11/15/2002 Tuerkei / Kumluca
Alte Steine
Fethiyekleber / Das Tal von Patara / Eine Nacht in der Schlucht / Kasch und ein Ehepaar aus Amerika / Myra
(Renata und Harald) Wir muessen wieder den Nachtbus nach Fethiye nehmen. Die Nacht nimmt kein Ende, nach zehn Stunden kommen wir um halb acht morgens an, voellig zerknittert an Leib und Seele. Wir fallen ruckartig ins Bett und versinken ins Reich der Traeume. Erst mittags gibt es Fruehstueck, ich bin richtig erkaeltet und bleibe im Bett und lasse den Lieben Gott einen guten Mann sein. Es regnet in Fethiye und es ist kuehler geworden. Am naechsten Morgen ist an Aufbruch nicht zu denken, denn es regnet in Stroemen, der Wind peitscht die Palmen am Hafenkai in einen 60-Grad-Winkel, das Wasser ist dunkelgrau, die Schiffe tanzen an den Leinen wie Spielzeug. Angelo hat sich bereit erklaert, sein Koennen als Fotograf in den Dienst unserer Sache zu stellen und professionelle Fotos zu machen. Aber der Wettergott spielt nicht recht mit- also verschieben wir das wieder auf morgen. Auch am naechsten Tag Regen! Es ist zum Maeusemelken- Fethiye laesst uns nicht los...Erst am Nachmittag gibt es erste Wolkenloecher und wir machen ein paar schoene Aufnahmen vor einem lykischen Sarkophag. Anschliessend folgen wir unseren Nasen, schlendern hoch in die Haenge ueber dem touristischen Hafenviertel, hinein in die engen, steilen Gassen der aermeren Bewohner. Teils jahrtausende alte Stufen, teils nackter Beton oder schlammige Kieswege bringen uns zu den verschachtelten winzigen Haeusern, in denen Kohleoefen stehen, Waesche vor den Haustueren aus Holzlatten haengt. Letztendlich landen wir nach Stunden in den Ruinen der alten Burg ueber der Stadt- was fuer ein Blick auf die Bucht! Und zum Abschluss kraxeln wir die 200 Stufen zum schoensten Felsgrab der Gegend hinauf, dem Grab des Amyntas, wohl so etwas, wie Fethiyes Wahrzeichen. Und jetzt kostenlos, denn die Saison ist vorbei, niemand kassiert mehr. Am naechsten Morgen hat sich ein neuer Gast einquartiert. Markus kommt aus der Schweiz, aus Schaffhausen und ist seit zweieinhalb Jahren mit seinem Motorrad auf Weltreise. Er und Angelo hatten sich in Jordanien kennengelernt und er war in Ostafrika, ist die Strecken gefahren, die wir z.T. auch nehmen wollen. Und weil es immer noch regnet, verschieben wir die Abreise erneut. Markus holt seine Karten heraus, berichtet von den Strassenverhaeltnissen, dem A und O fuer uns, erzaehlt von Grenzuebertritten und Suedafrika. In Kapstadt wurde er von zwei Raeubern mit einem Messer angegriffen, nur sein Nierenledergurt rettete ihm das Leben. Er war im Sudan, in Aethiopien... Wir hoeren gespannt zu. Und: die Strassen im Sudan und in Aethiopien und Kenia sind befahrbar! Gute Nachrichten. Am naechsten Morgen strahlt die Sonne und es geht endlich los- wir satteln die Pferde und nehmen Abschied: von Angelo, von Markus, von Goeksche, unserem Wirt und von Fethiye- wer haette gedacht, dass wir so lange bleiben wuerden, da wir doch nur eine Nacht geplant hatten? Ein Tipp fuer eine Abkuerzung erweist sich als Umweg- aber der lohnt sich. Wir passieren erneut Saklikent, die Maerchenschlucht, sehen die Sonne untergehen, sie taucht die seit zwei Tagen schneebedeckten Berggipfel in rotes Licht, so unwirklich schoen, das es schmerzt in der Brust. Kurz vor Patara uebernachten wir in einem Hotel. Da am 8.11. Ramadan, der moslemische Fastenmonat begonnen hat, werden wir um 2.15 Uhr mitgeweckt- es ist Zeit zum Beten. Und um 6 Uhr weckt uns der Muezzin erneut. Wir dachten, die laute Jahreszeit sei vorbei- denkste! Nach einem Fruehstueck im Sonnenschein radeln wir in das Tal von Patara, einer antiken Stadt, strategisch gut gelegen, denn der Zugang zwischen den steilen Felsen ist nur ca. 40 Meter breit. Aber der Hafen verlandete und heute ist das Tal versumpft. Bauten aus roemischer, lykischer und griechischer Zeit, ein Triumpfbogen, Hoehlengraeber, Steinsarkophage, ein Theater- das ganze Tal voller Ruinen. Mit buchstaeblich jedem Schritt treten wir auf Tonscherben von Wasserleitungen und Amphorengriffen, sowie auf beschriftete Fels- und Saeulenstuecke. Man fasst es nicht! Es gaebe hier soviel zu entdecken, auszugraben. Uns begeistert erneut, welchen Blick man seinerzeit fuers Schoene hatte, wie wohlproportioniert alles erscheint. Nach Stunden des Umherstreifens reissen wir uns los. Hinter dem Gelaende liegt einer der schoensten Straende der Tuerkei, aber wir muessen auch Dinge auslassen. Wir decken uns in Kalkan auf dem Wochenmarkt mit Lebensmitteln ein. Die kleinen, aromatischen Bananen und die prallen Mandarinen haben es uns angetan. Uns spricht ein amerikanisches Ehepaar an, weil sie uns aus dem Auto heraus schon in Patara gesehen hatten. "Mit dem Fahrrad nach Capetown..?" Es sind Dauerreisende, ein halbes Jahr um die Welt. Wir tauschen unsere Visitenkarten aus. Kurz hinter Kalkan sind die Berge zerrissen und haben einen schmalen Canyon bis hinunter zum Meer geschaffen- Kaputasch. Ueber endlose Betonstufen tragen wir unser Gepaeck und die Raeder zum nur 150 Meter breiten Strand hinunter. Hoch ueber uns windet sich die Kuestenstrasse entlang, nur noch wenige Lastwagen und Busse roehren nach Einbruch der Dunkelheit vorbei. Die hellen Felsen haben die Sonnenwaerme gespeichert, so dass es hier viel waermer ist, als oben an der Strasse. Im Licht der untergehenden Sonne bauen wir das Zelt im weichen Sand auf, nahe an die Felsen, von oben kaum zu sehen. Und ich nehme ein FKK-Bad im hellen Mondlicht. Dann essen wir auf einem dicken Felsbrocken zu Abend, was wir auf dem Markt eingekauft haben. Die Tomaten sind aromatisch, saftig, der Schafskaese mild und weich, die Oliven, das Fladenbrot...Im Zelt ist es warm und gemuetlich- was geht es uns gut! Am Morgen stellen wir fest, das wir in der Nacht Besuch hatten: Um das Zelt herum Schuhabdruecke zu Hauf, Bierbuechsen am Wasser. Man ist offensichtlich auch Schwimmen gegangen und wir haben nichts gehoert. Also hat man Ruecksicht auf uns genommen, sonst waeren wir wach geworden. Wir fruehstuecken im ersten Licht der Sonne, ich nehme ein ausgiebiges Bad im herrlich blauen Wasser. Wir fahren entlang der Kueste nach Kasch, einem kleinen Hafenort mit verwinkelten, steilen Gassen, vielen Oleanderranken, Holzbalkone ueberragen die Geschaefte voller touristischem Tand. Ein kleines Amphitheater, Steinsarkophage schauen wir uns an. Im Hafen wollen wir einen Kaffee trinken- da sitz wieder das amerikanische Ehepaar! Sie heissen Lawton und Lyn und rufen gleich: "Join us"- wir sind eingeladen und vergessen ist die Eile( wohin wollten wir eigentlich heute noch?). Fuer diese Begegnungen nehmen wir uns immer eher zuviel Zeit. So wird es bald nach unserem Aufbruch schon dunkel. Es geht beinhart hoch in die Berge, 20 km Anstieg meistern wir an diesem Tag. Es wird richtig kalt und trotz dreier Kleidungslagen kuehlt der Schweiss im Wind die Haut zu stark- es wird Zeit sich aufzuwaermen. Nach einer 10-km-Abfahrt erreichen wir Kale, die Wirkungsstaette einer der beiden Heiligen Nikolause. Seine kleine Kirche aus dem vierten Jahrhundert ist, trotz mehrerer Erdbeben, z.T. noch original erhalten. Wir kaufen im Supermarkt ein und finden auch gleich ein Hotel. Der Chef spricht fliessend Deutsch. 80 Millionen will er haben. Hahaha! Gut- 60 Millionen- wir bieten 15 Millionen. Last price, best price- 25 Millionen. Wir bleiben hart, wollen gehen. Letztlich bleibt es bei 15 mit Fruehstueck. Das Zimmer ist gross, ziemlich sauber aber vor allem ruhig und warmes Wasser gibt es auch. Wir zwingen uns, trotzdem wir durchgefroren sind, noch etwas Warmes in einem Lokal in der Naehe zu essen. Es gibt Haehnchen mit Kartoffeln, Reis, Salat, Brot, alles auf Desserttellern, wie meistens nur lauwarm. Am naechsten Morgen strahlt wieder die Sonne, obwohl es in den Schatten und im Wind kalt ist. Wir besichtigen die in den Felshang hinter der Stadt gemeisselten Felsgraeber aus dem 3. und 4. Jahrhundert, das Amphitheater und die Kirche des Bischofs des antiken Myra, Nikola- bei uns Nikolaus genannt. Wir brechen gegen Mittag auf. Die Strecke ist eine Reise wert. Die Kuestenstrasse liegt hoch ueber dem blauen Meer, die Felsen sind weiss und rot und grau, dazwischen Macchiastraeucher, Disteln, Olivenbaeume. Kleine Meisen singen klickernd aus den Baumwipfeln, graue Agamen drohen sich gegenseitig mit Kopfnicken. Mann, Bikers Heaven! Wir passieren Finike, ein schickes Hafenstaedtchen und erreichen Kumluca, eine Stadt voller Hochhaeuser, einer endlosen Palmenallee und nur einem einzigen Hotel- da ist Verhandeln schwierig. Aber trotzdem klappt es im vierten Anlauf. Morgen geht es ueber Olympos nach Kemer, der letzten Station vor Antalya.
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