11/23/2002 Tuerkei / Anamur
Ein sehr schwerer Abschied
Wir treffen eine Entscheidung und fahren nach Utschare
(Harald und Renata) Renata will den Hund nicht mitnehmen und ich stimme dieser klaren Entscheidung zu. Ich weiss zwar von zwei Radglobetrottern, die einen Hund mitreisen liessen, aber die hatten einen Anhaenger mit und waren kraeftiger, als ich es bin. Wenn wir ueber jedes Pfund nachdenken, wie soll ich dann den schaetzungsweise 25 kg schweren Hund nebst Anhaenger ziehen? Und was wuerde aus dem Zeitplan? Also lassen wir das Tier zurueck. Beim Aufbruch ruft ein Mann den Hund "Arab" und streichelt ihn. Der Mann spricht zwar kein Deutsch oder Englisch, aber wir meinen zu verstehen, dass er das Tier kennt und es weiter aufwaerts der Strasse ein Heim hat. Er soll den Hund festhalten, aber es gelingt ihm nicht. Der Hund laeuft uns weiter nach. Auch an den Haeusern, die angeblich seine Heimstatt sein sollen, laeuft er ohne Zoegern vorbei, bellt nicht, schaut sich nicht um. Nach ca. zwei Kilometern halten wir an einer kleinen Gaststaette an und bitten einen Englisch sprechenden Mann, den Hund festzuhalten, bis wir ausser Sicht sind, damit er dorthin zurueck laeuft, wo er hingehoert. Er holt eine Waescheleine und als ich ihn bitte den Hund festzubinden, haelt er mir diese kopfschuettelnd hin: „Do it yourself!“ Ich lege dem Tier also notgedrungen selbst die Leine um, was es widerstandslos geschehen laesst. Ich hatte Renata in der Nacht noch gesagt, dass, wollte der Hund uns ueberzeugen ihn mitzunehmen, er nicht gehorsamer, leiser, unklomplizierter haette sein koennen. Als das Tier mich von unten anblickt, als ich ihm die Leine umlege, habe ich einen Kloss im Hals. Wir fahren los und was dann kommt, erschuettert uns gaenzlich. Das Tier winselt und jault so laut, das wir es noch lange hoeren. Ich kann kaum weiterfahren, Renata versucht mich zu troesten... Wir fahren wieder entlang der Kueste, die Strasse windet sich auf und ab, wir durchfahren Gazipascha, und Kalderan und erreichen am Abend ueber dem Dorf Utschare eine kleine Gaststaette. Zwei junge Maenner bieten uns die hinter dem Haus gelegene Terrasse fuer unser Zelt an und wir bauen auf und essen fuer einen unverhandelt guenstigen Preis zu Abend. Den ganzen Tag haben wir wieder und wieder ueber den Hund geredet. Und jetzt, beim Abendessen, ist es Renata, die davon erneut anfaengt: Der Hund sei o.k., alles machbar, man werde sehen etc. Und ich zaehle die Schwierigkeiten auf: Was ist mit Impfungen, an den Grenzen, die Kosten, der Zeitplan? Weihnachten in Jerusalem und im Februar spaetestens im Sudan zu sein- kann man dann alles vergessen. Sicher- der Hund bewacht das Zelt, man schlaeft ruhiger. Aber sogar Einzelreisende haben gut alleine gezeltet. Sicher, der Hund schreckt Raeuber ab- aber das ist recht abwegig. Als ich sage: wir finden den Hund eh nicht wieder, habe ich verloren. Mein Eis war sowieso bruechig...Ich bedinge mir noch aus, die Nacht drueber zu schlafen. Nach dem Essen gibt es kostenlos Tschai, tuerkischen, schwarzen Tee und wieder mal erzaehlen wir mit Haenden und Fuessen und fuehlen uns trotz der kargen Umgebung wohl und willkommen. In der Nacht schlaeft der ca. 22 Jahre alte Gastgeber auf einer Schaumstoffmatte im Restaurant auf dem Boden. Wir moegen ihn auf Anhieb, seine natuerlich-offene und zurueckhaltende Art. Am fruehen Morgen schlaeft er so fest, dass ich ihn recht rabiat wecken muss, weil vor der Tuere der erste Fernfahrer bereits Einlass begehrt. Als ich gegen sechs Uhr auf der Terrasse im kuehlen Morgenwind stehe und auf das enge Tal und das graue Meer in der Ferne blicke, die Haehne kraehen und unter mir eine kleine Katze in einen Obstbaum springt, da weiss ich, was ich will. Heute werden wir "unseren" Hund holen.
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