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Reisetagebuch

12/28/2002   Syrien / Homs

Saelemm und Randa aus Ainazzebdeh

Wir fahrn, fahrn, fahrn auf der Autobahn / syrische Herzlichkeit

(Harald und Renata) Zusu serviert morgens ein ueppiges Fruehstueck fuer uns zwei Fremde, die wie alte Freunde behandelt werden.

Kari hat immer noch eitrige Augen und hustet vermehrt. Wir hadern mit unserer Entscheidung, sie in der Tuerkei geimpft zu haben, weil der Impfstoff vielleicht nicht gut war. Aber Kari steckt die Krankheit recht gut weg, ist aber zusehends magerer geworden.

Als wir aufbrechen, tun wir das wieder mit nur einem lachenden Auge. Was koennen wir schon fuer Soviel zurueckgeben? Geld anzubieten waere sicher unpassend. Solche Versuche wurden in der Vergangenheit stets bruesk abgelehnt.

Ueber die sechsspurige, glatte Autobahn fahren wir weiter nach Tartus. Der LKW-Verkehr ist dicht und unangenehm, aber auf der Autobahn kommen wir am schnellsten voran. Die Ladungen der Trucks sind manchmal gefaehrlich schlecht verstaut. Klappen von Autotransportern schleifen genauso funkenspruehend ueber den Asphalt, wie Eisenstangen und Ketten, Stuecke der Ladegueter fliegen uns um die Ohren: harmloses Papier, aber auch Steine, Sand, Glassplitter und Abfallreste, die die Fahrer aus den Fenstern werfen.

Gegenwind und die Tatsache, dass Kari geschont werden und deshalb oft im Trailer zwangsverladen werden muss, ich also nur langsam vorankomme, schraubt unsere Tagesleistung herunter.

Das Wetter ist trocken, aber truebe, alles Grau in Grau. Wir versuchen uns vorzustellen, wie es hier im Sommer aussieht, um den negativen Eindruck zu mindern. An einer Bruecke liegt eine Kuh, die trotz Unfalltod niemand verwertet. Und Abfallhaufen, flatternde Plastiktueten ueberall, alle Haenge und Graeben voller Oellachen, Bauschutt, Farbreste, Plastikflaschen und Kadaver.

Wir sehen gruene Batteriesaeurelachen, Schrauben, zerfetzte Reifenreste, schaumige Wasserrinnsale in verschiedenen Farben, ganze LKW-Ladungen von Obst und Gemuese am Fahrbahnrand ausgekippt. Es ist traurig, mit wieviel Gedankenlosigkeit bestenfalls, schlimmstenfalls jedoch Verachtung die Menschen alles vermuellen und verschandeln. Und das auch direkt vor der eigenen Haustuer- tagein, tagaus geht man durch den eigenen Unrat. Das ist angesichts wunderschoener Plaetze in der Natur umso unverstaendlicher. Koennen wir das Schoene nicht ertragen?

Am Abend sind wir durch heftigen Wind erschoepft und den Verkehr entnervt und wollen ueber die Landstrasse weiter fahren, auch wenn diese staendig bergauf und -ab geht. An der Abzweigung sehen wir eine Siedlung provisorischer Unterkuenfte aus Holzlatten und Plastikplanen, zwischen denen Kinder spielen. So wohnen die Saisonarbeiter, denn hier wird auch im Winter geerntet. In den Gewaechshaeusern, aber auch im Freien, reifen jetzt Obst und Gemuese: Weiss- und Gruenkohl, Gurken, Zitronen, Pampelmusen, Orangen, Mandarinen, Kuerbisse und Tomaten, Petersilie und Radieschen.

Nur ein paar hundert Meter weiter kaufen wir wieder ein, um uns fuers Zelten vorzubereiten. Im Laden bedient uns ein rundlicher Mann mit Schnauzbart. Als wir auch hier nach einem Zeltplatz fragen, ruft er telefonisch seine Schwester herbei, die Franzoesisch spricht. Ich mobilisiere meine verschuetteten Sprachkenntnisse und lasse mich ums Haus fuehren. Nein, der Boden ist uneben. Nein, dort ist es nicht sauber und sichtgeschuetzt. Wir landen beim Nachbarn auf dem Flachdach, aber da ziehts. Also bietet man uns das Hausinnere an. Und, als waere das nicht genug, laedt uns der Ladenbesitzer zu sich ein und wir nehmen an.

Saelemm heisst er, seine Frau Randa. Mit ihren drei Kindern wohnen sie im Dorf Ainazzebdeh, an einer schoenen Allee aus riesigen Eukalyptusbaeumen, die im Sommer Schatten spenden, vor Regen schuetzen und den heftigen Wind bremsen. Das ist die schoenste Strasse, die wir bisher in Syrien gesehen haben.

Bald ist das Gepaeck im Sonntagszimmer abgestellt. Der Raum ist gesellschaftlichen Anlaessen vorbehalten und ungeheizt. Der Boden ist mit rotgemusterten Teppichen ausgelegt und von Sesseln und Couchen umringt. Wir rollen unsere Schlafmatten und die Schlafsaecke aus und weisen Kari einen Platz vor der Tuere zu.

Wieder sind wir bei Christen zu Gast, wie der Weihnachtsbaum und ein Christusbild ueber der Tuere zur Kueche zeigen. Diese ist komplett, incl. Spuelbecken, aus Marmorplatten angefertigt.

Sofort werden wir gefragt, ob wir Hunger haben. Wir verweisen auf unsere Einkaeufe. Die duerfen wir zwar auspacken, aber es wird so reichlich aufgefahren, dass wir gar nicht dazu kommen, unsere Bestaende zu schmaelern.

Saelemms Schwester Leila dolmetscht und bald trudeln nach und nach wieder Freunde, Verwandte, Nachbarn ein, die alle die Deutschen kennenlernen wollen, die mit Fahrraedern aus Deutschland gekommen sind und mit einem Anhaenger fuer einen Hund durch die Heimat gondeln und angeblich bis nach Kairo oder gar noch weiter fahren wollen.

Vor der Tuere stehen abwechselnd Kombibusse und Vans neuster Bauart: Kia, Hyundai, Mazda. Es ist stets eine lautstarke Unterhaltung- wenn man nichts versteht, kann man dass irrtuemlich im ersten Moment fuer Streit halten und schon manches Mal sind wir aufgeschreckt, weil wir dachten, gleich geht es handgreiflich weiter. Lustig ist auch, dass die Gegenueber unterbewusst zu glauben scheinen, dass man Arabisch besser versteht, wenn sie lauter sprechen. So bruellt man mir dann etwas ins Ohr, verwundert, dass ich das trotzdem nicht verstehe.

Als Gegenleistung fuer die Aufmerksamkeit erzaehlen wir ueber die Reise und zeigen Fotos und Filme auf unserer Minikinoleinwand. Wie wir Syrien finden, werden wir gefragt. Wir sind erst so kurz hier! Aber es ist das gastfreundlichste Land unserer Reise, so scheint uns. Unverhandelt korrekte Preise, Hilfe ueberall und Geld dafuer wird ohne Ausnahme abgelehnt.

Wir sollen auch morgen noch bleiben. Da wir die Burg "Qalat al-Husn" 30 km weiter besichtigen wollen, sagen wir "vielleicht". Uns laedt der eine Nachbar ein, dann der andere, dann Leila. Und so geht das weiter - wir koennten uns hier locker eine Woche durchessen und -schlafen.

Zum Abschluss wird uns wieder Mate-Tee serviert. Die gruenen Teebroesel werden im Glas aufgeschichtet, ueberbrueht, mit reichlich Zucker und Zitronensaft verfeinert und durch hohle, am Kopf loechrige Loeffelchen geschluerft. Immer neues Gelaechter loest unsere Frage aus, ob Mate berauschend wie Haschisch wirkt.

In der Nacht schlafe ich allerdings unruhig und nehme mir vor, mit Mate zukuenftig vorsichtig zu sein.

"Es gibt viel Trauriges in der Welt und viel Schoenes. Manchmal scheint das Traurige mehr Gewalt zu haben, als man ertragen kann, dann staerkt sich indessen das Schoene und beruehrt wieder unsere Seele."

Hugo von Hofmannsthal, oesterr. Dichter, 1874-1929


 

 

 

 

 

 

 


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