle Gebete und Aufrufe sowie die Quran-Lesungen erfolgen in Arabisch, weltweit, auch in Aethiopien, Kenia und Tanzania. Kaum sind die Aufrufer fertig- ich sinke gerade erleichtert ins Kissen- startet im Hof einer seinen LKW und, fast moechte man sagen "natuerlich", -er faehrt nicht ab. Der Dieselmotor rattert und brummt eine Viertelstunde, bis ich hinausgehe und den Mann anspreche: "Dein Dieselmotor ist ein guter, moderner Motor, der braucht nicht vorgewaermt zu werden. Du kannst ihn starten und sofort losfahren. Es sind ueber 20 Grad, wir sind nicht in Russland. Es ist halbe Nacht, Du weckst alle Gaeste auf und die Abgase ziehen ueber den [allseits geschlossenen] Hof in die Fenster, dass ist ungesund. Und der laufende Motor verbraucht Treibstoff, dass kostet Geld. Bitte mach den Motor aus." Der Mann laesst mich aussprechen und grinst dann:"Sorry. Sorry. Yes." Und stellt den Motor ab. Ich krieche wieder unter das Netz. Keine Muecke. Kein Muezzin. Kein Motor. Ah! Ich daemmere dahin, bis, ja bis der Motor wieder angelassen wird. Ich fuehle mich wie Donald Duck im Comic, der schon voellig verfalltete Augen hat, weil er einfach nicht schlafen kann. Nach ein paar Minuten faehrt der Fahrer ab. O.K. Das wars endlich. Ich strecke mich, stopfe die Papiertaschentuchkuegelchen fester in die Ohren und suche die Muetze Schlaf erneut. Bis, ja bis...nebenan die Putzfrau mit Zinkeimern klappert, Tueren knarren und schlagen krachend zu, aus ihrem Hofzimmerchen hallt ein Kofferradio, dann kommt der Hausmeister und man ruft sich zu und ich gebe auf. Es ist 5.45 und der Tag beginnt, ob du willst oder nicht. Ich packe zusammen und muehe mich mit den drei Taschen hinunter in die Stadt zum Inder und fruehstuecke gezuckerte Tschapatis und gewurezten Tee. Dann gehts mit dem Bus weiter Richtung Daressalam. "Der ungerechteste Frieden ist immer noch besser, als der gerechteste Krieg." Cicero geschrieben am 16.3.
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