11/29/2002 Tuerkei / Anamur
Soweit die Pfoten tragen
Ein Hund in Schuhen laeuft 32 km und die Burg Anamur begeistert uns.
(Harald und Renata) Ich bin wieder vor Sonnenaufgang auf den Beinen und gehe alleine (selbst der Hund ist noch zu muede) Richtung Berghang ortsauswaerts. Die unbefestigte Strasse windet sich vorbei an den aermlichen Rohbauten, die niemals fertig gestellt, aber trotzdem benutzt werden. Fuer Putz und Farbe hat man kein Geld. Dann wandere ich querfeldein, ueber die steinige, roetliche Erde, die von ausgetrockneten Bachbetten durchfurcht ist. Hoch ueber mir stehen Burgruinen bereits in ockerfarbenes Sonnenlicht getaucht- dort will ich hin. Kletten und Distelstacheln kleben bald an meinen Beinen, die Stacheln der Machiabuesche pieksen mich. Erst ziehe ich den Parka aus und lasse ihn an topographisch eindeutiger Stelle zurueck, dann folgt der Pullover. Als ich die Sonnenlinie am Hang erreiche, stelle ich mich auf einen riesigen Granitblock und schaue ins Tal von Anamur im Morgendunst und die umliegenden Berge und fuehle mich wie der Koenig der Welt. In der Ferne winken Alis Kinder- es ist Zeit zurueck zu kehren. Nach dem Fruehstueck packen wir zusammen und der Abschied naht. Die Nachbarskinder laufen zusammen, es werden Fotos gemacht, auch die Kuh soll mit aufs Bild, auch beim Melken soll ich fotografieren, aber im Stall ist es zu dunkel. Mittlerweile rufen die Kinder schon "Karabasch", wenn wir vorbei kommen- ein Hund mit Halstuch, sogar an einer Leine, zwei Deutsche mit Fahrraedern- das ist schon den Dorftratsch wert. Zum Abschied druecke ich Ali 10 Euro in die Brusttasche und wir verabschieden uns auf tuerkische Weise mit zwei Wangenkuessen und einer Umarmung. Allah esmarladek! - Gott behuete Dich! sagen wir und "Teschekuerler"- Danke! Und dann klingeln wir, wie es mittlerweile bei uns Usus geworden ist und radeln los. Die Augen sind feucht, aber die Strasse lockt auch wieder. Quer durch die Stadt fahrend, erreichen wir nach 15 km das Ende der Bucht und die gut erhaltene, mittelalterliche Burg Anamur direkt am Meer. Urspruenglich roemisch-byzantinisch, wie die verbauten Saeulenbruchstuecke beweisen, wurde sie im 12. Jahrhundert von den Kreuzrittern erobert und ausgebaut und im 13. Jahrhundert von den Seldschuken, spaeter von den Osmanen genutzt. Im Innenhof steht eine Moschee aus dem 17.Jahrhundert, die noch genutzt wird. Aus einer Pension gegenueber der Burg springt uns ein junger Mann entgegen und fragt, ob wir Unterkunft suchen- "doert milljon"- vier Millionen fuers Zimmer. Das ist ein unglaublich guenstiger Preis, aber wir lehnen ab, wollen ja heute noch weiter. Den Hund binden wir gegenueber bei einer Pension an, neben die Fahrraeder und das Gepaeck. Bei der hier fast laecherlichen Angst vor Hunden ist unsere Habe sicher. Wir umklettern das ganze Areal, fasziniert von den Wehrgaengen und schmalen, hohen Steinstiegen. Auf dem hoechsten der insgesamt 39 Tuerme haben wir einen herrlichen Blick ueber die Burg, die eine tolle Filmkulisse hergaebe. Oben boet der Wind derart, dass wir uns am Fahnenmast festhalten, an dem die tuerkische Flagge weht. Mittags geht es weiter. Wir ziehen der Huendin erstmals alle vier Mokassins an und fahren insgesamt 32 km und ich filme, wie selbstverstaendlich der Hund das Schuhwerk akzeptiert und sauber damit laeuft. Es geht durch kleinere Ortschaften, durch Bozyase. Die Maedchen wechseln wegen des "Koepeks" (Hund) die Strassenseite. Man tritt nicht nach dem Hund, weil das Halstuch ihn als zu uns gehoerig ausweist. Aber selbst die jungen Maenner huepfen aengstlich zur Seite wie die Kinder. Dabei ist der Hund zurueckhaltend und bellt niemanden an. Diese Mischung aus Abscheu und Angst mutet uns laecherlich an, sie ist unbegruendet, aber anerzogen. Wir haben Welpen gesehen, die noch fast blind den Huendinnen entrissen wurden, ganz junge Tiere, die bereits an kurzen Eisenketten, ohne Wasser und Schatten in der Sonne liegen. (Waehrend ich diese Zeilen schreibe, beschaeftigt der Hund die halbe Umgebung hier). Trotzdem man gar nichts von dem Hund will, pfeifen und locken vor allem die jungen Maenner den Hund staendig, der stehen bleibt und auch die Strassenseite wechselt. Wir halten dann zwangslaeufig an- da wird der Hund in der Pfanne verrueckt! Ich werde dann schon mal aergerlich. Die Hundeschuhe sind falsch geschnuert und Steine sammeln sich darin, ausserdem beginnen die Oesen auszureissen. Als Zeltplatz suchen wir uns wieder eine kleine Bucht aus. An deren Strand stehen Reihen von Ferienhaeuschen, alle leer und unbeleuchtet- hier sind wir alleine. Nur zwei Kinder schauen uns neugierig zu, wie wir im Wind unser Zelt auf einer Betonterrasse zwischen den Metallstreben aufstellen. Aber der Wind wird immer heftiger. Das wird zu kalt! Nachts sinken die Temperaturen zwar nur auf ca. 8 Grad ab, aber im Wind ist es noch kaelter. So sucht Renata im letzten Tageslicht einen neuen Stellplatz und findet unter einer Treppe, in einer sauberen Ecke an den Haeuschen, eine windgeschuetzte und daher waermere Stelle. Ich trage das Innenzelt einfach komplett hinueber und wir konstruieren dem Hund im Vorzelt wieder eine Nestecke, die er nach dem Abendbrot auf der Treppe auch sofort bezieht. Als Badeplatz hat Renata einen Gartenschlauch ueber dessen Hahn drapiert und hier werden auch die Zaehne geputzt. Die Nacht ist warm und ruhig, aber am fruehen Morgen muss ich mich wieder mal heftigst uebergeben- ich habe laengst aufgehoert, mich zu fragen, warum ich diese Systemprobleme habe. Danach ists dann auch wieder o.k.. Morgen wollen wir uns weiter Richtung Mersin vorarbeiten.
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