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Reisetagebuch

12/11/2002   Tuerkei / Mersin

Im Pyjama auf dem Rad stromwaerts

Aufbruch im Sturm / ein echter Champion

(Harald und Renata) Wir versuchen heute erneut warmes Wasser zu bekommen- leider Fehlanzeige. Schreiben im Netcafe- dito. Es ist kalt, windig, nass.

Wir bereiten die Abfahrt vor. Dazu ziehen wir so ziemlich alles an, was wir an Kleidung haben: vier Schichten Oberbekleidung, lange Wollstruempfe, die Renata am Vortag gekauft hat, Muetzen plus Kapuzen und zwei Hosen uebereinander. Renata laesst gar gleich ihre Pyjamahose an.

Hier gibt es keine Wollmuetzen oder Handschuhe, weshalb ich ueber die Fahrradhandschuhe zusaetzlich meine Socken stuelpe. Das Schalten ist zwar etwas schwieriger und insgesamt sehe ich aus wie das Michelin-Maennchen, aber so fuehlen wir uns gewappnet.

Unser Wirt warnt uns vor den Boeen, aber wir wollen ins Land des Stroms zurueck, stromwaerts sozusagen.

Der Wind kommt aus sieben Uhr, d.h., von links hinten. Sogar der Hund laeuft leicht schraeg, und an Renatas Rad vor mir erkenne ich unsere eigene Schraeglage. Zweimal weht eine Boee Renata von der Strasse. Aber wir legen die Ohren an und strampeln weiter. Karabasch laeuft ohne Schuhe ueber zwanzig Kilometer an einem Stueck. Silifke ist die erste Stadt der Ebene, die sich bis in den Golf von Iskenderun hinzieht. Es geht also nur noch leicht auf und ab, die Strasse ist breit und glatt, der Wind legt sich nach und nach.

Keinen Blick haben wir fuer die Burgen von Silifke und Kesskalesi und die vielen Stadtruinen dies- und jenseits der Strasse. Den Kopf gesenkt, die traenenden Augen zusammengekniffen, die Lenker umkrampft, treten wir in niedrigen Gaengen voran.

Weil wir spaet losgefahren sind, muessen wir heute ueber drei Stunden im Dunkeln fahren, um gegen 20 Uhr Erdemli an der Kueste zu erreichen. Unsere groesste Sorge gilt dem Hund, der immer wieder quer ueber die Strasse laeuft, weil etwas zu erjagen ist oder ein Hund bellt. Dann gibt es ein kurzes Donnerwetter und spaeter viel Lob, wenn er rechts der Raeder laeuft. Im Dunkeln ist das schwarze Tier trotz des Halstuches fast unsichtbar.

Im Zentrum von Erdemli suchen wir ein Hotel. Drei Frauen fuehren uns zu einer Unterkunft nahe an der Kueste, wobei eine "Heil Hitler" sagt. Das ist alles, was Sprachunkundige oft behalten haben. Renata kennt das aus Polen, aus ihrer Kindheit und ich aus meiner Polenreise Anfang der Achtziger. Noch vor Oliver Kahn ist Hitler der bekannteste (Vermeintlich-) Deutsche.

Abgesehen davon geniesst hier der oesterreichische Gefreite bei manchem ein hohes Ansehen als grosser Staatsmann und wird gerne mit Atatuerk verglichen. Zu Diktatoren hat man hier eine andere Einstellung, da man die Macht und Staerke achtet, die solche Figuren verkoerpern.

Es gibt wieder kein warmes Wasser und so ziehen wir weiter, fahren die Strasse zurueck und quartieren uns in einem Hochhaushotel an der Hauptstrasse ein.

Auch dieses Zimmer ist eiskalt und im Bad fehlt das Glasfenster. Hinter dem Fliegengitter steckt ein Vogelnest und es zieht fuerchterlich. Das Wasser ist nur lauwarm, statt, wie zugesagt, heiss und erreicht den Koerper als kuehler Spruehregen. Wir bibbern und frieren, zaehneklappernd schichten wir Kleidung uebereinander und schluepfen mit kalten Nasen und Fuessen unter eine Decke.

Karabasch peilt ebenfalls ein drittes Bett an, aber das verhindern wir. Sich des Verwerflichen ihres Tuns irgendwie im Klaren, stellt sie erstmal probehalber eine Pfote aufs Bett, die Ohren abgeklappt und schielt zu uns rueber, was wir von diesem zaghaften Antrag halten...Koestlich.

Sie ist heute vierzig Kilometer ohne die Schuhe gelaufen, insgesamt 18 Kilometer habe ich sie in der Holzkiste kutschiert, wobei sie einmal waehrend der Fahrt raus sprang und stuerzte. Aber die Kiste funktioniert gut genug und wir wollen bis Adana weiterfahren.

In der Nacht werden wir wach, weil unser Champion unruhig ist. Erst als wir sie mit einer Decke waermen, schlaeft sie durch.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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