9/27/2005 Aethiopien / Moyale
Grenzgaenger
Festgesetzt an der Grenze zu Aethiopien
(Harald) Als Jimmy und ich im Schatten vor dem Hotel einen Tschai trinken, sagt er: "Da ist gerade ein Lorri vorbeigefahren und oben sass der Conductor drauf und hat mir den Stinkekfinger gezeigt." Ich muss grinsen. "Ja, der hat mir ne Harke gezeigt, alles was recht ist, dass ist ihm gelungen." Jimmy wundert sich: "Du bewunderst den Kerl auch noch?" Irgendwie schon, man muss seinen Einfallsreichtum anerkennen- auch wenn ich einen Testosteronanfall bekaeme, wenn ich ihn zu fassen bekaeme. Und andererseits: Jimmy hat von ihm den Fahrpreis erstattet bekommen, die Polizei hat dafuer gesorgt und somit sind wir quitt finde ich und so laeuft das hier eben. Jimmy schuettelt den Kopf: "Du bist schon zu lange in Afrika." An der Grenze wartet eine neue Ueberraschung auf mich. DIe Kenianer lassen mich wg. des ueberzogenen Visums zwar unbehelligt, aber die Aethiopier wollen mir kein Visum ausstellen, da es ein solches nur in Nairobi gaebe. Ich muesse also zurueck. Na herzlichen Glueckwunsch! Mein Argument, ich haette in Nairobi die aethiopische Botschaft angerufen und dort habe man mir versichert, dass es nicht noetig sei ein Visum dort und vorab zu erlangen, man koenne es an der Grenze, hier, bekommen, laesst man ungeruehrt nicht gelten. Diese Auskunft sei falsch, es sei zwar geplant hier Visa auszustellen, aber im Moment gaebe es keine. Jimmy hat sein Visum in Nairobi bekommen und koennte weiterreisen, will aber auf eine Klaerung meines Falles warten. "Was tun?", sprach Zeus. Ich koenne die deutsche Botschaft in Addis anrufen, aber heute sei ein aethiopischer Feiertag und die Visastelle in Addis sowieso geschlossen. Na, das hoert sich doch schon ganz schlecht an! Bei der deutschen Botschaft erreiche ich die Notfall-Nummer. Die Mitarbeiter dort kenne ich noch persoenlich, u.a. vom Kanzlerbesuch in Addis. Man verspricht mir zu helfen, damit ich nicht zurueck nach Nairobi muss, denn in diesem Fall benoetigte ich auch noch ein neues kenianisches Visum fuer 50 USD. Fuer heute stellt mir der aethiopische Beamte einen Passierschein aus, damit ich mit Jimmy auf der aethiopischen Seite im Hotel zusammen ein Zimmer suchen kann. Das Moyale der aethiopischen Seite ist groesser und billiger und hier beginnt eine Teerstrasse, die bis Addis reicht. Direkt an der Grenze werden wir von den Geldwechslern umlagert, die vor allem USD und EUR tauschen wollen. Auch hier ist Jimmy relativ schnell genervt und wird aggressiv, fast beleidigend. Ich vermittle und er tauscht etwas Geld. Ins Gespraech ist auch noch ein Israeli verwickelt, den die aethiopischen Geldwechsler offensichtlich garnicht moegen. Einer beleidigt den Israeli, Tenor "typisch Jude". Der Betroffene nimmt das ungeruehrt hin- was ich wiederum nicht verstehe. Aber Israelis sind- wie ich auf der ganzen Reise feststellen musste- fast ueberall unbeliebt. Ich sage mir als Erklaerung fuer das scheinbar gelassene Verhalten, dass der Mann es gewohnt ist, angefeindet zu werden. Ich habe dem Geldwechsler gerade ein Geschaeft vermittelt und verlange von ihm, dass er sich bei dem Israeli entschuldigt -einen Tag spaeter hat er das dann auch gemacht. Wir suchen erstmal eine Unterkunft und gehen dann in ein Cafe frischen Avokado-Papayasaft Trinken- besser Loeffeln, denn es ist ein feines Mus, dass mit Limonensaft uebertraeufelt wird. Vor einem Geschaeft steht ein Borana mit einer M 16 neben mir und Jimmy macht deswegen grosse Augen. Ich spreche den Mann um die 40 mit "Salem aleikum" an, dem muslimischen Gruss "Friede sei mit dir". Der erwidert den Gruss nicht, sondern schaut mich aus zusammengekniffenen Augenschlitzen an. Mit einem spoettischen Laecheln sagt er laut zu mir: "I know you. You are british." (Ich erkenne dich. Du bist ein Brite.) Als ich ihm entgegne, ich sei Deutscher, wiederholt er: "No. You are british." Nun koennte man sich fragen, wieso der Mann glaubt, ich schuetzte eine fremde Nationalitaet vor. Die Erklaerung ist einfach: Spaetestens seit dem Irak-Krieg geben sich z.B. Amerikaner, um Anfeindungen aus dem Weg zu gehen, gerne als Kanadier aus. Von Briten kenne ich das zwar noch nicht, aber mein Englisch hoert sich fuer den Borana anscheinend akzentfrei an und Jimmy ist hoerbar englisch-muttersprachlich. Und der Mann laesst sich seinen Anlass, seine Abneigung zu zeigen, nicht nehmen. Am Abend schlendern wir die ueber die Teerstrasse durch den Ort, ueberall klingt aethiopische Musik, Rufe in Amharisch. Der Geldwechlser weicht uns nicht von der Seite, weil er auch noch mit mir ein Geschaeft machen will. Jimmy fragt mich genervt, warum ich den Kerl nicht zum Teufel jage. Aber ich erklaere ihm, dass diese jungen Maenner hier keine Jobs finden und ihnen nur die Geschaeft mit den Touristen bleiben. Das ist allemal besser, als Diebstahl und Raub. Ausserdem hat der junge Kerl neben uns eine Frau und ein Kind zu versorgen, wenngleich ich an seinen gruenen Mundwinkeln und runden Hueften auch sehe, dass er genug verdient, um Mera-a zu kauen und zu geniessen weiss. Im Zimmer gilt es dann etwa 30 Moskitos zu erschlagen, aber bis zum morgen bin ich trotzdem arg zerstochen. geschrieben am Freitag den 13.1. in Rom
|