12/21/2002 Syrien / Latakia
Dschemm
Wir bringen dem Kommandanten der Jandarma Glueck und der laedt uns ein.
(Harald und Renata) Am Morgen geht es Richtung Berge und Syrien. Als wir abmarschbereit sind, kommen wir auf die Idee, Rene unsere Diafilme und eine CD voller Fotos mit nach Holland zu geben. Wir haben Vertrauen zu ihm. Als wir aufsteigen wollen, steht er vor uns und erklaert sich bereit, uns diesen Freundschaftsdienst zu erweisen. In den Filmrollen koennten ja auch andere Inhalte sein- Drogen oder Fotos militaerischer Einrichtungen z.B. und so muss er auch Vertrauen zu uns haben. Noch ist allerdings ungeklaert, wie die Filme dann von Utrecht nach Krefeld kommen. Aber dort sind sie sicherer als in unserem Gepaeck. Kurz vor Verlassen der Stadt im strahlenden Sonnenschein fruehstuecken wir in einem schicken Kaffeehaus und sind ganz angetan vom Ambiente-Mix aus europaeischem und tuerkischem Flair. Ein schoener Abschied von Antakya. Es geht steil aufwaerts. Kari kann gemuetlich neben uns gehen. Ueber Harbiye geht es weiter hoch, in den Schnee. Der liegt schliesslich kniehoch. Die Strassen sind frei, wenn auch schmal. Und es stellt sich nach und nach eine erholsame Stille ein, denn es faehrt kein LKW mehr und die wenigen PKW-Fahrer hupen nicht mehr so haeufig, winken stattdessen. Der Schnee daempft alle Geraeusche und ueberdeckt den Schmutz. Rundum schweift der Blick mit zunehmender Hoehe immer weiter. Alle Gipfel sind schneebedeckt, teilweise in den Wolken, Sichtweite ueber 30 km. Kari ist voellig verrueckt nach dem Schnee, den sie von der heissen Suedkueste her nicht kennt. Nie haben wir beide einen Hund derart ausgelassen gesehen: Kari reibt sich endlos die Wangen auf der eisharten Schneeoberflaeche, rutscht und schlittert wie ein Kind hangabwaerts, buddelt Loecher, schnueffelt hinein, rennt auf und ab und hat endlosen, erstaunten Spass daran, ploetzlich mit den Pfoten durch die harte Oberflaeche zu brechen. Sie leckt und frisst den Schnee und wir vergessen vor lauter, lauter weiter zu fahren. Was fuer eine Freude uns das beschert, wie wir lachen! Wir kommen in dieser grandiosen Landschaft nur langsam vorwaerts. Als die Sonne untergeht, haben wir noch 40 km vor uns. Da es hier keine Hotels gibt, planen wir, dass Zelt im Schnee einzugraben und suchen einen windgeschuetzten Platz. Bei Schenkoe steht ein Wachtposten der „Jandarma“, der tuerkischen Militaerpolizei, auf Posten vor der kleinen Kaserne. Er laedt uns aufs Gelaende ein, damit wir uns waermen koennen und ruft mit seiner Trillerpfeife den Sergeanten herbei. Der fuehrt uns ins Wachhaus, wir trinken Tee und werden warm. Dann erscheint der Kommandant, vor dem alle stramm stehen. Der Mann laedt uns in seinen eigenen Aufenthaltsraum ein, Kari schlaeft derweil draussen im Haenger. Der Stellvertreter des Kommandanten spricht ein paar Brocken Englisch und es entwickelt sich wieder die Gestikulationsunterhaltung, die wir schon so oft gefuehrt haben. Dschemm heisst der Offizier, ist erst 30 Jahre alt und voellig verwundert, dass ich nur 2 Jahre aelter als seine Mutter bin. Er hat Lotto gespielt und erwartet um 22 Uhr die Ziehung der Zahlen im TV und erhofft sich Glueck durch unsere Anwesenheit. Wir bekommen belegte Brote und sind bald warm wie frische Broetchen. Wir haben noch kein Nachtquartier, denn in Jandarma-Kasernen kann man natuerlich nicht uebernachten, schon gar nicht als Nicht-Tuerke. Aber wir haben in der Tuerkei gelernt: „Jawasch, jawasch!“ Meint: Immer langsam mit die jungen Pferde. Dschemm ist wissbegierig, fragt alles Moegliche. Und dann werden die Lottozahlen gezogen und eine Zahl nach der anderen stimmt- Dschemm rastet voellig aus, springt herum, umarmt mich stuermisch, "Harry, Harry!" rufend und begierig kontrolliert er seine Scheine. Wir muessen als Gluecksbringer dabei neben ihm sitzen und tatsaechlich gewinnt er viel Geld. Uns fallen die Augen zu. Und wie selbstverstaendlich bekommen wir die Schlafkammer der beiden Offiziere, waehrend diese stattdessen auf den Couchen schlafen und Kari darf sogar mit in unser Zimmer. Was fuer ein Tag !
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