10/2/2005 Aethiopien / Addis Abeba
Mona Lisa an der Rezeption
Verlorene Schlachten
(Harald) Sonntag. Es bleibt ruhig in Addis. Die Leute halten sich an das Demonstrationsverbot. In meinem Netcafe treffen sich die Endzwanziger bis Anfang-Dreissiger und diskutieren stattdessen und reden sich den Frust vom Leib. Man ist sich einig im Zorn auf die Regierung, die ihre Versprechen nicht gehalten hat und nun mit unlauteren Mitteln an der Macht bleibt. Ich goenne mir einen Kinobesuch. Man kauft ein Billet fuer zwei Vorstellungen fuer ca. 30 Cent. Am Eingang wird jeder Besucher auf Waffen und Kameras abgetastet, alle Taschen muessen abgegeben werden. Die gleiche Prozedur vor jedem Amtsgebaeude, Fotografieren von Regierungsgebaeuden ist streng verboten. Waehrend der Vorstellung klingeln Handys und wird lautstark telefoniert. Im Nachbarzimmer residiert ein franzoesisches Paerchen, das ein Faible fuer Indien zu haben scheint. Auf dem Balkon umweht mich der Duft von Raeucherstaebchen und der Klang von Sitarmusik. Auch heute wieder kein Wasser, nicht mal fuer die Toilette. Die Rezeptionistin, die ich noch von meinem ersten Aufenthalt her als biestig-muerrisch kenne, taut voellig auf. Ein Tourist tritt neben mich und sagt zu ihr: "Wow! Sie lachen ja! Ich hab sie noch nie laecheln gesehen." Diese Frau und ihr Laecheln umgibt ein Geheimnis, dessen Loesung ich spaeter nahe kommen sollte. Meine Schlacht gegen die Floehe geht weiter. Fast taeglich wasche ich meine Waesche, ziehe mich nur in der Badewanne aus, stopfe alles blitzschnell in Plastiktueten. Vergeblich. Ich treffe Hanna wieder, eine 28-jaehrige Aethiopierin, die seinerzeit jeden Tag neben mir im Netcafe sass. Am Abend fahren wir und ihre Freundin zur Vergnuegungsmeile nahe des Flughafens. Unter freiem Himmel wird dort gegrillt. Das Fleisch haengt an Haken in einem kleinen Glaspavillion und man zeigt mit dem Finger auf die Stuecke, die man haben moechte. Auf der Buehne Lifemusik. Gesungen wird auf Amharisch. Neben den Amharen machen auch die Oromen und die Trigraeer, die den Eritraeern nahe stehen, gute Musik. Die Taenzerinnen sind eine Wucht. Als das Publikum richtig mitgeht, lassen Saenger und Band ihnen freie Hand und was dann kommt, grenzt an Tabledance. Was fuer ein Unterschied zu dem, was in den Nachbarlaendern Sudan und Somalia moeglich, ja, was selbst in den Provinzen erlaubt waere! Einen groesseren Gegensatz kann man sich kaum vorstellen. Hier versteht man leicht, welcher Zuendstoff in den kulturellen Gegensaetzen liegt. Was wuerde wohl ein aethiopischer Borana oder Somali sagen, wenn er hier am Tisch saesse? Die Busfahrt ins Zentrum kostet gerade mal 20 Cent und fuer 5-6 Euro speist man hier im italienischen Restaurant fuerstlich. geschrieben am 20.1. in Krefeld
|