10/25/2005 Aethiopien / Addis Abeba
Katze auf rostigem Blechdach
Hallo Taxi!
(Harald) Letzter Tag. Ich habe nach kompliziertem Precedere einen guenstigen Flug mit Egypt Airlines ueber Kairo in die Heimat gebucht. Auslaendern ist es bei keiner Fluggesellschaft moeglich, mit athiop. Birr zu bezahlen. Jeder "Non-Resident" muss mit USD seine Rg. begleichen. Also bekommt man seine EUR ueber Western Union. Die rechnen von EUR in USD um. Ausgezahlt wird jedoch bei allen Banken nur in Birr. Also erneute Umrechnung in Birr. Mit Birr kannst du aber- s.o.- nicht das Ticket bezahlen. Also erneuter Umtausch in USD. Der ganze Spass kostet einen gut 20 % mehr als die urspruenglich gesendete Summe und bedeutet einen Bankenlauf, z.B. mit "Umtauschbestaetigung" der National Bank. Dem Taxifahrer, der mich zur Bank faehrt, gebe ich 5 Birr fuer eine Fahrt, die nur 3-4 kostet. Er reagiert augenblicklich aggressiv und wirft mir das Geld veraechtlich gegen die Brust. Als ich aussteigen will, haelt er mich aber am Arm fest. Trotz des Affronts lege ich noch einen Birr drauf, aber er verlangt 20 Birr. Da ich die Preise gut kenne und auch am Morgen noch die gleiche Fahrt in Gegenrichtung gemacht habe, steige ich aus. Der Fahrer faengt das Schreien an, wie ein Wiesel ist er aus dem Auto und greift grob nach meinem Arm. Ich schuettle ihn ab, blicke ihn an und sage ihm, dass er mich nicht noch einmal anfassen solle. Ich sehe, wie er mir in die Augen und ins Gesicht schaut, um herauszufinden, ob ich es ernst meine. Die ersten Passanten bleiben stehen, die Parkplatzwaerter kommen. Niemand stellt sich auf meine Seite, obwohl jeder weiss, was eine Fahrt von der Piassa hierhin kostet und das ich gerade ueber den Leisten gezogen werden soll. Der Mensch faselt von Polizei und ich sage: "Gut, sehr richtig. Wir holen die Polizei." Worauf er keinen Wert mehr auf Polizei legt, aber auf 15 Birr heruntergeht. Wieso ich den Fahrpreis nicht vorher vereinbart haette, fragt mich berechtigterweise einer der Parkplatzwaechter. "Weil ich nicht wusste, wo diese Bank ist." Und woher ich dann wuesste, was diese Fahrt koste. "Weil ich schon einmal hier war." Das glaubt jetzt wieder keiner. Der Fahrer geht auf 10 Birr herunter. Mehr Zuschauer. Einer behauptet Polizist ausser Dienst zu sein- die uebliche Masche. Bei solchen Auseinandersetzungen stellen sich haeufig alsbald "Polizisten" ein, die in Zivil und ausser Dienst sind. Der Mann zieht den Taxifahrer beiseite und am Ende gebe ich 8 Birr- das Doppelte immer noch. Am Eingang der Bank tastet der Waechter, ein alter Mann, mich besonders sorgsam nach Waffen ab. Als dies offensichtlich schikanoes wird, frage ich ihn, wieviele Weisse in Addis schon eine Bank ueberfallen haetten. Auf irgendeine Aeusserung meinerseits hat er nur gewartet, um endlich mit seinem eigentlichen Anliegen herauszuruecken: "Warum haben sie dem Taxifahrer nicht sein Geld gegeben." "Weil es nicht sein Geld ist, sondern meines. Denken sie, dass sei ihre Angelegenheit?" "Ja." Aha. Ich gehe in die Bank und der Mann legt in meinem Ruecken noch auf Amharisch nach, sicher nichts Nettes. Mancher Aerger laesst sich nicht vermeiden, es sei denn, du bist in der Lage und willig, jeden geforderten Preis zu zahlen. Man verlangt von dir ueblicherweise das 5-10fache, damit du dich toll fuehlst, wenn du das 2-fache am Ende zahlst. Stehen Taxis hintereinander, rufen sich die Fahrer die geforderten Preise in Landessprache zu und du kannst die Verhandlungen vergessen, es sei denn, du deutest an, zu Fuss gehen zu wollen oder dir auf der Strecke ein Taxi zu suchen. Auch Kinder, die an den Taxistaenden abhaengen, mischen mit, indem sie mit dem vom ersten Taxifahrer gefordeten Preis zu den anderen Fahrern laufen, die du gerade ansteuerst, um sich bei diesen einzuschmeicheln und etaws vom ueberhoehten Fahrpreis abzubekommen. Ich habe gute Erfahrung damit gemacht, einfach einzusteigen und unterwegs ein paar Brocken der Landessprache fallen zu lassen, ein paar sinnreiche Bemerkungen zu Land und Leuten zu machen, um klarzumachen, dass ich schon laenger im Lande bin und dann kurz vor dem Ziel sichtbar den richtigen Fahrpreis abzuzaehlen, so dass der Fahrer Zeit hat, sich mit der Tatsache abzufinden, dass dieser Ferendschi Bescheid weiss. Dann einen kleinen Touristenzuschlag draufgelegt und entschieden aussteigen. In der National-Bank schickt man mich durch fuenf Stationen, bis ich bekomme, was ich brauche. Bei Egypt Airline will die Mitarbeiterin meinen Beleg der Western Union Bank nicht akzeptieren, weil der Umtauschkurs auf dem Durchschlag nicht eindeutig zu lesen sei. Ich frage sie, ob sie nicht einfach annehmen koenne, dass der Kurs in etwa 1:10 betrage, dass wisse doch hier jeder. Ich bin jetzt zwei Tage unterwegs um dieses Ticket zu kaufen und die Banken haben jetzt geschlossen, der Flug ist bereits morgen...Welchen Sinn es macht, mich zum dritten Mal wegzuschicken, nur weil belegt werden muesse, das der Umtauschbetrag hoeher sei als der Flugpreis, obwohl dies offensichtlich jeder weiss, der jeden Tag mit USD und EUR handelt, kann man mir nicht erklaeren. Dazu kommt, dass hier, wie haeufig auch anderenorts, Aethiopier vorgelassen werden, ich also, obwohl laengst an der Reihe, warten muss. Selbst als ich am Schreibtisch sitze, kommen zweimal Leute einfach dazwischen, mitten in meinem Satz verlangen sie etwas und bekommen es, waehrend ich daneben sitze und wieder warte. Mir bleibt nichts anderes uebrig, ich muss spaeter fliegen. Das wars. Schon in der Tuere, platzt mir spontan und endgueltig der Kragen. Ich gehe zurueck und mache meinem Frust Luft. "Sie schicken mich hier durch die Stadt, anstatt mir von Anfang an das Ganze zu erklaeren, sie nennen mir einen falschen Flugpreis und entschuldigen sich nicht mal dafuer, sie lassen mich warten. Ich verschwende hier Zeit und Geld, nur weil sie stur sind." Auch aethiopische Angestellte sind noch von der sozialistischen Vergangenheit ihrer Heimat gepraegt. Der Kunde will etwas vom Angestellten und ist daher Bittsteller. Jetzt schaltet sich eine Kollegin ein und prueft den Beleg: "Da! Man kann den Betrag hier nochmals finden. Der Kunde hat recht. Gebe ihm das Ticket." Das passt der Anderen nicht, sie widerspricht... Am Ende halte ich das Ticket in Haenden. Morgen fliege ich nach Kairo. Letztes Treffen mit Franco und den Jungs. Umarmungen. "Mogli, hoere auf deinen Bruder!" ermaehne ich den Schlingel. Das ist mein Abschied von Andargatschu, Molugetta und Francesco. Essen gehen mit Hanna auf der Bole-Road bei "Rico", einem angesagten Italiener. Hanna geht es leider erneut um ihren Glauben- um das nahende Juengste Gericht und bei soviel exclusiver Richtigkeit ergo mehr um Unterschiede und das Trennende, als um das Verbindende. Hannas so laechelnd-selbstgefaellige Sicherheit zerbricht alle meine Gespraechsbruecken, bis ich veraergert bin. Das ist mein Abschied von Hanna. Dieses Einteilen der Menschheit in "die Richtigen" und "die Verdammten" oedet mich an. Aber jede Religion ist ein exclusives Gedankenmodell, es ist ihr Wesen, "wahr" zu sein. Und was "wahr" ist, kann a priori ja nicht in Frage stehen. Da lob ich mir die alten Roemer. Die sagten einfach: "Das sind unsere Goetter. Was sind deine?" Und ueber Blasphemie sagte schon Kaiser Tiberius 30 n.C., dass sie Sache der Goetter sei. Wenn ein Gott denn existiere, so habe er auch die Macht, diejenigen, die ihn laesterten, zu bestrafen. Ein letztes Glas im Taitu-Hotel. Ich schaue mir noch einmal die Gesichter genau an. Das ist mein Abschied von den Kellnern. Im Hotel lachen mich die jungen Kellner an. Ich lache zurueck. Dies ist mein Abschied von ihnen. Ich schaue aus dem Fenster, ueber die rostigen Blechdaecher, loechrige Waesche flattert, eine schmutzige Katze streicht geduckt ueber die Deacher, aus der Bar toenen die Bargesellschaft und Musik, auf der Hauswand gegenueber reflektieren Autoscheinwerfer. Das ist mein Abschied von Addis. Ich haette mir fuer den letzten Tag Angenehmeres gewuenscht. Aber es ist wie es ist. Ruhe. Ausruhen muss ich. Ich liege im Bett unter meinem raschelnden Schlafsack, schaue an die fleckige Weichfaserplattendecke, vorbei an der blanken, blendenden Gluehlampe und dann durch alles hindurch in eine weisse Tagtraumwatte und Szenen eilen vorbei, fluechtig. Blitzendes Lachen, rote Erde, heisser Wind, Schweiss. Unglaublich. Maputo, Johannesburg, Masvingo, Lokologo... Endlich heimwaerts. Ich bin so muede. geschrieben am 23.2. in Krefeld
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