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Reisetagebuch

9/2/2002   Kroatien / Osijek

2000 km! Traueme und Albtraueme in Slawonien

Ein feines Fleckchen Erde und ein Flashback / Das schoenste, zerstoerteste Hotel in Osijek

(Harald und Renata) Unsere Zweiraeder tragen uns durch eine spaetsommerliche, ungarische Landschaft, durch kleine Doerfer, die so malerisch- verfallen sind, dass wir uns nicht Sattsehen koennen. "Sieh mal da!" und "Sieh mal dort!" Wir zeigen uns gegenseitig, was uns fasziniert. Weinberge zur Rechten begleiten uns, Renata stibitzt uns ein paar Stauden roter Trauben. Unterwegs faellt die 2000-km-Marke. Bis zur naechsten Null dran ists noch ein weiter Weg. Aber jetzt machen wir ein Jux-Foto mit einer Sonnenbrille (s.d.). In den Ortschaften kleine Lebensmittellaeden, Bistros, in denen fast nur Maenner sitzen. Wir gruessen freundlich im Vorbeifahren: „Jo raegelt, jo nopott, jo eschted“ (lautmalerisch fuer: „Guten Morgen/ Tag/ Abend“). Und immer wieder: „Wissont Lattaschro“ („Auf Wiedersehen“). Und : „Koessenem!“-„ Danke!“

Wir uebernachten kurz vor der Grenze zu Kroatien in Mohacs (sprich: Mohatsch), in einem Landstrich, in dem bis vor vier Generationen nur Deutsch gesprochen wurde. Auch heute noch haben einige Ortschaften zusaetzlich zum ungarischen noch einen deutschen Namen, z.B. Baderseck oder Baar.

Am Ufer der Donau trinken wir eine Flasche heimischen Chardonnay, vier Zigeuner spielen auf, eine sanfte Brise weht, ueber dem Wasser kurven hunderte Schwalben. Drei aeltere Herren aus Friesland sind ebenfalls auf dem Radweg ans Schwarze Meer. Wir fachsimpeln ueber die Raeder, die Strecke. Die Herren fahren ca. 100 km pro Tag- das ist uns auf die Dauer doch zu viel. Wir wollen am Ort immer etwas Zeit verbringen. Fuer uns ist das ja kein begrenzter Urlaub, sondern "Alltag". Wir wollen nicht reisemuede werden. "Arbeit" und "Freizeit" sollen sich die Waage halten.

Spaet am Abend kehren wir in einem Reiterhof ein. Unsere spontane Reiseplanung hat Sonnen- und Schattenseiten und manchmal erwischen wir auch Kaschemmen. Aber diesmal haben wir Glueck. Fuer etwa 15 Euro schlafen wir in einer "Ponderosa". Mich jagen die Muecken wie eh und je, waehrend Renata voellig unbehelligt bleibt- unglaublich! Ich bin staendig zerstochen von Muecken, Bremsen, Wespen. Sie lieben mich zum Anbeissen. In der Nacht muss ich deshalb wieder mal mitten im Zimmer das Innenzelt aufschlagen- es ist nicht zum Aushalten.

Am Morgen ein Bad im Swimmingpool und ein Besuch im Pferdestall. In zwei Boxen je ein Wurf junger Hunde- herrlich duftende, quiekende Nuckeltierchen mit grossen Augen krabbeln ueber unsere Schuhe und knabbern an den Schnuersenkeln.

Gegen Mittag fahren wir los. Erstmalig traegt uns Rueckenwind voran. Mit 26- 30 km/Std. flitzen wir durch einen Naturpark, ueber die Grenze nach Kroatien. Direkt hinter der Grenze ein verfallenes Haus. Ich ueberrasche einen grossen Hirsch, der laermend durch Unterholz kracht und im Haus scheuche ich eine Schleiereule auf. Vor dem Haus die groessten Schmetterlinge, die wir bisher gesehen haben. Kilometerlang saeumen reife Holunderbuesche die Bundesstrasse nach Osijek.

Alle Ortschaften die wir durchfahren sind vom Krieg Anfang der Neunziger gezeichnet. Ich filme die Einschuesse. Die praechtigen Bauten, die zwischen 1860 und ca. 1920 entstanden, sind z.T. verfallen. Auch neue Haeuser, von Granaten und Maschinengewehrfeuer gezeichnet, wurden nicht mehr bezogen. Beli Manistir, Kozarac, Darda usw. - ueberall sind auch zehn Jahre spaeter die Folgen des Krieges sichtbar. Mich erinnert das an meine Albtraeume, die dieser Krieg seinerzeit bei mir ausloeste.

Am Abend Ankunft in Osijek. Der Campingplatz wird nicht mehr betrieben. Eine Jugendherberge gibt es nicht. Am Ufer der Drava unterhaelt sich Renata mit einem Skater. Er erzaehlt, das Osijek ca. 100.000 Einwohner hat, die bis auf ca. 2.000 alle waehrend des Krieges die Stadt verliessen, groesstenteils nachdem das kroatische Osijek von den Serben/Montenegrinern bombardiert wurde, wobei etwa 800 Menschen im Zentrum starben.

Die ganze Stadt ist Haus fuer Haus zerschossen, auch die Kirchen wurden nicht geschont. Wir kehren im Hotel Royal ein. 1904 gebaut, einst das praechtigste Haus am Platze. Aber jetzt heisst es, nur ein Zimmer sei benutzbar, von einst etwa 100. Und so etwas haben wir noch nicht gesehen: Einschuesse im Foyer, eingebrochene Boeden. Wie schade um die herrliche Bausubstanz. Im Zimmer nur kaltes Wasser, im gesamten Hotel keine Toilette. Das erledigen wir bei McDonalds um die Ecke. Trotzdem ist der Zimmerpreis exorbitant.

Die Stadt selbst pulsiert. Wir richten unseren Blick gen Osten, nach Vukovar.

"Das Recht des Staerkeren ist das staerkste Unrecht." Marie von Ebner-Eschenbach, oesterr. Erzaehlerin


 

 

 

 

 


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