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Reisetagebuch

10/19/2002   Tuerkei / Ortaca

Sebastian

Im Touri-Ort Kusadasi, oder : Nepper, Schlepper, Bauernfaenger. Und Ephesos.

(Renata und Harald) Wir verlassen Izmir ueber eine grosse Ausfallstrasse, rechts von uns steigen Passagierflugzeuge auf. An den Haengen der Stadt Armensiedlungen wie in den suedamerikanischen Grossstaedten. Die Bruehe, die im Hotel aus der Wasserleitung kommt, war zu eklig um sie auch nur zum Waesche waschen zu benutzen. Und eine regulaere Muellentsorgung ist an den Steilhaengen der Stadt gar nicht moeglich.

Wir fahren wieder durch die Berge, schieben kilometerweit. Kurz vor dem Scheitelpunkt bricht ein Gewitter ueber uns herein. Wir sind noch verschnupft und muessen daher schnell aus den nassen Sachen heraus. Es geht bergab zur Kueste. Am Strassenrand winkt uns ein junger Strassenhaendler zu sich und schenkt uns eine Tuete voller gruen-gelber Mandarinen, saftig und geschmackvoll. Der smarte Bursche schaekert ein bisschen mit Renata und dann geht es weiter bergab. Im Touristenort Guemuelduer ziehen wir uns in einem Restaurant auf der Toilette um, essen eine heisse Rindfleischsuppe um uns aufzuwaermen. Dann bricht die Sonne endlich durch.

Es geht weiter entlang der Kueste, vorbei an den ersten Mandarinenhainen. Das Fahren ist anstrengend, weil es auch staendig bergan geht. Die Sonne geht orangefarben unter, das Meer gleisst, vor der Kueste liegt die griechische Insel Samos, an der schmalsten Meerenge nur 1700 Meter vom tuerkischen Festland entfernt.

Es wird dunkel. Die Ebene um Kusadasi (sprich: Kuschadasi) ist Sumpfland und die Muecken beehren uns reichlich. Mit der Fahrradlampe lesen wir die Strassenschilder. Vor dem Zielort ein Campingplatz mit Restaurant. Die sanitaeren Einrichtungen lassen gelinde gesagt, stark zu wuenschen uebrig. Und als wir eine Kleinigkeit essen, verschlaegt uns die Rechnung den Atem. Was fuer eine Abzocke! Auf meine Einwaende reagiert der Betreiber gelangweilt mit Verweis auf die Kaufkraft des Euros. Nun ja- auch in Deutschland waeren 15 Euro fuer den Klacks Essen zuviel Geld gewesen.

Am Morgen fahren wir nach Kusadasi, fruehstuecken auf einer Parkbank auf dem Parkplatz vor einem Supermarkt. Kusadasi ist touristisch durch und durch. Auch um diese Jahreszeit hoeren wir Deutsch, Franzoesisch, Englisch auf den Strassen. Die Stadt ist verbaut, eine Skyline aus Hochhausbauruinen ueber Stadt. Am Ortsausgang ein Schild: "Bei Helmut" und "Filterkaffee". Der Gastwirt ist ein Tuerke, der lange in Deutschland gelebt hat. Er spendiert die zweite Lage Kaffee. Wir sind froh, uns mal wieder auf Deutsch locker unterhalten zu koennen.

Ein Stammgast aus Passau setzt sich dazu und faehrt uns spaeter mit seinem Leihwagen nach Ephesos. Der Eintritt ist teuer- aber Ephesos! Eine Grossstadt ueber Jahrhunderte, bis zu 200.000 Einwohner in der Antike. Die oesterreichische Regierung hat hier viel Geld gespendet, Ausgrabungen und Konservierungen geleistet. Das Wetter ist schlecht, so bleiben uns die ueblichen Menschenmassen erspart. In unserer Phantasie ersteht die Stadt und das Treiben neu: Theater, Senat, oeffentliche Baeder, Basare, eine Bibliothek, Haeuser an den Haengen, Strassen aus hellem Gestein mit Rinnsteinen. Uns erfasst ein ehrfürchtiges Gefühl vor der Bedeutung des Ortes, der Zeitspanne, der Leistung. Und sichtbar liegt noch soviel unausgegraben umher. Keine Aufsicht im gesamten Gelaende - wie viel mag hier wohl schon mitgenommen worden sein?

Als wir am Abend wieder alle beim tuerkischen Helmut zusammensitzen, gibt es ein knorpeliges Steak und etwas zu trinken und eine Rechnung ueber 25 Euro. Wir zahlen, aber sagen dem Nepper klar die Meinung und muessen uns in der Folge auch das Angebot, bei dem bereits Angetrunkenen "kostenlos" uebernachten zu koennen, aus dem Kopf schlagen. Wir suchen eine kleine Pension, ein nettes altes Ehepaar bietet uns fuer kleines Geld ein nettes Haeuschen an.

Der naechste Tag ist sonnig. Hinter Kusadasi am Strassenrand ein radreisender Tuerke mit einer Panne. Sein Reifen ist dermassen zerschlitzt, dass wir ihm nicht helfen koennen und unser Ersatzschlauch passt nicht. Wir laden seinen schweren Rucksack auf eines unserer Raeder und schieben gemeinsam die 12 km bis Soeke. Auch dort gibt es fuer ihn keine Hilfe und er faehrt mit dem Bus nach Aydin. Schade- auch sein Ziel war Antalya.

Es geht weiter, vorbei an zahlreichen Hinweisschildern zu historischen Orten: Prienne, Milet, Didyma, Heraklion. Aber die Entfernungen sind zu gross und die Reisekasse zu klein. Und wir wollen auch puenktlich am 23. in Antalya sein, um dort meine Mutter und ihren Freund zu treffen.

Das Wetter wird richtig gut. Die Landschaft wird bestimmt durch Olivenbaeume, Kiefernwaelder, Buesche und die ersten Kakteen. Wir haben einen tollen Tag, schoene Aussichten. Vorbei am Bafa-See, dessen Oberflaeche im heftigen Wind Wellen wie ein Meer wirft, erreichen wir Milas. Die mit riesigen Palmen reich bestueckte Stadt gefaellt uns. Wir uebernachten in einem Hotel.

Am Morgen schieben wir gerade unsere Raeder hinter der Stadt eine 7-km-Steigung hinauf, als im Schweinsgalopp ein junger, baertiger Deutscher ueber die Strasse kommt. Wohin und Woher. Auch dieser Radler hat einen platten Reifen. Wir warten seine Reparatur ab. Uns ist das ja bis jetzt erspart geblieben. Wir tauschen uns aus, fahren dann gemeinsam weiter. In der Daemmerung finden wir zwischen Yatagan und Mugla einen Platz fuer unsere Zelte, 100 Meter neben der Strasse.

Der Radler ist Stuttgarter und heisst Sebastian, ist 28 Jahre alt und Anfang Juli in Deutschland gestartet, war in den rumaenischen Karpaten. Sein Rad ist schwer bepackt, aber seine Beine gleichen Baumstaemmen. Bis 180 km ist er taeglich gefahren, hat nie geschoben, auch nicht ueber die Paesse in Rumaenien. Wir haben uns viel zu erzaehlen: Anekdoten, Anruehrendes, Erstaunliches. Wir haben viel Spass, trinken Wein, kochen auf seinem Campingkocher Nudeln, essen Reis mit Honig mit den Fingern.

Am Morgen expedieren wir unsere Umgebung, drehen Steine um und finden eine 30-cm-Eidechse, einen 12-cm-Hundertfuessler, eine Wechselkroete, eine seltsame, grosse Spinne mit Kokon.

Gegen Mittag fahren wir bei bestem Wetter weiter, vorbei an Mugla in den Bergen, ueber einen 630-Meter-Pass, bergab 10 km Schussfahrt. An einer Kurve eine herrliche Aussicht ueber die Ebene, das Meer gleisst im Abendlicht: Tuerkei at its best!

Wir zelten in Goekova, einem kleinen Geheimtipp mit Felsengraebern, in einer kleinen Bucht gelegen, Palmen. Bis tief in die Nacht reden wir und baden abends und morgens im Meer.

Am naechsten Tag muss uns unser unterschiedlicher Zeitplan eigentlich trennen. Aber wir wollen irgendwie alle drei nicht recht. Sebastian will noch nach Kairo mit dem Schiff, muss jedoch bald zurueck nach Deutschland. Wir radeln aber zusammen weiter bis Ortaca und kehren im Hotel ein. Bis in die Nacht witzeln wir rum.

Am Montag ist in Deutschland ein Bericht in einer Tageszeitung erschienen und viele Leser haben uns Mails gesendet, die wir aus Zeitgruenden jedoch erst nach und nach beantworten koennen. Leider war auch wieder eine fuer uns schlechte Nachricht dabei. Auch Solches muss "verdaut" werden, haben wir doch unterwegs kaum Moeglichkeit, Einfluss auf die Dinge in der Heimat zu nehmen.

Gegen Mittag des heutigen Tages geht es weiter Richtung Fethiye.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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