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Reisetagebuch

10/11/2005   Aethiopien / Bahir Dahr

Enten in Baeumen

Zurueck in Bahir Dahr

(Harald) "Ein trauriges Gemuet kann dich schneller, viel schneller toeten, als ein Erreger." John Steinbeck, "Reisen mit Charly"

Die Sterne leuchten noch, als ich aufstehe. Unter meinem Bett steht ein gruener Plastiknachttopf. Das habe ich auch nur in Adethiopien erlebt.

In der Nacht hat es geregnet und alles ist schlammig. Unter meinen Sandalen sammeln sich Schlammplateausohlen.

Ein frugales Fruehstueck in der Dunkelheit, Zaehneputzen unter freiem Himmel an einem Zinkfaesschen im winzigen, matschigen Innenhof. Mit einem Plastikkaennchen schoepft man Wasser heraus, um sich zu waschen. Die Dusche befindet sich im selben winzigen Raum wie der Abort, direkt neben dem Kloloch und spottet jeder Beschreibung. Afrikanische Aborte stellen die Wuergereize des DR auf eine harte Probe, aber aethiopische gehoeren eindeutig zu den schlimmsten.

Weiterfahrt im ersten Tageslicht, der Morgenstern, die Venus, weist den Weg, 6 Uhr. Es ist kalt. Die Landschaft traumhaft. Da die Hauptstrecke zwischen Bahir Dahr und Addis gesperrt ist, befinden wir uns auf einer zwar kuerzeren, jedoch auf ganzer Laenge unasphaltierten Nebenstrecke, die den Reifen und den Fahrern alles abverlangt.

Bis auf die hoechsten Gipfel, auf denen noch kleine, allerletzte Reste des urspruenglichen Dschungels wachsen, ist das gesamte Hochland Aethiopiens kultiviert. D.h., dass alle Waelder abgeholzt und durch Eukalyptus, Platanen und Nadelhoelzer ersetzt wurden- saemtlich Baumarten, die nicht heimisch sind. Unter Naturschutz stehen nur wenige Gebiete. Dass bekannteste ist das Simien-Gebirge mit seinen ueber 4800 m hohen Gipfeln.

Das Hochland wird von zahlreichen Baechen durchflossen, wenngleich es keine grossen Stroeme gibt; selbst der Blaue Nil ist ausserhalb der Regenzeit eher ein Fluesschen. Das Hochland ist auch nicht so heiss, wie die umgebenden Ebenen und hier fangen sich auch ausserhalb der Kleinen und Grossen Regenzeit noch Wolken und gelegentlich faellt Niederschlag.

Die Erde ist durchgehend fruchtbar, wenn auch steinig. Man sieht allerorten die Bauern muehsam ihre Ochsenpfluege durch Aecker voller grosser, grauer Steine ziehen. Warum sie es nicht wie z.B. die Iren machen, die aus der Not eine Tugend machten und ueber Generationen die Steine aus den Aeckern klaubten und zu windbrechenden Mauern schichteten, verstehe ich nicht. Niemand kommt hier scheinbar auf die Idee, dass das Pfluegen von Jahr zu Jahr leichter wuerde, wenn man sich jedes Jahr die Muehe machte, Steine auszulesen. Die sintflutartigen Regenfaelle wuerden von den Mauern gebremst, Ziegen und Schafe von den Feldern ferngehalten werden. Aus den Steinen liessen sich schattige Unterstaende bauen oder Wege pflastern.

Die Spreu wird vom Korn getrennt, indem der Bauer ein oder zwei Kuehe im Kreis von seinem Sohn auf der Schuette herumfuehren laesst und dabei bestaendig mit einer selbstgeschnitzten Gabel das Stroh hochwift, so dass der Wind die Spreu wegblaest.

Dank abertausender Brunnen, die von NGOs gebohrt wurden, muss das Wasser vielerorts nicht mehr muehsam von Hand aus gegrabenen Brunnen gezogen werden. Mit langen Zinkhebeln pumpen die Frauen sauberes Wasser hoch und tragen es in schweren Tonkruegen auf dem Ruecken zur Huette. In den Trockengebieten rings um das Hochland herum, fehlt es aber nach wie vor an Brunnen. "Menschen fuer Menschen" hat im Laufe von ueber 20 Jahren mehr als 900 solcher Brunnen gebohrt.

Derege und ich kommen auf die Wahl vom 15.5. zu sprechen. Er rechtfertigt das Demonstrationsverbot der Regierung: "Bei der letzten Demonstration in Addis sind 45 Menschen ums Leben gekommen." Aber er beklagt auch, obwohl er Kassierer in einem Amt ist, dass sich fuer die Menschen nichts zum Besseren hin aendere. Aber das Militaer werde gut bezahlt und halte zum jetzigen Praesidenten.

Ueber das Bordradio erfahre ich, dass Deutschland seine erste Bundeskanzlerin bekommt.

Wir erreichen Bahir Dahr schon nach 1 Std. Warum wir nicht gestern abend einfach eine Std. laenger gefahren sind, bleibt im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln. Jetzt gilt es Andargatschu und Molugetta zu finden.

Ich finde mich gleich zurecht in der Stadt am Lake Tana und gehe schnurstracks zum Ghion-Hotel. Es hat sich wenig veraendert in den letzten fast zwei Jahren.

Der See liegt im Dunstschleier, Pelikane fliegen knapp ueber das Wasser, Lories schreien, grosse Hornvoegel noch lauter und auf den maechtigen Aesten der alten Feigenbaeume sitzen Enten in der Baumkrone.

Ich fruehstuecke ausgiebig auf der Terrasse des Hotels, waehrend ein Hadada-Ibis-Paar derart trompetet, dass die ganze auslaendische Klientel verwundert nach oben schaut. Tja, das sind die Sieger.

Die Zimmer sind mit 11 EUR fuer mich hier jedoch zu teuer und ich quartiere mich in einem anderen Hotel ein. In der Zwischenzeit habe ich ein paar Jungs, die ich noch kenne, gebeten, Mike fuer mich zu finden. Der erscheint, fast unveraendert, mit trueben Augen, die seinen Tschatt- und Alkoholkonsum verraten. Wir umarmen uns herzlich, Mike scheint sich wirklich zu freuen. Wir setzen uns in ein Gartencafe am Seeufer und ich erzaehle ihm, was geschehen ist in den vergangenen zwei Jahren und warum ich hier bin.

Wir gehen als erstes zu Ato Haptu, dem Mann, der die Maedchen 2004 ins Heim aufnahm und so die Adoption ermoeglichte. Vor der oertlichen Behoerde warten etwa 50 Leute darauf, vorgelassen zu werden. Drinnen sitzt ungeniert haekelnd die Sekretaerin und unterhaelt sich mit einer Freundin. Welcome to Africa! Sie laesst mich jedoch gleich vor. Ato Haptu erkennt mich auf Anhieb. Er freut sich zu hoeren, dass unsere Bemuehungen Erfolg hatten. "Ich bin nur hier, um mich zu bedanken und ihnen, wenn moeglich, Mut fuer die Zukunft zu machen", sage ich. "Heute ist mein letzter Tag hier, Mr. Radtke. Sie haben viel Glueck mich an meinem letzten Arbeitstag zu erwischen." Seine Toechter haben die gleichen Vornamen wie die Maedchen: Eyerusalem und Bethelihem. Was fuer ein seltsamer Zufall.

Er beklagt, dass es in Bahir Dahr immer noch kein Kinderheim des Staates gaebe.

"Wir hatten nach dem Krieg {bis 2000 gg. Eritrea} ein Heim fuer 3000 Kinder, deren Vaeter im Krieg gefallen sind. Die Kinder wurden zwar dick, blieben aber dumm, weil es keinen Unterricht gab. Dann wurde das Heim geschlossen."

Er zeigt mir eine Namensliste von 120 Kindern, die mit ca. 15 EUR im Monat von Auslaendern unterstuetzt werden. Warum habe ich nicht wenigstens das fuer die Jungs gemacht? frage ich mich. Es waere so einfach gewesen.

Auf Wiedersehen Herr Haptu! Wir haben Schicksal gespielt und es ist gutgegangen.

"Unsere Leben beginnen zu enden an dem Tag, an dem wir zu Dingen schweigen die wichtig sind." Dr.M.Luther King Jr.

geschrieben am 27.1. in Krefeld


 


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