8/23/2002 Slowakei / Bratislawa (Pressburg)
Was tat er im Prater? Und: Stunden im Stundenhotel
Endlich : Renata mit Strapsen im Prater! Und Harald dreht ein grosses Rad. Ein Gedicht zum Pfluecken.
(Harald und Renata) Den gestrigen Tag haben wir in der Wiener City verbracht: Hofburg, Naturhistorisches Museum, Nationalbibliothek etc. - Bauten im Stil des 19. Jahrhunderts, umschwirrt von Touristen aus aller Herren Laender. Dazwischen auch zwei Drahtesel reitende Aliens. Es "Sissit" uns ein wenig zu viel. Irische Klaenge hallen ueber einen Platz. Auf Gitarre und Querfloete wird uns geboten, was wir uns nicht leisten konnten: Ein schoenes Konzert. Gegen Abend werfen wir einen Blick in ein Luxusrestaurant ueber den Daechern von Wien. Den Treppenaufgang dorthin ziert ein gemaltes Spruchband ueber die Liebe. Wir haben wieder einen neuen Versuch gemacht, ein Originalband per Post zu versenden- hoffentlich geht es diesmal gut. Am Abend ein zweites Strassenkonzert. Drei Russen spielen liebevoll Klassik. Und gegenueber eine Aktion des Wiener Kuenstlers Helmut Seethaler. Er nennt seine Prosa „Zettellliteratur“ und klebt die Kopien seiner Sinnsprueche an Fassaden. Die Leute lesen sie und pfluecken sich eins ab und wer mag, gibt etwas dafuer- davon lebt Seethaler. Als ich Renata mein Lieblingsgedicht zeigen will, haelt sie das Gleiche schon in der Hand. Ploetzlich ein "Hallo" von der Seite. Ein Kartenverkaeufer aus dem Schoenbrunner Schloss hat uns wieder erkannt. Wir sprechen ueber Gott und die Welt- Alex Nimani kommt aus Albanien und spricht vom Kosovokonflikt, von der Schwierigkeit, ehrlich zu bleiben, wenn man im Verkauf arbeitet. Das kenne ich gut, dass einen die Arbeit hinformt, wo man nicht sein mag. "Nicht, was er mit seiner Arbeit erwirbt, ist der eigentliche Lohn des Menschen, sondern was er durch sie wird." John Ruskin, engl. Schriftsteller u. Sozialphilosoph, 1819-1900 Was fuer eine herrliche Nacht! Erst nach Mitternacht fahren wir- wie Renata stets sagt- "nach Hause". Wo immer das gerade eben ist. Den naechsten Vormittag verbringen wir im Prater- eine Art stationaere Kirmes. Was es mit den Strapsen auf sich hat, ist auf Fotos zu sehen. Und weil man uns empfohlen hat, das Riesenrad zu nutzen, ueberrede ich mich dazu, meine Hoehenangst zu ueberwinden. Das Video muesstet ihr sehen: Als haette ich Zitronen verschluckt. Der Blick ueber Wien ist grandios und unser Abschied. Insgesamt sind wir ueber 100 Kilometer in Wien geradelt. Auf dem Weg nach Bratislava sind immer noch die Wege entlang der Donau gesperrt. Wir koennen nur ein Stueck durch die Lobau (Donau-Auen) fahren. Dabei fange ich die erste Schlange meines Lebens. Ein Prachtexemplar, eine seltene Aeskulapnatter. Sie zischt und stinkt gotteserbaermlich. Meine Handschuhe kann ich hernach wegwerfen. Auf einer Bundesstrasse kurbeln wir Kilometer. U.a. durch Oberhausen und Heidelberg (kein Witz) erreichen wir in der Dunkelheit Bratislava die Hauptstadt der Slowakei, deren ehemals deutscher Name "Pressburg" war. Ueber eine Mauer in der City wummert uns Partymusik entgegen. Wir schieben unsere Raeder wieder mal durch irritiert dreinschauende Mitmenschen, vorbei an der Tanzflaeche. Jetzt erst mal loslegen! Wir rocken unter freiem Himmel, trinken ein Bierchen und ein Kellner klaert fuer uns mit seinem Privathandy eine Unterkunft. Umgerechnet 13 Euro fuers Zimmer erscheinen uns wohlfeil. Dorthin zu finden gestaltet sich dann recht abenteuerlich. Und wieder begegnet uns spontane Freundlichkeit. Waehrend uns ein Mann extra seinen Stadtplan holt, stellt sich ein zweiter hinzu. Renata ist hier am Ruder, denn Slowakisch ist dem Polnischen sehr aehnlich. Der zweite Mann holt schnell sein Fahrrad, zieht sich um und bringt uns binnen einer Viertelstunde zu einem Hotel. Waehrend Renata die Zimmeranmietung klaert, geniesse ich die Erfahrung, wie es vor einem Stundenhotel aussieht. Nacht Matthes! Das kann ja heiter werden. Die Dusche- eine echte Herausforderung fuer unseren Sinn fuer Aesthetik. Das Zimmer- einfach herrlich, wie die eine Gardine an noch drei Roellchen Halt sucht. Der Boden gibt klebrige Trittgeraeusche von sich, an den Waenden Flecken und direkt vor dem Fenster die Leuchtreklame. Im Nebenzimmer ist jemand offensichtlich anderer Meinung als seine Zimmergenossin, die Wasserleitungen singen uns vom Strom des Lebens ein gar lustig Liedchen. Wir stecken uns Watte in die Ohren. Am Morgen: Wir wollen nicht mit solchen Eindruecken im Kopf fahren und setzen uns in der Altstadt im Sonnenschein in ein Strassencafe. Eine Tuete voller Blaetterteiggebaeck kostet hier 80 Cent. Unsere Reise geht nun nach Ungarn weiter.
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