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Reisetagebuch

9/14/2005   Tanzania / Bagamoyo

Suedseezauber

Ermuedung, Ernuechterung, Erwartung, Erklaerung, Erfahrung

(Harald) Ein Abschied, der mir schwer faellt. Dar gefaellt mir gut, die Naehe des Meeres, der frische Wind, die vielen frischen Fruechte, Strassenhaend- ler, die dir junge Kokosnuesse aufschlagen und du trinkst den trueben, suessen Saft und lutschst anschliessend mit einem Span das weiche Fruchtfleisch, ueberhaupt die Leichtigkeit, das Bunte dieser Stadt, die vielen verschiedenen Kuechen und Gartenlokale, die Altstadt, nachts milde 26-28 Grad, Zanzibar lockt, Palmen, die schoen restaurierten Kolonialbauten. Mir gefaellt das Selbstbewusstsein der Tanzanier, ihre Faehigkeit, mit der kolonialen Vergangenheit soviel unverkrampfter umzugehen als andere. Diese Mischung aus arabischen, indischen, englischen, modernen Elementen. Hier scheinen mir die Moscheen nicht so laut, die Strassenueberfaelle halten sich in Grenzen, du brauchst nachts nicht Panik zu bekommen, wenn du als Weisser alleine nach Hause gehst, keiner fragt dich da, ob du wahnsinnig bist, wie z.B. in S.A.

Der Abschied faellt auch schwer, weil ich ehrlich gesagt, reisemuede bin. Drei Jahre bin ich unterwegs und nur selten laenger an einem Ort geblieben: drei Monate Kairo. Ein paar Wochen in Khartum, in Bahir Dar, Addis, Lokologo, Nairobi, Pretoria- das wars. Ueber 20.000 km Radfahren- ich kann es selbst nicht glauben. Jetzt mit dem Bus durch Afrika, tausende von Kilometern, am Ende werden es ueber 30.000 Reisekilometer sein, 22 Laender, hunderte von Bekannschaften. All die Kulturen, Landschaften, Menschen, Erlebnisse. Das will verarbeitet sein, das muss sacken.

Es wird Zeit anzukommen.

Nach einem Friseurbesuch- der Mann ist Muslim und wir schwaermen von den schoenen Strophen, den erbauenden Sinnspruechen und dem melodioesen Klang des Quran- nehme ich einen Dalla-Dalla (Minibus) aus der Innenstadt heraus. Am Grossbusbahnhof wieder mal Aerger mit dem Taxifahrer, der sauer ist, weil ich nicht so dumm bin wie die ueblichen Touristen, die ihm das Zigfache des ueblichen Fahrpreises zahlen. Aber ich gebe ihm einfach den richtigen Betrag, lege etwas drauf und steige nach sehr kurzer Argumentation aus. Jedes Verweilen und Diskutieren wird nur als Unsicherheit, schlechtes Gewissen oder Bereitschaft zum Nachgeben verstanden.

Es geht entlang der Kueste nach Kunduchi. Ich moechte ein paar alte Ruinen aus der arabischen Zeit sehen. An der Endstation bin ich der letzte Fahrgast. Ein Fuenf-Sterne-Hotel, das "Kunduchi Beach Resort" bietet Swimmingpool, Spielplatz und Unterbringung im Swahili-Stil. Man muesse durch dieses Hotelgelaende gehen, um die Ruinen zu sehen. Als ich in der Lobby stehe, stellt sich das natuerlich wieder mal als Unsinn heraus. Ich sollte nur hier landen, ein Zimmer mieten und eine Tour buchen, jeder Gast wird hier benoetigt, denn das Hotel ist fast leer. Die meisten der fuer tanzanische Verhaeltnisse unbezahlbaren Zimmer sind fuer "Konferenz"-Teilnehmer gebucht. Heute tagt hier das Innenministerium, Abteilung "Feuer". Gutgekleidete Damen rascheln in Seide, livrierte Diener servieren eisgekuehlte Alkoholics. Ja, Konferenzen, die gibt es reichlich. Das Zimmer kostet hier ab 150 US-Dollar, die Suiten bis 350. Das ist ein Zimmerpreis der das monatliche Einkommen der Teilnehmer ueberschreitet. Aber es ist ja staatliches Geld und Konferenzen, Konferenzen, konferenzieren sich. Man tagt, redet, beraet, so machen es die Politiker ja auch in Europa, das macht man so, das ist ueblich, man tut etwas, wenigstens so als waere man wichtig. Tausende von Dollars werden ausgegeben fuer diese Vortraege und Beratungen, man wird durch halb Tanzania gekarrt, natuerlich in Limosinen. Man isst nur das weisse Fleisch und geniesst fremdes braunes auf gestaerkten Laken. Fuer die Betraege, die in Tanzania fuer Konferenzen ausgegeben werden, liessen sich mehrere Krankenhaueser bauen, Schulen. Aber man darf ja und was nicht verboten ist, ist erlaubt. Und was nicht geahndet wird, ohnehin und sowieso. Das sind zwei der Notwendigkeiten des Kontinents: Kontrolle und Rechtssicherheit.

Stolz zeigt man mir die Honeymoonsuite mit rundem Bett und Whirlpool, in der Luft liegt der Geruch von Raumsprays. Das Hotel wurde von einer europaeischen Gesellschaft erbaut und gehoert jetzt, seit wenigen Jahren, dem tanzanischen Staat. Da wirkt noch die sozialistische Vergangenheit nach, dieses Thema ist immer noch nicht ausgestanden in Afrika. Ginge es nach der politischen Klasse, wuerde dieses Geldverteilsystem in Afrika auch noch ein langes Leben fuehren. Faellt es schon einem deutschen Politiker schwer, sich als Diener des Volkes zu verstehen, so erscheint dieses Denken einem afrikanischen Politiker geradezu absurd. Politik dient dazu sich Macht zu verschaffen, diese Macht zur Bereicherung bestmoeglichst zu nutzen und die dabei begangenen Verbrechen nach dem Abtritt zu kaschieren oder eine Verfolgung auszuschliessen. Sorry, aber so nuechtern sehe ich das mittlerweile. Loebliche Ausnahmen gibt es, Perlen, die im Abwasser mitgerissen werden. Charismatische, aufrichtige Volksfreunde- und fuehrer haben- nicht nur in Afrika- ein kurzes Leben. Wenn sich Charisma nicht mit Skrupellosigkeit mischt, beisst der Haertere den sanfteren Menschenfreund weg. So ist das in Afrika und so wird das auch noch eine ganze Weile bleiben.

Hinter dem Hotel liegt der Traumstrand, fast weiss, palmengesaeumt, eine tuerkisfarbene See davor. Leute- unglaublich! Suedseezauber. Angler stehen im flachen Wasser, davor ziehen die Daus vorbei, schmale Fischerkanus mit Auslegern, in denen einzelne Maenner mit loechrigen Strohhueten an ausgebleichten Segeln ziehen. Flache Inseln in Schwimmweite, voller Palmen, sanfter Wind, Eidechsen flitzen in Deckung, ich setze mich in den Sand vor ein Bootswrack und lasse einige Zeit Revue passieren. Kapstadt, schon so fern. Christina und in wenigen Tagen durch Zim mit dem Rad. Die Loewen, die Giraffe. Freunde so viele gefunden. Jetzt reise ich so schnell, dass ich garnicht mehr mental mitkomme, dieses Tempo bin ich nicht gewohnt.

Das Hotel leidet bereits unter der tanzanischen Geschaeftsfuehrung. Ein Tankwagen pumpt die Faekalien des Hotels ab und anschliessend, auf dem Gelaende des Hotels, wieder in die kleine Bucht. Eine braune, bestialisch stinkende Bruehe ergiesst sich in das so traumhafte Meerwasser und niemand beschwert sich. Wogegen auch- das Hotel gehoert ja dem Staat. Ueberall sieht man abblaetternde Farbe, in jedem nicht frequentierten Hof liegen Schrott- und andere Abfaelle. Das Personal luemmelt sich, 1b-Bereiche sind bereits nicht mehr sauber. Ein paar Jahre noch Abschoepfen, schnelles Geld, dann die Preise senken, weitervermieten, verkaufen vielleicht. So macht man das in Afrika. Langfristige Investitionen sind stets ein Risiko bei den schnell wechselnden Winden auf diesem Kontinent. Intrigen, Korruption, der Fall eines Proteges und zack! bist du deine Investition los.

Mit dem Dalla-Dalla geht es von hier nicht weiter Richtung Bagamoyo, meinem Ziel- heisst es jedenfalls.

Ich reise also zurueck nach Mbweni und von dort wieder retour, entlang der Kueste nach Tegeta. Was fuer ein Drecksloch- eine einzige Abfallhalde. Der Wind traegt Sand und Plastiktueten herum. Mensch, Leute, fuehlt ihr euch wohl in eurem eigenen Dreck? 2oo m abseits der Strasse eine grosse Abfallgrube gegraben, ein paar leere Oelfaessr als Muelltonnen aufgestellt und den Abfall zweimal im Monat verbrannt- das waere doch machbar! Stattdessen Ratten, Gestank, Infektionen. Das Paradies hat Schattenseiten.

Weiter nach Bagamoyo. Ein Guide haengt sich gleich bei Ankunft an mich, traegt eine meiner drei Taschen. Durch einen verfallenen Ort, ca. 3 km, die Arme werden lang. Ein Hotel mit Campingplatz, die "Traveller Lodge", Freiluftgrill, sanfte Musik. Ich baue mein Zelt auf, trinke ein Bier. Wenige Gaeste, alle aus Europa. Eine deutsche Familie am Nachbartisch. Ich weiss immer noch nicht genau, was ich als Wahrheit auf die Frage: "Warum haben sie diese Reise gemacht?" eigentlich verkuenden soll. "Und was danach?" Ja, das wurde ich schon VOR der Reise gefragt. Ich werde sehen. Fantasien, Wuensche. Ideen viele, Plaene einige, Erwartungen wenige. Das Schwierigste ist wohl das Aushalten der Ungewissheit. Sich nicht abbringen lassen von der Zuversicht, auch wenn alles, was man auf die Frage, worauf sie sich denn konkret begruende, antworten wuerde, nur peinlich klingen kann.

Der Besitzer kommt vorbei, ein Schweizer, seine Frau ist Suedafrikanerin. Er warnt mich vor den Strandabschnitten abseits der von seinen Wachleuten beschuetzten Abschnitte: "Ihre paar Euro sind fuer diese Menschen ein Vermoegen. Stellen sie sich doch vor, zwischen den Plattenbauten in Deutschland spazierten Tag fuer Tag Millionaere in feinsten Klamotten umher, mit mehr Geld in der Tasche als der Raeuber im Jahr verdient."

Hat er recht.

geschrieben am 8.12.


 


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