7/27/2002 Ungarn / Siofok
Ballermann am Balaton
Zwei Hochzeiten und ein Todesfall / Kampf in den Bergen / "Die Julischka, die Julischka"
(Renata und Harald) Unsere Stippvisite in der Slowakei dauert nur einen Tag. Ueber voellig zerfahrene Teerstrassen geht es am Mittag stadtauswaerts Richtung Ungarn. Uns verabschiedet, was uns schon beim Grenzuebergang von Oesterreich begruesste: Plattenbauten im sozialistischen Stil. Und endlose Flaechen verfaulender Kartoffel- und Maisfelder. Das Hochwasser hat ganze Arbeit geleistet. Auf der Bundesstrasse wird gerast wie ueberall. Ein beliebter Gag ist es, nahe an uns heran zu fahren und dann unvermittelt zu hupen, oder, besser noch, zu schreien. Vor allem Renata widerfaehrt das mehrmals. Mich hat ein LKW derart boese geschnitten, dass ich vom Rad fiel. Wie sang Hermann van Veen so schoen: "Weg da, weg da, weg, wir haben keine Zeit..." An der ungarischen Grenze pausieren wir kurz. Ich denke an eine alte Geschichte, die mir meine Mutter erzaehlte, dessen anschaulicher Teil darin gipfelt, dass ich puzta-maessig eine Art Ballett tanze und singe: "Die Julischka, die Julischka, die kommt aus Budapest..." Wir lachen Traenen und die Grenzer scheinen ernsthaft darueber nach zu denken, uns flux wieder des Landes zu verweisen. Wir uebernachten in Mosonmagyarrovar. Das Ungarische ist verwandt mit dem Finnischen und dem Tuerkischen und hat deren Wortgirlanden und "Oe-s" und Ue-s" en masse. Die Unterkunft hat Sonnenterasse und eine freundliche Gastgeberin schenkt uns frische Paprika und Pfirsiche aus ihrem Garten. Hier koennten wir gut und gerne eine Woche bleiben. Aber wir wollen nach Siofok, zum Balatonsee (im Deutschen auch Plattensee genannt). Hinter der Stadt Gyoer ist die Strecke ein Radfahrertraum: Sonne, leichter Rueckenwind, ein exzellent geteerter Radfahrweg mit Mittelstreifen(!) und Schmetterlinge tanzen umeinander ihre Hochzeitstaenze. Die Maennchen liegen danach zu tausenden tot an den Strassenraendern. Sie sind nur zu diesem einem Zweck geschluepft, haben deshalb nicht einmal die Faehigkeit sich zu ernaehren. Wir sichten das erste Storchenpaar unserer Reise. Nach erstmalig 100 km Strecke und ueber etliche Hoehenmeter, erreichen wir Zirc. Kein Campingplatz weit und breit- wir nehmen die guenstigste Pension am Ort. Leider findet dort eine Hochzeitsfeier- wie uns im Bett liegend erscheint- direkt unter unseren Kopfkissen statt. Auch Watte in den Ohren hilft nur bedingt und morgens sind wir dann wie geraedert. Wir bedanken uns im Stillen bei der baeuerlichen Gesellschaft fuer die erschoepfenden Einblicke in das ungarische Liedgut und gehen die Huegel des angeblich doch so flachen ungarischen Tieflandes an. Renata versteht hier so gut wie nichts, aber ueberall spricht Alt und Jung Deutsch. Nach einer einmaligen 6-km-Schussfahrt liegt der Balatonsee vor uns. Ein kurioser Anblick: weit draussen im See stehen die Leute im Wasser, dass ihnen gerade Mal bis an die Waden reicht. Mit Schwung haetten wir auch zur anderen Seite durchfahren koennen! Das Ufer ist komplett bebaut. Auf der den See umlaufenden Strasse liegen dutzende toter Schlangen, die wohl des Nachts versuchen muessen, zum Wasser zu gelangen. Ich hebe ein kleines Exemplar auf, das offensichtlich gerade von einem Radfahrer ueberrollt wurde. Anderenorts ausgestorben, werden sie hier massenhaft platt gewalzt. Am Ufer Touristen wie in Torremolinos oder Rimini. Und alle scheinen Deutsch zu sprechen. In Siofok treffen wir, wie geplant, unseren Freund Jan aus der Heimat, der hier eine ballermannmaessige Woche mit acht Kegelbruedern verbringt. Nach so wenig Schlaf und soviel Anstrengung tanzen und lachen wir, bis uns die Mundwinkel schmerzen bis zum Morgengrauen. Vom Tag danach berichten wir besser nicht... Wir wollen uns den Umweg ueber Budapest ersparen und fahren uebermorgen weiter Richtung kroatischer Grenze.
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