9/15/2005 Tanzania / Korogwe
Paul Von Lettow-Vorbeck
Von Askaris, Namas und einem General
(Harald) Es hat in der Nacht leicht geregnet. Die Rasenflaeche um mein Zelt herum glaenzt und aus den Aesten der Baumkrone ueber mir fallen dicke Tropfen. Ich mache mich mit meiner Spiegelreflex in den Ort auf. Hier gibt es nur Sandstrassen und wenige Autos. Der Himmel ist grau, ein stetiger Wind weht. Die Bucht von Bagamoyo bot grossen Schiffen dereinst einen guten Ankerplatz und so war es eine der ersten Hafenstaedte, die die Araber gruendeten. Heute ist die Bucht z.T. versandet und das rd. 70 km entfernte Dar hat den Schiffsverkehr uebernommen. Ueberall riesige, einzeln stehende Baeume, Feigen, Eukalyptus, sogar Fichten, Blaetter traegt mir der Wind entgegen. Kinderlachen, ein paar wenige Frauen sitzen vor den alten Haeusern, schaelen Gemuese oder reinigen und sortieren Reis oder Bohnen. Bagamoyo hat heute wohl weniger als 10.000 Einwohner, aber im 19. Jahrhundert war es die bedeutenste Hafenstadt der ganzen Ostkueste, Mombasa und Dar erbluehten erst spaet. Heute atmet der Ort den Charme grosser Vergangenheit und des Verfallens. Der Deutsche Carl Peters war der erste Deutsche, der hier Land "aufkaufte". Es war gaengige Strategie, in USA und auch in Afrika, zunaechst Abenteuerer, Gluecksritter in den Kolonialgebieten sich breitmachen zu lassen und dann, wenn die ersten Massaker geschahen, eine "Schutztruppe" zu entsenden, sprich Soldaten. Dann folgten immer mehr Siedler und Haendler, die noch mehr Schutz brauchten. Dann wurden Forts angelegt- naja, das alte Lied der Verbreitung der Zivilisation eben. Peters jedenfalls ein ein unertraeglicher Sadist und Rassist, ein Herrenmensch, der stets in Reiterhosen und -stiefeln herumlief und seine Peitsche nicht aus der Hand legte. Der Kaiser machte ihn trotzdem zum Kaiserlichen Kommissar. Peters sicherte sich durch eine Askaritruppe, die ihn aber frueher oder spaeter wahrscheinlich eigenhaendig erschlagen haette. Er fuehrte sich wie ein koeniglicher Despot auf, erliess drakonische Strafurteile und als er auch den Liebhaber einer seiner Konkubinen aufhaengen liess, wurde es selbst Berlin zuviel und er wurde seines Amtes enthoben. Das Fort ist Bagamoyos groesstes Gebaeude, wenn es auch erst auf den zweiten Blick als Festungsanlage zu erkennen ist. Heute muss die Frau an dem kleinen Kassiertisch im Halbdunkel nur noch wenige Billets fuer Touristen loesen. Das gutshofaehnliche Gebaeude liegt auf einer kleinen Anhoehe, kleine Fenster in hohen Mauern, abblaetternde Kalkfarbe auf zerrissenem Putz, morsche Holzfenster. Durch die allseits offenen Fenster zieht die Meeresbrise, zur Seeseite sind noch die Standplaetze fuer die Kanonen erkennbar, die die Bucht beherrschten. Die Portugiesen uebernahmen grosse Teile der Ostkueste von den Arabern und gegen die Portugiesen traten 1885 die Deutschen an. Auf dem kleinen Friedhof stehen ordentlich die Grabsteine derer, die damals in den 11 Tage andauernden Kaempfen gefallen sind. Der Kreuzer "Leibzig" und ein Hilfsschiff fuehrten den Angriff und dann wurde gestuermt. Derjenige, der, lt. deutscher Inschrift, als erster vorneweg angriff, fiel als erster. Er war 25 Jahre alt. Ein Feldwebel war 39 und ich schaetze das Durchschnittsalter der Gefallenen auf ca. 25. Zum Vergleich: in Vietnam war das Durchschnittsalter der getoeteten Amerikaner 19 Jahre. Bereits im Ersten Weltkrieg wuden zunehmend Jungen eingesetzt, ganze Armeen von Kindersoldaten, 16- und 17-jaehrige, schickten die Generaele als Kanonenfutter in den Tod. Das alte arabische Teehaus wurde 1860 von einem Haendler gebaut. Heute ist es derart verfallen, dass der Zutritt nicht mehr gestattet ist. Auch die "Boma", das ehemalige Buergermeisteramt, ein wunder- schoenes, streng symmetrisch gestaltetes Gebaeude mit zwei Tuermen, hat grossenteils kein Dach mehr und die Fornt wird mit Stuetzen vor dem Umfallen bewahrt. Hier suche ich Schutz vor dem Regen. Die Deutschen bauten 1890 das Fort und Bagamoyo blieb bis 1896 die Hauptstadt der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Die ganze Kolonie fiel im Ersten Weltkrieg dann an die Englaender. Das militaerische Kommando fuehrte damals von Dar aus der legendaere General Paul von Lettow-Vorbeck, der bereits beim Boxeraufstand in Tsingtau/China als Kompaniechef 1900/01 seinen ersten Kolonialkrieg fuehrte, dann 1904/07, als dessen Adjutant, von Trotha in Deutsch-Suesdwest-Afrika (Namibia) beim Voelkerschlachten gegen Hereros und Nama (Hotten- totten) geholfen hatte. Seine "Schutztruppe" aus max. 14.000 Soldaten (davon 3000 Weisse) stand im Ersten Weltkrieg einer allierten Truppe von rd. 300.00 Mann gegenueber. Trotzdem brachte er den Briten in der Schlacht von Tanga eine Niederlage bei, und noch 1917 bei Mahiwa den Briten, Portugiesen und Belgiern. Am Ende blieben ihm rd. 1300 Soldaten, mit denen er u.a. durch Mosambik und Zambia ziehend, einen Guerillakrieg fuehrte. Erst mit der Kapitulation in Europa legte er die Waffen nieder, als letzter deutscher Offizier des 1.WK. Von Vorbeck genoss unter seinen Soldaten, auch den Askaris, hohes Ansehen. Die Autorin Tania Blixen ("Jenseits von Afrika") traf ihn und schrieb an ihre Mutter 1914: "Du solltest einmal hoeren, wie sie hier ueber Lettow sprechen. Wie vom groessten Genie dieser Zeit." Lettows Gegenspieler war der englische General Smuts, der ihm offen Respekt zollte. Als Lettow, im Zuge des "Schwarzen Freitags" erstmals, und nach der Waehrungsreform 1949 zum zweiten Mal verarmte, zahlte ihm ebenjener Ex-Feind Smuts eine mtl. Pension von 200 Mark- 35 Jahre nach den Schlachten um Bagamoyo etc. 1926 setzte Lettow durch, dass seine ehemaligen Askaris den ausstehenden Sold erhielten und eine kleine Pension, die spaeter auch durch die BRD weitergezahlt wurde. Bei Ausbruch des 2.WK war er schon 68 Jahre alt, politisch engagiert, wetterte auch gegen die Nazis, woraufhin ihm Goebbels Vortrags- und Redeverbot erteilten. Seine beiden Soehne wurden als Soldaten getoetet. 1953 ging er noch einmal zurueck nach Namibia und Tanzania, wo er von seinen noch lebenden Askaris begeistert empfangen wurde. 1955/57 erschienen autobio- grafische Buecher. Von Lettow-Vorbeck starb als fast 94-jaehriger 1964 in Hamburg. Seine Trauerrede hielt der damalige Verteidugngsminister Kai Uwe von Hassel und einige noch lebende Askaris gaben ihm, 46 Jahre nach dem 1.WK, das letzte Geleit. Ich packe meine Sachen, baue mein Zelt ab und gehe zur Haltestelle der Dala-Dallas. Ein Kellner des Hotels hilft mir Tragen. Er sagt, ich koenne von hier aus nicht nach Korogwe weiterfahren, sondern muesse erst nach Dar zurueck. Ich bin misstrauisch, aber der Junge ist sehr symphatisch und geradeaus. Am Busbahnhof in Dar versucht er aller- dings dann doch- business as usual- mich zu betruegen, obwohl ich ihm bereits einen Drink spendiert und ihn ausdruecklich gewarnt habe, es nicht zu versuchen. Er hat mich also nur deswegen nach Dar gelockt. Der Junge hat mit einem der Ticketverkaeufer blitzschnell einen Fifty-fifty-deal gemacht. Ich komme ihm aber drauf und reisse ihm einen Teil des Betrages aus der Hand, unter dem Gelaechter der Umstehenden. Um den Rest zu bekommen, muss ich ihm massiv drohen, er spielt auf Zeit, denn mein Bus faehrt bereits ab, an mir vorbei. Ich weiss aber, dass die Busse an den Ausfahrten der Bahnhoefe nochmals anhalten und drohe ihm Handgreiflichkeit an, reisse ihm sein Ticketbuch unter dem Arm weg und schliesslich gibt er mir das Geld zurueck und ich springe in den anfahrenden Bus. Ins Landesinnere nach Chalinze, dann Richtung Norden und Usambara-Berge. Bei der Ticketkontrolle stelle ich fest, dass sich auch der Kontrolleur nochmals einen Extrabetrag an mir verdient hat und verlange auch diesen Betrag zurueck. Das uebliche Spiel aus "Nichtverstehen" und "Zeitschinden" und "Missverstaendissen" und "Widerstand" geht los. Aber ich bleibe ruhig und entschieden. Am Ende wollen es der Kerl und seine Kupane vorn beim Fahrer richtig wissen und ich haue auf den groben Klotz einen groben Keil und werde laut, schimpfe durch den ganzen Bus von "Betrug" und "Rassismus", das ist das Letzte was hilft. Am Ende gibt man mir wenigstens einen Teil des Geldes zurueck. Am Abend in Korogwe. Hinter der Stadt ragen die Usambara-Mountains empor, rd. 90 km von hier liegen Tanga und davor die Insel Pemba, die zweite grosse tanzanische Insel neben Zanzibar. In einer winzigen Pension bin ich der einzige Gast, dusche aus dem Eimer und gehe im Ort Essen. Auch hier laesst man mich mal wieder warten. Waehrend tanzanischen Gaeste, die nach mir kommen, sofort bedient werden, sitze ich herum. Erst ohne Kellnerin, dann warte ich endlos auf den Drink, den ich dreimal anmahne und das Essen ist nach ueber einer Stunde immer noch nicht da. Dann geht das Spiel mit dem Wechselgeld weiter. Der Trick ist, vorzugeben, man koenne nicht wechseln und dann so zu tun, als dauere das Wechseln. Irgendwann wird der Kellnerin das Vortaeuschen zu laestig und sie setzt sich frech an einen Nachbartisch und schaekert mit ihren Freunden. Ich werde mein Wechselgeld nicht bekommen und das nehme ich nicht hin und haue also auf die Tisch- platte das es kracht und alle Gaeste schauen. "Ich warte seit 20 Minuten auf mein Change, habe jetzt zweimal nachgefragt. Ich will es sofort haben." Der Chef sorgt dann dafuer, dass die Frau mir das Geld gibt- natuerlich nicht ohne erneut einen kleinen Betrag einzubehalten, mit ueberdeutlich blasiertem Gesichtsausdruck. Keiner ihrer Freunde scheint sie wg. ihres Verhaltens zu kritisieren. Am Hang der Berge habe ich dann eine ruhige Nacht. geschrieben am 9.12.
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