12/22/2002 Syrien / Latakia
Syrien !
Wir verlassen die Berge und die Tuerkei / eine Belastungsgrenze
(Harald und Renata) Am Morgen gleisst die Sonne im Schnee vor dem kleinen Posten. Was fuer ein aussergewoehnlicher Arbeitsplatz! Dschemm unterstehen ca. 20 Soldaten, die vor ihm richtig spuren. Ich zettele mit den durchweg jungen Soldaten eine Schneeballschlacht an und werde eingeseift. Dann fruehstuecken wir mit den beiden Offizieren und brechen frohgemut auf. Fotos duerfen wir nicht machen, dass ist verboten. Aber auch so wird uns dieser letzte Tag in der Tuerkei unvergessen bleiben. Die Luft ist trocken und kalt, aber die Sonne brennt derart, dass wir unsere Oberbekleidung auf langarmige T-Shirts reduzieren koennen. Wir schaetzen unsere Hoehe hier auf ca. 800 Meter. In den Taelern unter uns liegt kein Schnee. Dann umfahren wir nach und nach den 1728 m hohen Djebel al-Aqra, den heiligen Berg der Antike. Wir erreichen am Nachmittag Jailadahi, den letzten Ort vor der Grenze. Hier liegt kein Schnee mehr. Wir muessen unser letztes tuerkisches Geld ausgeben und essen nochmals den immer wieder gern genommenen Doener, kaufen Obst und Wasser und Suessigkeiten. Die letzten 5 km hinter dem Ort fuehren uns durch einen stillen, gruenen Kiefernwald. Kein Grenzverkehr, keine LKWs. Man sollte nicht meinen, dass dies einer von nur zwei Uebergaengen auf 250 km Grenzverlauf ist. An der Grenze erhoeht sich die Spannung. Wird es Probleme wg. Kari geben? Das wird uns auch von den tuerkischen Zoellnern geweissagt. Auf der syrischen Seite ist es verschlafen ruhig. Es wird dunkel. In einem Postenbuero sitzen drei Grenzsoldaten an einem Gussofen. Nach den unvermeidlichen Fragen: „Waren sie schon mal in Israel? Werden sie nach Israel reisen?“ - duerfen wir sofort passieren. Die Einreise dauerte ueber eine Stunde, dieser Akt 10 Minuten. Die Schranke geht hoch und ein freundlicher Herr sagt: "Welcome in Syria!" Und niemand hat sich fuer Kari interessiert. Wieder mal alles heisse Luft. Direkt hinter der Grenze verbluefft uns ein grosses Schild: "London-Capetown Adventure Drive". Wenn man bedenkt, dass wir ja urspruenglich von London aus starten wollten, ist das schon ein seltsamer Zufall. Und so frueh ein Hinweisschild zum Ziel, ausgerechnet in Syrien! Es ist zu dunkel, um einen Zeltplatz zu suchen und wir sind alle abgekaempft. Man hatte uns gesagt, dass hinter der Grenze Hotels seien. Aber ausser einem Hinweisschild finden wir nichts. So schieben wir die Raeder bergauf Richtung Kassab, dem Grenzort, dessen Lichter verdaechtig hoch ueber uns blinken. Und es geht 6 km furchtbar steil aufwaerts. Man stelle sich vor, Raeder mit 30 kg Gepaeck 300 Garageneinfahrten hoch zu schieben und dass nach 40 km Bergtour. Oben zittern mir die Beine und Renata lehnt voellig erschoepft auf der Lenkertasche. Und wie gross unser Erstaunen, als im Ort die Strasse weihnachtlich geschmueckt ist, Geschenkverpackungen in den Schaufenstern liegen. Und keine verschleierte Frau auf den Strassen zu sehen ist. Im einzig findbaren Hotel des Ortes fuehrt ein Araber das Wort. Er laesst nur sehr bedingt mit sich handeln - wozu auch, da man uns sagt, dies sei das einzige Hotel hier. Aber als der Mann den schlafenden Hund im Haenger sieht, wird er laut und wuetend. Ich versuche zu erklaeren. Aber der Choleriker ist auch von den zahlreichen Maennern im Raum nicht zu beruhigen. Als er eine abfaellige Handbewegung macht, ist meine Geduld zu Ende. Hier werden wir keinesfalls bleiben. Und ich denke an Renes Erklaerung. Wir suchen weiter. In einem anderen Hotel sitzen am Fernseher zwei alte Maenner. Mit freundlich-verschmitzten Gesichtern erklaeren sie, dass Hotel sei geschlossen, bieten uns jedoch eine warme Mahlzeit an. Jawasch, jawasch, immer langsam. Es wird reichlich aufgefahren: grosse Hackfleischroellchen, Pommes de Frites, Kohlsalat mit Tomaten, gescherbelter Salzkaese, gegrillte Tomaten, Fladenbrot, Teigtaschen mit Kaesefuellung. Alles lecker und viel zu viel. Am Ende kostet das 10 Euro- geschaeftstuechtig sind sie denn doch. Aber sie haben herumtelefoniert und der unfreundliche Wirt des Hotels hat es sich wohl anders ueberlegt und laedt uns doch ein. Aber nach seinem Benehmen schlafen wir lieber im Zelt- so etwas ist uns noch nie zuvor passiert. Die beiden Maenner reichen mir gerade bis zur Schulter, ein richtig knuffiges Paar. Sie sind Armenier. Im Fernsehen hoeren wir neben Russisch erstmals armenisch. Renata versteht kein Wort. Die Armenier sind Christen, was die Weihnachtsdekoration erklaert und wurden von den Tuerken Anfang des letzten Jahrhunderts aus deren Staatsgebiet vertrieben. Historiker sprechen von einem Genozid. Hier in Syrien fanden viele ein neues Zuhause. Weiter oben am Berghang finden wir endlich ein Hotel. Auch hier freundliche Armenier, fuer die der Hund kein Problem ist. Es gibt zwar keine heisse Dusche, weil wir die einzigen Gaeste sind, aber einen Kessel mit heissem Wasser. Das mischen wir in einer Schale mit kaltem und uebergiessen uns damit. Waerme im Raum spendet ein kleiner Oelofen. Wir sind voellig erschoepft und versinken in tiefen Schlaf.
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