12/9/2002 Tuerkei / Mersin
Ein Paket im Niwana
Ein verlorener Tag in Adana
(Harald und Renata) Ich erfrage beim morgendlichen Strandspaziergang die Abfahrtzeit des Fernbusses nach Adana: 10 Uhr. Renata und ich fruehstuecken direkt unten am kleinen Hafen des Ortes, in der aufgehenden Sonne. Wir sitzen allerdings wegen des Hundes wieder vor der Tuer im heftigen Wind. Es gibt eine leckere, scharfe Huehnersuppe mit gezopptem (getunktem) Brot, dazu essen wir schamlos die selbst eingekauften Lebensmittel. Als ich ab 9.40 Uhr an der Haltestelle warte, erfahre ich, dass der Bus nicht hier, sondern ab Silifke faehrt. Aha! Also nehme ich einen Dolmusch, einen der Minibusse. Der Ueberlandbus faehrt dann erst um 10.30 Uhr ab und nach ueber drei Stunden Fahrt bin ich in Adana. Die Strecke fuehrt an immer neuen Ruinen aus antiken Zeiten vorbei. Die ganze Kueste entlang reihen sich solche Orte, einer an den anderen: Aphrodisias, Seleukia, Korykos. Die Strasse geht oft direkt zwischen den historischen Bauten hindurch und die umliegenden Haeuser sind unverkennbar z.T. aus den gleichmaessigen, hellen Quadern der roemischen Aera gebaut. Zu keiner Zeit, bis heute, wurde je wieder eine solche Baukunst so weit verbreitet erreicht. Die Aesthetik und Regelmaessigkeit, die sorgfaeltig ausgewaehlten Standorte, die durchgeplante Stadtordnung der roemischen Zeit sind unuebertreffbar. Was fuer ein qualitativer Niedergang dazu z.B., ueber 1000 Jahre spaeter, im Mittelalter, betrachtet man z.B. viele Burgen, Bruecken oder Strassen, die zu dieser Zeit gebaut wurden. Vom Busbahnhof geht ein Servicebus zum Flughafen. Neben mir sitzt ein freundlicher, junger Tuerke, der sich um meine Belange bemueht. Er haelt den Bus fuer mich am Flughafen an. Leider an der Rueckseite, am Rollfeld. Ein sehr ruhiger Flughafen, nicht viel los hier. Ein Verkehrspolizist zeigt uns die Richtung zum Haupteingang, aber mein Begleiter erklaert, der Flughafen sei geschlossen. Aha! Wie bitte? Am Haupttor schaue ich gen Himmel: kein einziges Flugzeug zu sehen. Mir schwant Uebles. Am Schalter von Tuerkish Airlines erklaert man ebenfalls, der Flughafen sei seit Anfang Dezember wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. So langsam werde ich unruhig. Wie kann dann unser Paket hier angekommen sein? Wir sollen nebenan ins naechste Gebaeude gehen. Das ist dann leider einen Kilometer entfernt und am Schalter herrscht grosses Erstaunen ueber mich und meinen Wunsch, der Flughafen sei...Ja, ja! Weiss ich. Aber wo, bitte schoen, ist dann Flug TK 1528/06 am Donnerstag gelandet? Ein junger, verlegen grinsender Mitarbeiter erklaert mir, nach Pruefung im Computer, mein Paket sei in Istanbul. Aha! Interessant. Nun, frage ich mit einem Rest Geduld, wie ich denn zu meinem Paket kommen soll. Vielleicht per Bus nach Istanbul fahren? Das waere dann ungefaehr die Entfernung Berlin-Rom. Das Paket kaeme am Dienstag per LKW, heisst es. Vielleicht. In den Bergen liege Schnee, sie verstehen? Aha! Sehr interessant. Es war vier Tage Bairam, Fastenbrechen, kein Fahrer arbeitet da logischerweise. Muss man verstehen. Ich bin stinksauer. Das mussten die Mitarbeiter der Airline in Duesseldorf doch gewusst haben. Der Zielflughafen geschlossen, vier Tage keine Gepaecktransporte. Ich will den Chef sprechen. In dessen Buero wird mir freundlich ein Platz, die Hand und Tschai angeboten. Aber der Chef des Cargos spricht nicht Englisch und mein Verlangen, wenigstens die Kosten des Bustransfers zu uebernehmen, weist er zurueck. Das muessen wir bezahlen. Unter Umstaenden zwei Tage in einem Hotel in Adana zu warten, bis das Paket vielleicht ankommt, macht keinen Sinn. Also muss ich sofort zurueck. Mein netter Helfer und ich werden zur Bushaltestelle gefahren- das wars an Hilfe. Ich nutze die Wartezeit am Busbahnhof, um mir neue Turnschuhe zu erhandeln, denn die alten sind, seit der Hundeattacke in Melletsch, in einem fransigen Zustand. Als ich nach zehn Stunden wieder in Taschudschu bin, hat Renata allerlei Erledigungen gemacht und erzaehlt mir begeistert, wie viel Spass sie mit Karabasch beim Versteckspielen hatte. Einmal mehr wundere ich mich ueber die schnelle Auffassungsgabe unseres Lieblings, mit dem doch wahrscheinlich nie jemand gespielt hat. Der Wind ist noch staerker geworden, orkanartige Boeen fegen durch den Ort. Als ich abends diesen Tagebucheintrag schreibe, faellt der Strom aus und die ganze Arbeit war fuers Erste vergebens. Frust. Morgen vielleicht. In der Pension gibt es mangels Sonne fuer die Kollektoren auch kein warmes Wasser zum Duschen oder Waschen- und keinen Strom. In der Nacht wachen wir staendig auf, weil der Wind durch alle Oeffnungen des Eckzimmers pfeift- selbst den Hund muessen wir mit einer Decke zudecken. Wir schlafen in langen Hosen, Pullovern, Struempfen, drei Decken uebereinander. Am Morgen ist selbst Renatas Kopf in den Deckenbergen verschwunden. Wir fuehlen uns wie am Ende der Welt. Hier ist der Hund begraben. Morgen wollen wir weiter.
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