9/18/2005 Tanzania / Arusha
Ein Albtraum
Mecki Messer
(Harald) Als ich mich umdrehe, um meine Richtung weiterzusuchen, bemerke ich aus dem Augenwinkel, wie eine der lungernden Gestalten aus dem Schatten auf der gegenueberliegenden Strassenseite tritt. Der Mann hat eine dunkle Rastapudelmuetze auf und einer seiner Arme haengt an irgendetwas hinter ihm scheibar fest. Als sich im Schatten etwas bewegt, sehe ich, dass es wohl die Hand eines anderen war, die die seine festgehalten hat. Als der Mann bemerkt, das ich stehen bleibe und ihn mustere, dreht er beilaeufig bei und geht an mir vorueber und ich meine einen laenglichen Gegenstand in seiner Hand hinter dem Koerper zu sehen. Ich bin alarmiert, die Situation ist nicht koscher. Ich drehe mich um die eigene Achse, auf der steinig-staubigen Strasse knirscht es unter meinen Sandalen. Ueberall im Halbdunkel Gesichter die mir zugewandt sind. Ich kenne diese Neugierde, die mir aus diesen Gesichtern lesbar scheint, die aus Erwartung ruehrt. Soll ich in das Bordell gehen und dort Sicherheit suchen? Mir einen Beschuetzer mieten? Ich verwerfe diese Idee, weil hier einfach zu viele Galgenvoegel herumhaengen und ich wahrscheinlich genau an den Falschen geraten wuerde. Aber ich kann mir ein Taxi kommen lassen. Also gehe ich die 20 Meter zurueck in den Lichtkegel vor dem Puff, aus dem droehnend Kwaito-Musik schallt. Die Damen vom Horizontalen Gewerbe missdeuten meinen entschlossenen Schritt, werfe sich in die Brust und gurren mir "Hello"s und "Hey, Sir, wanna have some fun"s? entgegen. Ich schuettle den Kopf und will ins Gebaeude, aber zwei Jungs versperren mir den Weg: "Where you go?" "Ich moechte mir ein Taxi rufen." "You have paid?" Was zum Teufel soll ich bezahlen? Eintrittsgeld? "Ich will nicht bleiben, ich will keine Frau, nur ein Taxi." Jetzt wissen sie, dass ich Geld habe. "You must pay" grinst der eine, ein baumlanger, hagerer Junge mit einer riesigen Zahnluecke. Sein Kumpel wirft einen langen Blick hinter meinen Ruecken, ich drehe mich um und sehe meinen Pudelmuetzentyp mit zwei Kumpel auf der Strasse stehen, eine schnelle Restbewegung zeigt mir, dass hier Zeichen gegeben wurden und man mir offensichtlich Schwierigkeiten machen solle. Kein gutes Zeichen. Was jetzt? Ich habe Bedenken alleine weiterzugehen, da ich nicht mal weiss, wo genau ich bin. Ich schaue mich unbewusst hilfesuchend um und eines der Maedchen sieht fuer mich sehr selbstbewusst aus: "Can you help me and call a taxi?" Sie reagiert schlichtweg nicht. Einer tippt mir auf die Schulter: "What you want, whats the problem?" Noch einer, offensichtlich angetrunken, er steht viel zu nah vor mir und haucht mir Bier ins Gesicht. "I need a taxi." "Hakuna matata" witzelt er, auf die am haeufigsten benutzte Kisuaheli-Floskel fuer Touristen anspielend- "Kein Problem." Er zieht mich am Arm auf die Strasse, ohne etwas zu sagen. Ich bleibe stehen und winde mich aus seinem Griff. "Ich werde dir ein Taxi zeigen" sagt er lallend. So einer hat mir gerade noch gefehlt. Ich erfrage den Weg zum Taxi und dabei spiele ich auffaellig mit meinem Messer-Zepter. Dann gehe ich los, unterdruecke den Impuls einfach loszurennen, versuche aus den Augenwinkeln mein Umfeld zu beobachten und atme Angst aus allen Poren und die Stadthyaenen riechen das gegen den Wind. Erst ziehe ich das Messer mit einem "Klack" ein Stueck aus der Arretierung, dann, als ich drei Gestalten schraeg hinter mir schlurfen sehe, ziehe ich das Messer ganz aus der Scheide und die 25 cm lange, schmale Klinge reflektiert im Licht einer Gluehbirne. Weiter, schnelle Schritte. Nach ein paar Minuten eine Kreuzung, kein Strassenlicht, alles so dunkel, die Gestalten werden fuer mich immer sicherer zu Verfolgern, die nur auf den richtigen Ort warten. Ich drehe mich ihnen voll zu, das Messer in der einen, den schlagstockartigen Zepter in der anderen Hand und rufe: "Was wollt ihr? Geht weg." Sie bleiben stehen, stumm, fast reglos. Ich bruelle los: "Haut ab, haut ab!" Dann hoere ich Gemurmel und dann zucken sie nach vorne, ich sehe blitzenden Stahl, lang und breit, und renne los, renne um mein Leben, fast waere ich gestolpert, fange mich, ein Blick ueber die Schulter, der mir Naechste ist nur noch drei Meter hinter mir, ich kann sie nicht abschuetteln, "wohin, wohin?" droehnt es in meinem Kopf, Verzweiflung, ein Auto steht da und ich springe auf die Motorhaube und aufs Dach, hinter mir droehnt ein zweiter Fuss auf der Karosse, ich wirbele herum, das Messer fegt in einem Kreisbogen auf Bauchhoehe meinem Angreifer entgegen, der zuckt zurueck, verliert das Gleichgewicht, sein Fuss tappt neben die Kotfluegelkante und er kracht uebel in den Staub, einen Schrei ausstossend, die anderen beiden stehen jetzt rechts und links neben dem Auto und ein Schreien und Schnaufen entsteht, ich bruelle wie am Spiess "Help, Police" help!" Es liegt etwas Unwirkliches in der Luft, mich durchzuckt "kann das wahr sein, dass ich jetzt, heute sterbe, wars das jetzt? So?" Einer beugt sich blitzschnell nach vorne, ein maechtiger Hieb, er versucht mit einer armlangen Panga (Machete) meine Wade zu treffen, ich springe zurueck, er haut ein zweites Mal durch die Luft, von oben nach unten, offensichtlich hat er Angst, selbst getroffen zu werden, die Pange knallt auf das Dach, knapp neben meinem besandalten Fuss. Mittlerweile zittere ich vor Adrenalin, mir schlottern die Knie foermlich, mein Atem stockt schmerzhaft in der Brust, dies ist mein erster Kampf auf Leben und Tod. Und niemand hilft mir. Der groesste, der Pudelmuetzentyp, liegt immer noch am Boden, windet sich stoehnend, er kruemmt sich zusammen, als habe ich ihm in den Magen geboxt, er hat sich verletzt und ploetzlich sehe ich auf einem Stein unter ihm glaenzend-schwarzes Blut schimmern, dann Stahl, die Panga hat sich tief in seine Seite gesenkt, sein T-Shirt ist nass vor Blut. "Das kann doch nicht wahr sein" durchschiesst es mich. Und das stimmt auch. Denn es ist ja alles, wie gesagt, nur ein Albtraum. Auch wenn heute nicht der 1. April ist. geschrieben am 12.12.
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