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Reisetagebuch

12/30/2002   Syrien / Homs

Nasser und Tabarac

Im Sturm schieben wir bergab und finden wieder freundliche Aufnahme.

(Harald und Renata) Wir wollen am Morgen zeitig los, aber so einfach geht das nicht. Ohne Fruehstueck, ohne Wegzehrung laesst man uns nicht gehen. Und beim Abschied kuessen wir Maenner uns, zweimal, rechts und links, in die Luft, an den Wangen vorbei. So oft wie heuer hatte ich noch nie baertige Wangen an meinen.

Alle sind auf der Strasse und winken, als wir losfahren. Uns schwant Uebles, als wir schon nach ein paar Metern zu Schwitzen anfangen, weil wir Gegenwind haben. Es ist gar nicht kalt, aber bedeckt und der Wind fegt die langen, haengenden Zweige der Eukalyptusbaeume umher. Sand wirbelt durch die Luft und die Szenerie erinnert mich an die Schlussszene aus "Das Schweigen der Laemmer".

Nach wenigen Kilometern endet die Allee und der Wind wird noch staerker. Es geht bergab, aber wir koennen nicht mehr fahren. Der Anhaenger faengt den Wind so stark, dass ich glaube, jemand halte mich fest. Wir muessen also abwaerts schieben! Und so geht das dann die naechsten 20 km. Stellenweise muessen wir, die Gesichter dem Wind abgewandt, einfach stehen bleiben und warten. Renata kippt zweimal um, der Hund legt die Ohren an und zwinkert, schliesslich will er nur noch in den Trailer. Aber dann kann ich die Anstiege nicht mehr bewaeltigen. Wir gestehen: Wir bruellen, um uns selbst anzutreiben, auch mal vor Wut. Und umarmen uns, um uns Mut zu machen und zu troesten. Es ist eine furchtbare Quaelerei heute.

Als am Nachmittag der Wind nachlaesst, schmerzen meine Beine rundherum, der Ruecken, die Handgelenke.

Renata haengt erschoepft ueber der Lenkertasche. Rien ne va plus! Nur: Was nutzt es? Wir brauchen einen Zeltplatz und der laesst sich, selbst bei Tolerierung allen Schmutzes neben der Autobahn, nicht finden. Es ist schraeg oder steinig oder schlammig oder zu belebt. Also muessen wir weiter. Der naechsten Ortschaft trauen wir auch keinen guten Platz zu, aber als es dunkel wird, duerfen wir nicht mehr waehlerisch sein.

Also fahren wir konsequent von der Autobahn ab und gleich das erste, weisse Haeuschen gefaellt uns. Mit schwarzen und tuerkisfarbenen Streifen bemalt, macht es einen sauberen Eindruck. Als wir von den Raedern steigen, um nach einem Platz fuers Zelt zu fragen, haelt ein Motorroller mit zwei Maennern in traditioneller Tracht an. Man spricht kein Englisch, aber Pantomime und das Zeigen der Zeltplane hilft und der Sozius erweist sich als der Hausherr des netten Bungalows und laedt uns ein. Es ist unglaublich: Egal, wo wir sind, egal ob orthodoxer Armenier, arabischer Christ oder Moslem - wir sind immer sofort eingeladen.

Der Mann fuehrt uns ins Haus, Kari schlaeft im Haenger. Ihr laeuft die Nase, sie niest und hustet. Ich habe sie heute so viel wie moeglich geschont, Renata hat dafuer die schwere Zelttasche gefahren.

Das Haus hat nur zwei Raeume, eine Kueche und eine winzige Toilette. Im ersten, grossen Raum, der nur ohne Schuhe oder mit gereichten Pantoffeln oder Badelatschen betreten werden darf, liegt ein grosser Teppich, auf dem, entlang dreier Waende, flache Futons liegen. Zwei rechteckige, harte Polster werden als Armstuetzen benutzt, wenige Kissen als Rueckenstuetze. An den Waenden haengen Rueckenpolster, sonst sind die Waende kahl, Licht gibt eine Neonroehre. Man sitzt also auf dem Boden und hier wird auch sogleich ein winziges Taeschen Kaffee angeboten, aus dem alle gemeinsam einen teeloeffelgrossen Schluck satzartigen dieses Mokkas nehmen.

Dann gibt es Tschai, stark gezuckert. In der Mitte des Raumes steht ein gusseiserner Oelofen, dessen Pipe zur Decke und dann schraeg durch den Raum nach draussen fuehrt. In einer Ecke steht ein Weihnachtsbaum mit blinkenden Lichtern, ein Automat spielt leise ununterbrochen Weihnachtslieder ab. Wir sind bei Moslems zu Gast, aber Weihnachten gibt es trotzdem - weils so schoen ist.

Der Gastgeber ist der Chef des Hauses. Seine Frau und die vier Kinder reichen an, raeumen ab. Er heisst Nasser, ist vierzig Jahre alt und erstaunt, dass ich aelter bin als er, aber keine Kinder habe. Renata wurde schon auf Mitte Zwanzig geschaetzt - die Wohlstandsgesellschaft hat uns gut erhalten, scheints.

Seine Frau heisst Tabarac und wir verwerten unsere ersten Arabischkenntnisse: "Schukran" heisst Danke, "Salem-a-laikum" sagt man zur Begruessung und zum Abschied, "Marchaba" heisst Hallo, "Tammam" bedeutet o.k. und "Lah" heisst Nein.

Die aelteste Tochter ist sechzehn und heisst Kati. Tabarac selbst war erst sechzehn, als sie ihr erstes Kind bekam. Aber Kati lehnt solches Ansinnen auf Nachfrage lachend ab. Sie spricht als Einzige etwas Englisch und so ist sie schwer beschaeftigt.

Was sind wir von Beruf, wohin fahren wir? Wir haben aufgehoert, von Afrika zu sprechen, weil uns dass eh nicht geglaubt wird. Aegypten sei unser vorlaeufiges Ziel und von Israel sagen wir natuerlich auch nichts.

Und was kostet Dies und Das und was machen wir nach der Reise. Ja- was eigentlich? Wir werden halt sehen.

Es gibt Abendessen auf dem Boden. Wie die alten Roemer sitzen oder liegen wir auf der Seite. Wir albern viel herum, unser Gastgeber lacht so gerne wie alle unsere Reisefreunde. Die Missverstaendnisse und Doppelbedeutungen von Silben aus dem Arabischen und anderen Sprachen bieten genug Zuendstoff zum Lachen. Und die gegenseitig fremden Gewohnheiten auch.

Wir sollen hier im Raum schlafen, aber Kari muss draussen bleiben. Der Haenger ist mittlerweile in den Flur vorgerueckt, aber als wir in den Schlaf- und TV-Raum umziehen, springt sie staendig heraus und mobilisiert Tabarac und die Kinder. Man lacht, aber...

Kari kann unmoeglich in der Kaelte schlafen und so erklaere ich, dass wir drei draussen im Zelt schlafen. Aber das laesst man nicht zu und am Ende sind wir mit Kari im Wohnzimmer, bekommen zwei warme Decken und sind es zufrieden.

Das war ein harter Tag, eine Probe fuer unseren Zusammenhalt.


 

 

 

 

 

 


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