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Reisetagebuch

9/16/2002   Bulgarien / Sofia

PECTOPAHT und XOTEA in Sofia

Bulgarien ist ganz anders/ Bulgarian Indian Summer/ der Berg ruft- good bye Duna

(Renata und Harald) Wir kommen erst gegen Abend in Negotin in die Gaenge- das Suchen eines Internetcafes und das Schreiben nimmt i.d.R. etwa drei bis vier Stunden in Anspruch. Bei Einbruch der Dunkelheit sind wir an der bulgarischen Grenze. Dort wollen wir Geld tauschen- aber jugoslawische Dinar nimmt man nicht, da die Waehrung eine zu hohe Inflationsrate habe. Und wir haben keine Euros, Dollars, Pfund oder Schweizer Franken. An einer Tankstelle in Vidin treffen wir den hilfsbereiten Tankwart Milko Firov. Er kann zwar nicht tauschen, bietet uns aber sein Haus zum Uebernachten an, geleitet uns dorthin. Wir sind allein im Haus, weil er Nachtschicht hat und schlafen im Innenzelt im Kinderzimmer einer seiner Toechter.

Am naechsten Morgen trinken wir noch einen Kaffee mit ihm und dann folgen wir wieder dem Lauf der Donau. Direkt hinter der Grenze sehen wir, dass dieses Land noch aermer ist als Serbien- aber viel sauberer. Nachdem uns der Gestank nach Abfall und Verwesung, ausser in Belgrad, in ganz Serbien begleitet hatte, ist er hier die Ausnahme. Haben wir in Ungarn einzelne, in Kroatien und Serbien ein Dutzend Fuhrwerke gesehen, so sind sie hier bevorzugtes Transportmittel, vielfach gezogen von Maultieren und Eseln. Und es faellt auf, dass keine Hundekadaver mehr an den Strassen liegen, obwohl es hier genauso viele Hunde gibt wie in Serbien.

An der Strasse kaufen wir Trauben, trinken aus den ueberall zu findenden Brunnen. Die Strecke ist anstrengend- es geht es auf und ab- aber wunderschoen. Die Sonne scheint, ein leichter Wind kuehlt uns, wir gruessen mit einem Nicken die Menschen am Wegrand.

Nach einem Regenschauer kuehlt es ab. Die Blaetter der Baeume verfaerben sich, die Laubwaelder werden langsam bunt. Der Herbst kuendigt sich an. Wir fahren dagegen an, Richtung Suedosten. In Lom uebernachten wir direkt an der Donau in einem kleinen XOTEA- d.h. Hotel. Renata kann die kyrillische Schrift lesen und sich auch hier leidlich mit ihren Russisch-Kenntnissen und Polnisch verstaendigen. Ich versuche die kryptischen Zeichen zu entschluesseln- vergebens. Die Ziffer "3" ist hier z.B. ein Buchstabe. Und ich mache meine Witze: Ein Ort heisst dann eben C3PO und ein anderer R2D2. Hier spricht kaum jemand Englisch, wir treffen niemanden der Deutsch spricht.

An den Strassen werden Walnuesse von den Baeumen geschlagen und mit selbstgebauten Handkarren abtransportiert. Mit Sicheln schneiden alte Leute Kraeuter an den Wegraendern. In den Oertchen bietet man an der Strasse ein paar Schachteln Zigaretten, ein paar Stauden Trauben, Haarklammern u.ae. an. Alle was sich an Motorisiertem irgendwie noch bewegen laesst, wird gefahren. Abenteuerliche Gefaehrte sind dass, die da roehrend, eiernd, klappernd an uns vorbeiziehen. Wir helfen ein Auto hangabwaerts zu drehen, weil "it so needs no engine", wie der Besitzer erklaert.

Angenehm ist, dass wir kaum noch angehupt werden. Auch lassen die LKW-Fahrer nicht mehr, "zufaellig" direkt neben uns ihre Pressluft ab, wie in Serbien oft geschehen. Man gruesst eher freundlich mit erhobener Hand, wenn man hupt.

Lom gefaellt uns- eine Kleinstadt mit einer interessant gestalteten Fussgaengerzone.

Aber wir hatten die Strecke am Fluss gewaehlt, um Steigungen zu vermeiden- und diese Rechnung geht nicht auf. Anstiege reihen sich an Kopfsteinpflaster oder beides traktiert uns gleichzeitig. In der Dunkelheit treffen wir in Oriachovo ein, einem der wenigen Grenzuebergaenge nach Rumaenien. Hier warten LKW aus Deutschland und Oesterreich auf Abfertigung. In der Dunkelheit haelt ein PKW neben uns, zwei Maenner sprechen uns an, steigen aus. Im Geiste gehe ich meine verschollenen Taek-won-do-Kenntnisse durch. Aber einer tippt auf seinen Aermel, als er mein Misstrauen spuert: Zoll! Die Beamten leiten uns in den Zollbereich, vermitteln uns nach 2 Stunden Wartezeit ein Zimmer fuer 10 Euro in einem ehemaligen Hotel.

In einem PECTOPAHT, kyrillisch fuer "Restaurant", fuellen wir unsere Energie-Tanks wieder auf. Am Morgen schliessen wir den ganzen Gebaeudekomplex von aussen selbst ab und werfen den Schluessel durch ein zerbrochenes Fenster ins Haus zurueck. Im Foyer haengt eine Reliefkarte Bulgariens, die uns endgueltig den Zahn zieht, an der Donau entlang sei es flach und eben. Nur die rumaenische Seite sieht so eben aus, aber Renata moechte dieses Land meiden. Und so wenden wir uns Richtung Sueden, nach Sofia und verlassen endgueltig die Donau. In Vratsa uebernachten wir guenstig im Hotel und gehen ins Kino- endlich mal die Originalstimme von Depardieu als Obelix zu hoeren, ist auch schon was.

Der naechste Tag ist ein Highlight und der bisher haerteste der Tour. Wir folgen dem Lauf des Fluesschens Iskr in die Berge. Weisse und rote Felsen, Gipfel bis 3000 m Hoehe, klare Luft, eine gute Strasse schlaengelt sich leicht bergauf. Das Wasser ist klar und glitzert in der Sonne, Pappeln, Birken und Akazien stehen im Tal. Wir koennen uns nicht sattsehen, kommen kaum voran, weil jede Biegung neue Ausblicke bietet. Mit Hurra-Gebruell geht es auch mal ein Stueck bergab, erst gegen Nachmittag stemmt sich uns ein starker Wind entgegen, werden die Steigungen steiler. Wir muessen absteigen und schieben, schieben. Als wir das Tal von Sofia erreichen, beginnt es zu regnen. Jetzt heisst es, die Zaehne zusammen zu beissen. Als wir im Zentrum der Metropole anlangen, stehen 126 km auf dem Tacho und heute haben wir auch die 3.000 km vollgemacht.

Renata faellt, apropos Berge, ein polnischer Witz ueber die dortigen Bergbauern, die Guralen ein:

Touristen fragen eine Guralen nach einem Dorf. Er erklaert: „Seht ihr diesen Berg?“ „Ja!“ bestaetigen die Touristen. „Dort ist nicht das Dorf. Aber seht ihr den Berg dahinter?“ fragt der Gurale. „Ja!“ antworten die Touristen. „Dort ist auch nicht das Dorf. Aber seht ihr den Berg hinter diesem Berg?“ „Nein!“ erklaeren die Touristen. „Dort ist das Dorf!“

Wir bleiben heute in Sofia.


 


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