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Reisetagebuch

11/5/2002   Tuerkei / Fethiye

Turkey going Europe

Parlamentwahlen / Auf dem Markt / die Massagefrisur

(Harald und Renata) Am Sonntag den 3.11. fanden in der Tuerkei die Wahlen zum Parlament statt. Seitdem wir bei Edirne vor fuenf Wochen eingereist sind, begleiteten uns allerorts die ohrenbetaeubenden Lautsprecherdurchsagen und pathetisch klingenden Musikeinlagen aus Minibussen- eine hier zwar staendig genutzte, nichtsdestoweniger unbeliebte Art der Wahlwerbung. Ueber die Strassen der Zentren spannen sich Leinen mit Werbefaehnchen und Abbildern der Kandidaten der ca. 40 Parteien. Ueberragender Gewinner der Wahlen ist nunmehr die AK-Partei, eine gemaessigte, moslemisch-konservative Partei, die 35 % der Stimmen erhielt. Ausser neun unabhaengigen Kandidaten ist im Parlament nur noch die sozialdemokratische CHP (20% der Stimmen) vertreten. Alle anderen Parteien erhielten weniger als 10 % und stellen somit lt. tuerkischem Wahlrecht keine Abgeordneten. Minderheitenschutz wird hier klein geschrieben.

Wichtiges Thema war und ist die Haltung der EU zu Beitrittsverhandlungen mit der Tuerkei. Undiplomatisch hatte die EU eine Datumsangabe fuer solche Gespraeche bisher bruesk abgelehnt, was hier viel Veraergerung und Unverstaendnis hervorrief. Die jetzt scheinbar stabilen politischen Verhaeltnisse werden hoffentlich hierin zu einer anderen Haltung der EU fuehren.

Heute Nacht geht es per Bus nach Ankara. Wir wollen versuchen die Visa fuer Syrien, Jordanien und Aegypten auf einen Schlag zu erhalten. Wie lange das dauern wird, wissen wir nicht.

Heute regnet es erstmals wieder, obwohl es immer noch 28 Grad warm ist. Fast alle Touristen sind mittlerweile abgereist, es ist ruhiger geworden. Man merkt das auch an den gesunkenen Preisen. Wir streunen mit Angelo stundenlang ueber den Markt und fotografieren und kaufen: Ziegenkaese en bloc (so mild!), Mandarinen (so saftig!), Bananen (so suess!), getrocknete Aprikosen und Feigen (so trocken!). Und fuer Renata ein Kopftuechleinchen (so syrisch!) und ein Hosen-Wickelrock (so zuechtig!).

Wir bleiben lange zwischen den Marktschreiern stehen (so laut!), ich fotografiere Kinder in der Menge, faustgrosse Radieschen, Oliven (so bunt!).

Einmal mehr fallen uns die Maennerpaerchen auf- wie knuffig sie sich umarmen, einhaken, zaertelnd in die Wangen kneifen, kuessen. Haendchen haltend, wie Mann und Frau, flanieren sie daher. Austausch von Zaertlichkeiten zwischen den Geschlechtern ist hier verpoent- wie sonst soll also das Beduerfnis nach Naehe und Intimitaet tagsueber gestillt werden?

Hier faellt mir mein Friseurbesuch in Istanbul ein: Zunaechst umringen mich vier Maenner; jeder hat eine andere Aufgabe. Der Juengste waescht mir die Haare und das gleich zweimal. Dabei werden die Ohren mit den Fingern gepult, vollflaechig gleiten mir die Haende durchs Gesicht. Es wird trockengerubbelt bis die Ohren gluehen. Dann barbiert: Einschaeumen mit einem dicken Quast von Rasierpinsel, der kunstvoll geformt wird, je nach Kinnpartie anders. Mit einem echten Rasiermesser (so scharf! Schluck!) kratzt mir dann der Meister die Stoppeln ab- das Ganze ebenfalls zweimal (so glatt!). Dann werde ich gewickelt- ein nach Parfuem duftendes Handtuch wird ums Gesicht gefaltet (so wohlig!). Als ich wieder das Licht der Welt erblicke, brummt ein Elektroschneider in meinem Nacken- ab dafuer! Bueschelweise faellt der Grossteil meiner ohnehin spaerlichen Haarpracht (so schade!) auf den Kachelboden im Grossen Bazar. Und dann wird endlos lange geschnippelt, gekaemmt, gestriegelt- bis der eckig gebissene Keks wieder rund ist. Mein Kopf wird dabei wie ein toter Gegenstand hin und her gedreht, nach vorn gedrueckt. Und dann werden - ich glaub es kaum - die Haare in der Nase geschnitten. Hey! Und in den Ohren - jetzt reicht es aber! Und, als ob es nicht schon genug Opfer gegeben haette, flammt es ploetzlich blaeulich neben mir auf- eine Art Zitterkloeppel, ein mit einem ovalen Stoffhaeubchen umwickelter Eisenstift, wird, getraenkt in Petroleum, meinen Ohren nahe gebracht- ich gehe in meinem Flugzeugsessel in Kampfstellung: Was will dieser Folterknecht von mir- mich verbrennen? Wo ist Renata? Die grinst schadenfroh und verschlagen- Rache ist suess? Die Flamme wird mir tatsaechlich rhythmisch an die Ohren geschlagen (so heiss!), es riecht eindeutig verbrannt und tut weh (das kostet den Kerl das Trinkgeld!). Auch dieser Henker grinst (so haemisch!). Ich ergebe mich in mein Schicksal- andere haben das auch ueberlebt, troeste ich mich.

Danach wird mir erneut der Kopf gewaschen, gefoent, zweierlei Spruehflaschen nebeln mich ein, Haargel wird liebevoll eingerieben. Ich sehe aus wie Bruce Willis, sagt man mir (so viel Trinkgeld!)- bisher hiess es stets wie Paul Newman. Dann massiert mir ein Dritter den Kopf und Nacken, wuchtig gleitet seine Hand tief in meinen Pullover zwischen die Schulterblaetter, waehrend ein Vierter meine Haende und Arme knetet. Willenlos (so schlaff!) erwarte ich den naechsten Angriff auf meine Intimsphaere- aber, oh Wunder! - es ist vorueber. Um mich meiner sexuellen Ausrichtung zu vergewissern, schaue ich Renata an (so sexy!). Aus ihr hat ein Fuenfter derweil eine Julia Roberts gemacht, wie man uns versichert. Die zwei Hollywoodstars verlassen (so cool!), ich duftend wie eine Flasche Koelnisch Wasser, den "Big Bazaar".

Mal sehen, was ein Besuch in einem tuerkischen Bad an Ueberaschungen bringt.

Den geneigten Lesern unseres Tagebuches sei ans Herz gelegt, gelegentlich zurueck zu blaettern, da wir oft zeitverzoegert neue Fotos einspeisen.

Viel Spass!


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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