12/24/2002 Syrien / Latakia
Heiligabend in Syrien
Renata und Karabasch geht es nicht gut / Bescherung im Netcafe
(Harald und Renata) Zum Fruehstueck hole ich suesse Sachen: die Honig-Kaesetorte, die wir schon in Antalya gegessen haben, sowie Trockenkuchen mit gelbem Farbstoff, der in Europa vielleicht auf der Giftliste steht und Blaetterteigtaschen mit Pudding gefuellt. Auf der Strasse der Altstadt werden warme Muetzen, Handschuhe, Schals und Regenschirme angeboten. Dazu bunte Nikolausmuetzen und in der Innenstadt sind viele Geschaefte weihnachtlich geschmueckt. Es gibt Kirchen aller Konfessionen und ueber den Gassen baumeln Leuchtschlangen: Happy New Year 2003! Da die Muslime einen anderen Kalender verwenden als die Christen (der u.a. vom Geburtstag des Propheten Mohammed an rechnet), erscheint dies zunaechst erstaunlich. Renata hat sich erkaeltet und trotzdem tapfer in die Pedale getreten. Jetzt aber ist die Luft raus. Auch Kari ist viel zu muede und zittert staendig. Wahrscheinlich Nachwirkung der Impfungen. Im Netcafe erklaert uns der Besitzer, Kari sei ein Labrador. Fuer mich sieht sie eher wie ein Mischling mit grossem Anteil von Belgischem Schaeferhund aus. Das Internetstudio ist hochmodern und hat ISDN- Anschluss. Hier, wie scheinbar ueberall auf unserer Reise, wird "Counter-Strike" gespielt. Dabei erschiessen, erstechen oder sprengen sich in einem virtuellen Parcours zwei Parteien, meist Terroristen gegen sog. Special-Forces, gegenseitig in die Luft. Dazu rufen sich die beteiligten jugendlichen Spieler, oft Kinder, lautstark Kommandos zu. Und hier so laut, wie sie nur koennen- ein ohrenbetaeubender Laerm, der konzentriertes Arbeiten nahezu unmoeglich macht. Was lernen diese Jungs dadurch eigentlich? Mir erscheint es wie eine Verharmlosung des Toetens: Bist du tot, drueckst du "Enter" und bist wieder im Spiel. Die jubelnde Freude ueber das blutspritzende Killen des Gegners befremdet genauso, wie der scheinbar globale Erfolg dieses Spiels. Hauptimbiss ist hier "Gegrilltes Haehnchen", dazu Pommes de Frites mit Mayonnaise. Aber es gibt auch Kokosnuesse, suesse Sesamschnitten, verschiedene Nusssorten und Halva auf den Strassen. Nach einer solchen Imbisspause sitzen wir wieder im Netcafe und checken Mails. Wir sind geruehrt, wie viele Leser an uns gedacht haben. Und um sechs Uhr kommt bimmelnd der kostuemierte Weihnachtsmann und uebergibt uns kleine Suessigkeiten. Renata hat nah am Wasser gebaut und zur Feier des Tages leisten wir uns einen Anruf bei ihrer Mutter in Polen. Abends streifen wir mit Kari durch die Gassen. Auch hier haben die Leute Angst vor dem Hund. Wir muessen staendig aufpassen, weil die jungen Maenner hinter unserem Ruecken den Hund treten. Sie lachen dabei, voellig mitleidslos gegen die schwache Kreatur. In Antakya hat ein Halbstarker Kari von hinten derart fest getreten, dass sie aufheulte und sich vor Schmerzen am Boden wand, waehrend der „Held“ lachend herumalberte. Ich konnte ihm sein Tun nicht nachweisen, weil es hinter unserem Ruecken geschah und niemand bereit war, es zu bezeugen. Kari ist sehr vorsichtig, reagiert sofort auf Ablehnung. Aber die Maenner laufen ihr sogar hinterher, um zuzutreten. Hier ist es kalt, aber "wetter-online.de" sagt uns, dass es in Israel um 17 Grad warm ist. Wir wollen Richtung Sueden. "Es sind immer nur die Schwachen, welche die Schwachen verachten." Gertrud von Le Fort, dt. Schriftstellerin, 1876-1971
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