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Reisetagebuch

11/4/2002   Tuerkei / Fethiye

Angelo

Ein neuer Freund, zwei gestohlene Scheine, drei Tempel und vier Tage

(Harald und Renata) Am 30.10. heisst es fuer uns von unseren Besuchern aus Deutschland und vom Schlaraffenland in Side Abschied nehmen. Wir hatten eine gute Zeit, haben die Batterien aufgetankt. Das kleine Oertchen Side selbst besteht fast nur aus Geschaeften, Hotels etc. Solche kleinen Boom-towns reihen sich bis Antalya eins ans andere. Die Tuerkei, lange Geheimtipp der Rucksackreisenden, hat in den letzten Jahren Tourismus-Zuwachsraten von 30 % pro Jahr verzeichnet- entsprechend wuchernd, statt geplant und gelenkt, verlief der Staedtebau. Oft half nur internationaler Druck und die Einsicht, dass man durch ungezueglten Raubbau letztlich die gewonnen Touristen wieder verloere, das Schlimmste zu verhindern. So wurde denn auch eine Bucht bei Fethiye, die von seltenen Wasserschildkroeten zum Laichen genutzt wird, vor der Verbauung durch Hotels geschuetzt.

Wir fahren mit einem der sog. "Dolmuschs", Minibussen, diesmal entlang der Kueste zurueck nach Fethiye und kehren wieder in unserer Pension ein.

Am Morgen sitzt am Nebentisch ein struweliger Huehne - wie sich bald hoeren laesst, ein Schweizer. Er heisst Angelo, ist freier Fotograf und kommt gerade, nach wochenlangem Aufenthalt, aus Jordanien und Syrien. Was fuer ein Glueck fuer uns: aktuelle Erste-Hand-Informationen! Es stellt sich auch bald heraus, dass die vielen bisherigen Auskuenfte bzgl. der Visa fuer Syrien falsch sind, denn es ist nicht moeglich ein Visum an der Grenze zu bekommen! Wir muessen beide persoenlich mit dem Bus nach Ankara fahren, bei der deutschen Botschaft ein Empfehlungsschreiben abholen und damit bei der syrischen Botschaft ein Visum beantragen. Und das Ganze geht erst naechste Woche.

So verbringen wir ein paar schoene Tage mit Angelo- auch gut!

Wir haben uns viel zu sagen. Wir so oft schon, zeigt sich auch hier wieder eine ganz aehnliche Weltsicht bei Individualreisenden. Und es laesst sich trefflich diskutieren, was die aktuellen Probleme angeht. Da wird der Irakkonflikt, die Lage in Israel u.ae. besprochen. So mancher hat uns, ob der aktuellen, politischen Lage, von einer Fortsetzung der Tour abgeraten. Aber wir sehen, bei aller gebotenen Vor- und Umsicht, keine Gefahr in Syrien oder Jordanien. Angelo berichtet, dass es dort sehr sicher ist, dass man gastfreundlich sei. Wie man sich in Israel verhaelt, obliegt jedem selbst. Wir hatten nie vor, dort Busse zu benutzen, oder abends auszugehen.

Angelo laedt uns ein, mit seinem Gelaendewagen die Gegend zu erkunden. Wir fahren nach Letoon, "alte Steine gucken", wie Angelo sagt. Drei Tempelruinen mit exzellent erhaltenen Mosaikboeden stehen dort, z.T. jedoch unter Wasser. Auf den Saeulenfundamenten sonnen sich Sumpfschildkroeten und graue, stachelige Agamen verdruecken sich zwischen die weissen Steinbloecke.

Wie ueberall, so findet sich auch hier gleich ein "Fuehrer". Ismael ist elf Jahre alt und zeigt uns mit viel "come, come" und "yes, yes" die schoensten Details, altgriechische Schriften auf vielen Bloecken, fein gearbeitete Saeulenstuecke, Steinmasken ueber dem Theatereingang. Manches sieht wie gestern gefertigt aus- und das nach 1800 Jahren. Einmal mehr draengt sich die Vorstellung auf, ob es nicht fuer die ganze Welt lohnte, ein oder zwei solcher Staetten komplett zu rekonstruieren: Die Touristen zahlen Eintritt, am Eingang wird Originalkleidung ausgegeben, traditionelle Handwerkskunst wird feilgeboten, klassisches, griechisches Theater wird aufgefuehrt usw. Es gaebe Wein und Speisen jener Zeit- auch eine Besinnung auf Verlorengegangenes waere leichter.

Und Angelo fuehrt uns nach Saklikent, einer wilden, engen Schlucht in den Bergen. Dort sitzen wir direkt zwischen den brausenden, kristallklaren Bachlaeufen unter uralten Platanen, trinken Tee und ich mache mich, ohne Hose und Schuhe, auf, den Canyon zu erkunden. Das Wasser ist kalt, oft muss ich zwischen den Ufern hin und herwechseln, ueber riesige Felsbloecke kraxeln. Ueber mir ragen ca. 150 Meter hohe Felswaende auf, die teils bis auf zwei Meter aneinander ruecken, oben fliegen Meisen, klein wie Muecken. Der weisse Fels ist durch das im Fruehjahr hoeherstehende Wasser bis auf ca. 20 Meter Hoehe rund geschliffen und rot und kantig darueber. Ich moechte mich wegducken vor 10-Meter-Ueberhaengen. Tonnenschwere Kiesel haben sich ueber dem Bachlauf verkantet, ganze Baumstaemme darin verkeilt. Und ich bin ganz allein dort. Letztlich haelt mich eine Felsbarriere auf, die ohne Hilfsmittel nicht zu ueberwinden ist und es wird dunkel. Als ich zurueckkehre, wird hinter mir der Zugang zu diesem Naturwunder abgeschlossen und Angelo und Renata sitzen vor dem Gelaendewagen auf Campingstuehlen und veranstalten einen Fotolehrgang.

Zum Abschluss geniessen wir den Sonnenuntergang ueber dem silbrigen, maeandernden Bachbett, in dem sich purpurfarben der Himmel spiegelt, als ob hinter den kieferbewaldeten Huegeln ein Waldbrand wuete. Und Angelo sagt treffend: "Zu schoen zum Fotografieren." Meint: kitschig.

Welcher Kinohit waere nach soviel "Altertum" passender, als unser gemeinsamer Lieblingsfilm "Der Gladiator"? Im Hotel lassen wir den Wind durch den fensterlosen, roemischen Palast von Marc Aurel wehen.

Am Morgen eine boese Ueberraschung: Aus Renatas Allzweckkoefferchen fehlt ein Schein- bereits tags zuvor vermissten wir einen solchen, hakten das aber als wieder auffindbar ab. Aber jetzt ist es absolut sicher und es kann nur die Putzfrau gewesen sein. Wir verhackstuecken das mit der Frau und dem Wirt. Als Angelo alarmiert auch seine Dollar zaehlt, fehlen auch ihm einige Scheine! Was tun? Der Wirt, Herr Mermer, haelt zu seiner Angestellten, bezweifelt unsere Sicherheit. Und beweisbar ist eh nichts. Infolgedessen kaufen wir eine Koerpertasche- laestig zwar, aber sicherer.

Wir zweifeln nicht im Mindesten an der Ehrlichkeit von Herrn Mermer, aber das Problem bleibt in der Luft, was uns sehr Leid tut.

Nach vier schoenen Tagen ist heute "Pflicht" angesagt: Passfotos muessen her, Mails beantwortet, technische Probleme mit der Bilduebertragung geklaert werden etc. Und die Desillusionierung durch die Diebstaehle will auch erst mal verarbeitet sein.

Trotzdem moechten wir die schoene Pension empfehlen.

Mer-Pension, Cahit Guenduez Sahil Yolu, No. 36, 48300 Fethiye


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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