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Reisetagebuch

9/17/2005   Tanzania / Moshi

Kumekutscha!

Afrikanische Sprachentwirrung

(Harald) Ein Tag Aufenthalt in Moshi um Fotos zu machen. Leider regnet es- was garnicht sein koenne, wie mir immer wieder versichert wurde, denn die Kleine Regenzeit ist bereits vorbei und die Grosse folgt erst in einigen Wochen. Aber der Kilimandscharo verbirgt sich hinter dichten Wolken. Nur die riesigen, dunklen Haenge, die von Fichtenplantagen bestanden sind, lassen ahnen, welcher Titan sich hinter diesen Wolken verbirgt.

Um die Ecke gibt es ein feines Hotel mit Internetcafe und abends esse ich dort Indisch, ganz gross. Fuer 6,50 EUR bist du hier der Tafelkoenig. Den Tag verbringe ich als Strassenstreifer, endlose Kilometer zu Fuss, Augen offen. Der Hotelier hat mich eindruecklich vor Ueberfaellen gewarnt. Moshi ist der Ausgangspunkt der meisten Kilimandscharo-Besteigungen. Das touristische Geld laesst die Stadt vibrieren und das lockt immer Gangster an.

Mein neues Ebenholzmesser trage ich daher offen in der Hand. Es steckt in einer Stockscheide und das ganze Gebilde sieht aus wie ein feinst gearbeitetes Zepter und ist als Messer nur denen erkennbar, die ich mir vom Leibe halten will. Es geht ja nicht ums Kaempfen, sondern um Abschreckung.

Das Fernsehen ist hier staatlich und wirkt, wie von einer Schueler AG produziert: Texte, die nicht zu den Bildern passen, wackelnde, schiefe Kameras, auf- und abschwellende Lautstaerke, endlose Interviews ueber die Tomatenernte, falsche Bildausschnitte. Ich muss oft schmunzeln, wenn ich afrikanisches Fernsehen sehe.

Morgens laeuft "Kumekutscha", was in Kisuaheli soviel bedeutet, wie "Wach auf!" Meine Lieblingswerbung darin ist der Nescafe-Mann, ein ca. 30-jaehriger, eher kleiner, gut gepolsterter Wonneproppen, ein Strahlemann mit blitzendem Lachen, der mit mitreissreissender Energie sagt: "Mmmmmh, wake up man!" Dazu ein schallendes Lachen und genussvoll verdrehte Augen beim Anblick einer satt gerundeten Schoenheit, wobei seine ausgeflippte Schafsfelljacke flattert. DIe Werbung wird in S.A. produziert, Heimat einer Menge hervorragender Werbungen, Kinofilmen, Fernsehserien, Literatur und tausender Patente.

Nach dem Nescafe-Mann folgen die Nachrichten von der britischen BBC in Englisch. Muttersprache der Tanzanier ist Kisuaheli, eine alte Handelssprache, die im Wesentlichen aus der Sprache eines kleinen Stammes in Kenya und dem Arabischen gebildet wurde und heute viele englische Elemente enthaelt, aber auch das deutsche "Kindergarten" und die "Schule" beinhaltet. Englisch ist in Tanzania bei weitem nicht so verbreitet wie in Kenya. Die Kenyaner loben ihre Nachbarn stets dafuer, dass die so gut Kisuaheli sprechen, denn sie selbst konzentrieren sich vornehmlich auf Englisch. Das ist weltverbindender und gilt als chic. Der englische Einfluss in Tanzania war zu kurz, um das Kisuaheli zu verdraengen. Uebrigens: die Vorsilbe "Ki" vor dem "Suahlei" bedeutet soviel wie "Sprache der...". Der aus dem arabischen Einfluss neu entstandene Misch-Stamm an der Kueste Kenyas und Tanzanias, sowie auf den Inseln von der somalischen Grenze bis hinunter nach Mosambik, hiess "Suahelis". Die Suahelis (auch "Swahilis") wurden durch den Handel mit den Arabern reich und uebernahmen viele Stilelemente der arabischen Kultur, woraus eine faszinierende Mischung entstand, die sich in Bauform, Kleidung, Schmuck, Musik, Sprache und Lebensgefuehl niederschlug. Haupteinnahmequelle war ueber Jahrhunderte der Sklavenhandel, sowie der Handel mit Gewuerzen.

Die Entscheidung der ersten Staatsfuehrer in Tanzania (Nyerere), Kenya (Kenyatta) und Uganda (Obote) nach den Unabhaengigkeiten, Kisuaheli als Staatssprache zu waehlen, war klug und richtig, denn nur diese Sprache einer untergegangenen Kultur und eines voellig adaptierten, ansonsten unbedeutenden Stammes, garantierte allgemeine Akzeptanz ohne Eifensuechteleien, wie sie sich ueberall dort finden, wo ein einflussreicher Stamm seine eigene Sprache dem Rest der Bevoelkerung aufdraengt. Solche Probleme hat z.B. Aethiopien, wo der zweitstaerkste Stamm, die Amharen, den anderen, wie Oromen und Sidamo, Somali etc. das Amharisch aufzwingt. In Mosambik spricht jeder Portugisisch und somit ist kein Stamm verdaechtig, sich Einfluss sichern zu wollen.

S.A. ist einen eigenen Weg gegangen, indem es 11(!) Amtssprachen nach dem Ende der Apartheid eingefuehrt hat. Zuvor waren alle Schwarzen gezwungen, Africaans, die Sprache der Unterdruecker, zu lernen. Heute sind Africaans und Englisch immer noch die am weitesten verbreitesten Sprachen in S.A., neben Xhosa und Zulu.

Morgen reise ich nach Arusha weiter, der Stadt, in der mir mich endgueltig die Vergangenheit einholt.

geschrieben am 10.12.


 


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