9/28/2005 Aethiopien / Moyale
Pappnasen
Reiseland Aethiopien
(Harald) Die Kenianer sind sehr kooperativ und haben mir zwei Tage kostenlose Visumsverlaengerung gewaehrt, um meine Angelegenheit zu regeln. Die deutsche Botschaft hat sofort per Kurier eine schriftliche Nachricht an das Ministerium in Addis geleitet- aber dort ruehrt sich nichts. "Pappnasen" kommentiert die deutsche Konsultatsmitarbeiterin in Addis den Vorgang. Bereits 24 Std. nach erstmaligem Betreten der aethiopischen Seite, habe ich die ersten Flohstiche- das einzige Land meiner Reise, in dem das so ist. In Aethiopien sitzen die Floehe sozusagen auf dem Grenzschlagbaum. Durch den intensiven Kontakt mit den Grenzbeamten entsteht ein anteilnehmendes Verhaeltnis und als endlich am Nachmittag, nach sechs Telefonaten, das erloesende Fax aus Addis eintrifft, kommt mir ein strahlender Beamter entgegen und ruft: "Gratulation, Harry. Willkommen in Aethiopien" und schuettelt mir die Hand. An der Busstation erfahren wir, dass heute kein Bus mehr nach Addis faehrt. Wir quartieren uns in dem Hotel ein, in dem ich vor anderthalb Jahren meine Infektion auskurierte. Als wir dort mit dem Taxi angekommen sind, fordert der Taxifahrer den dreifachen Preis, worauf Jimmy wuetend wird. "Ich bin es satt, staendig belogen und betrogen zu werden, Ewig das Gekaempfe um den Preis. Ich flieg ja bald nach Hause und du"- er schimpft mit hochrotem Kopf auf den Taxifahrer ein- "sitzt dann immer noch in diesem besch...Loch" und knallt die Tuere zu. Der Taxifahrer versteht nur die Haelfte des Gesagten, aber er tut etwas, was ich auch nur in Aegypten und in Aethiopien wiederholt erlebt habe: er schmeisst die Geldscheine, die ich ihm gegeben habe und die bereits eine Ueberzahlung darstellen, einfach auf meinen Schoss und als ich ihm sage, er solle ruhig bleiben und das Geld annehmen und aussteige, wirft er es mir hinterher auf die Strasse. Jimmy hebt es auf und wirft es durchs Autofenster zurueck- das haette ich nun wiederum nicht gemacht. Solche Aggressivitaet begegnet einem oefter in Aethiopien und es ist das fuer Einzelreisende, aber auch fuer Gruppen von Individualtouristen, unangenehmste Reiseland, dass ich kenne. Jedenfalls kein Reiseland fuer empfindliche Gemueter und Choleriker. Es ist das Reiseland, in dem ich mich gefragt habe, ob eine Radreise hindurch ueberhaupt Sinn macht, ja sogar, ob Tourismus hier nicht unangebracht ist, weil der Gegensatz so gross ist. Jede dieser Begegnungen ist von Frustrationen, Neid und Spannungen begleitet. Ca. 40 % der aethiopischen Bevoelkerung sind chronisch unterernaehrt, Malaria, Tuberkoluse, Aids weitverbreitet, staendig gibt es irgendwo im Land Clashes, also Stammesfehden und das Land steht oft am Rande eines neuen Krieges mit Somalia oder Eritrea. Was fuer Afrika gilt, gilt doppelt fuer Aethiopien. Ich versuche meinen Reisekameraden zu beruhigen: "Selbst wenn du recht hast, Jimmy, siehst du doch, was passiert, wenn du aggressiv reagierst. Wir waren in Marsabit im Recht und was hat es uns gebracht? Der Conductor hat uns richtig eingesalzen! Die Jungs hier sind arme Kerle." Jimmy schuettelt den Kopf und stellt sorgenvoll viele Fragen ueber Aethiopien, da er einige Tage im Land bleiben will. Wer mit den Verhaeltnissen im Land nicht klarkommt, sollte Pauschalurlaub machen und in den feinen Hoteks bleiben. "Wie bleibst du so cool?" fragt mich Jimmy. Bin ich nicht immer. Manchmal haue ich auch auf die Theke, wenn nichts mehr hilft. Meist kann ich mich dann durchsetzen- aber auch nicht immer. Mit den Niederlagen muss man leben koennen und sich nicht auffressen lassen von seiner Veraergerung, aus der dann mancher Weisser heraus seinem Rassismus Luft macht, wie ich es mehrmals erlebt habe. Wenn man sein Anliegen, seine Wahrheit richtig, sachlich und beharrlich vertritt, wird man in Afrika durchaus geachtet. Auch eine gute Portion Chuzpe wird meist respektiert. Aber wer im Recht ist, jedoch Unmut durch Gereiztheit erregt, den laesst man gerne auflaufen. Umgekehrt: wer Unrecht hat, aber die Lacher auf seiner Seite, wer hoeflich, sachlich und ruhig bleibt, bekommt fast immer Hilfe. Jimmy hat 4 Monate in Tanzania gearbeitet und wenig Probleme gehabt. Sobald man ein paar Tage irgendwo bleibt, gewinnst du Freunde, denn du hast etwas zu bieten und dann laesst man dich auch in Ruhe. Wenn du nicht durchreist, sondern irgendwo bleibst, gehoerst du bald dazu und alles wird einfacher. In Afrika ist Macht alles. Wenn du einem Maechtigen, z.B. einem Beamten, auf die Fuesse trittst, bekommst du Schikanen zu spueren. Wir knoten die zahlreichen Loecher unserer Moskitonetze zu und spruehen uns mit einem Repellent ein. Aber am Morgen sind wir bis Bauchnabelhoehe von Flohstichen uebersaet und oben herum von Muecken zerstochen. geschrieben am 16.1. in Krefeld
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