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Reisetagebuch

1/10/2003   Syrien / Homs

Scheiden tut weh

Wir reisen ab und fahren durch die Wueste

(Harald und Renata) Am Morgen ist unsere Familie nochmals beim Fruehstueck vereint. Mittlerweile haben wir gelernt, wie wir ohne Messer, Gabel und Loeffel alle angebotenen Speisen auf das duenne Brot bekommen: man reisst kleine Stuecke ab und schaufelt Fluessiges, wie z.B. den Joghurt, in eine Art Minibrottuete, Festes, wie Kaese und Ei, wird mit dem Brot zerdrueckt und stueckchenweise aufgegriffen.

Der fertig gesuesste Tee wird in kleinen Glaesern gereicht. Zweierlei Sorten Oliven, selbstgemachte Aprikosenmarmelade, Lauch, Tomaten und als Abschluss ein starker "Tuerkischer" Mokka mit Satz und viel Zucker lassen den Geniesser den Tag als Gewinner starten.

Alle wissen spuerbar, was dann zwangslaeufig kommt. Wir haben gepackt, die Fahrraeder werden aus dem Hof des Verwandten gegenueber geholt und der Anhaenger montiert. Ein paar letzte Fotos werden gemacht, wir Maenner kuessen uns und die Frauen sich - auch wenn wir als "Bruder" und "Schwester" bezeichnet werden, so gibt es da eine unsichtbare Barriere. Alle haben Traenen in den Augen, auch die Hartgesottenen. Beim Umarmen Nadihms muss ich mich arg strecken, um meinen kleinen Bruder zu umfassen. Er verspricht, uns in Damaskus zu besuchen und wir sagen zu, im Jahre 2004 wieder zu kommen.

Als wir aufbrechen, ist Kari die Einzige, die sich richtig freut.

Wir kaempfen uns stadtauswaerts durch den Verkehr, wobei der Hund mittlerweile den Bogen raus hat und ueber den Buegersteig laeuft, mit zahlreichen Seitenblicken stets sichernd, ob wir auf gleicher Hoehe sind.

Wir fahren ueber den Seitenstreifen der zweispurigen, glatten Autobahn. Kari ist jetzt so diszipliniert, dass sie nur noch selten auf die Fahrbahn laeuft.

Die Sonne scheint, es weht uns ein heftiger Wind entgegen. Die Kiefern auf unserer Strecke sind vom, wohl stets aus der gleichen Richtung wehenden Wind, deutlich gezeichnet- stark geneigt und einseitig fast kahl.

Ich fuehle mich krank. Die juengste Tochter hatte eine Grippe und mir wohl etwas davon abgegeben. Jedenfalls habe ich Kopfschmerzen und komme nicht voran.

An der Strecke sehen wir seltsame, runde Haeuschen mit Kegeldaechern; wozu sie dienen, ob sie bewohnt sind, koennen wir nicht erkennen.

Der Bewuchs wird weniger, schliesslich sind wir von einer rot-hellbraunen, steinigen Wueste umgeben, die in ein paar Kilometern Entfernung durch kahle Berge begrenzt wird. Die Bergkette rechts der Strecke heisst "Anti Lebanon" und ist die natuerliche Grenze zum Libanon, mit dem Syrien sehr eng und freundschaftlich verbunden ist. Viele verwandtschaftliche Bindungen, sowie ein reger Handel (und Schmuggel) verbinden die beiden Staaten. Die Grenze beider Staaten nach Israel ist unpassierbar. Aber wir wuerden als EU-Mitgliedsbuerger an der libanesischen Grenze Visa bekommen- nur waeren dann bei Wiedereinreise neue Visa fuer Syrien faellig. Also sehen wir nur sehnsuechtig die Flugzeuge, die an der Kueste in Tripoli gestartet sind, mit weissen Kondensstreifen ueber unsere Koepfe durch den stahlblauen Himmel fliegen.

Der Boden ist lehmig und somit fruchtbar. Einzig die zahlreichen Steine in den Boeden und der Wassermangel stehen hier einer landwirtschaftlichen Nutzung der Wueste im Wege.

Als wir eine kurze Pause machen, um ein paar Kekse einzuwerfen, kommen aus dem Tor eines nahen Produktionsgelaendes sofort zwei Maenner zu uns und laden uns zum Tee ein. Als wir ablehnen, weil wir schnell weiter wollen, werde ich geradezu grob am Arm gezerrt - wir sollen unbedingt mitkommen. Als wir hart bleiben, ziehen die Beiden sichtbar entruestet von dannen. Das kann man hier einfach nicht machen, eine Einladung ausschlagen!

Mit mir ist heute kein Staat zu machen - ich bin staendig ausser Atem. Gegen drei Uhr steht die Sonne schon tief und es wird kuehler. Wir ziehen Wollhandschuhe an und die Muetzen auf. Kari ist wieder ueber 25 km gelaufen und peilt vermehrt den Anhaenger an. Aber heute kann ich sie beim besten Willen nicht lange ziehen.

Als die Sonne gegen 16.30 Uhr untergeht, biegen wir von der Autobahn ab und fahren in einen Kalksteinbruch. Hinter den haushohen Haufen aus Kies und weissem, broeckligem Kalkgestein ist der Verkehrslaerm ertraeglich und es etwas windstiller. Am Ende einer Fahrspur der Kieslaster schaffen wir mit viel Muehe eine einigermassen ebene Flaeche, klauben die spitzen Steine aus dem Lehmboden. Mit den Fuessen hangabwaerts muesste der Platz beschlafbar sein. Direkt hinter dem Zelt geht es einige Meter steil abwaerts. Hier wurde mit grossem Aufwand eine Abflussrinne fuer die Fruehjahrsmuhren geschaffen. Wenn bei steigenden Temperaturen der Schnee schmilzt oder es stark regnet, kann der kahle Boden die Wassermassen nicht aufnehmen. So schiessen dann grosse Massen Wasser mit Schlamm und Geroell lawinenartig gen Tal und reissen alles mit sich. Die vielen zerstoerten Betonbefestigungen solcher Abflussgraeben zeugen von der Gewalt solcher Abgaenge.

Mit einem Mal wird es richtig kalt und Nebel zieht auf, die Sichtweite betraegt bald nur noch fuenf Meter.

Damit uns nachts kein Auto hier hoch folgen kann und man uns entdeckt, baue ich weiter unten eine Barriere aus dicken Brocken.

Das Wasser ist knapp, weshalb das Zaehneputzen recht trocken ausfaellt und nur eine Katzenwaesche moeglich ist.

Fuer die Huendin ist es zu kalt, um im Anhaenger zu schlafen Deshalb bauen wir ihr ein Nest im Vorzelt aus den Gepaecktaschen und den restlichen Plastikfolien als Windschutz. Dann schluepfen wir, samt Kleidung und Muetzen, unter die Decke und in die Schlafsaecke. Trotzdem muessen wir beide in der Nacht zusaetzlich die Parkas anziehen, um nicht auszukuehlen.

Geschrieben am 20.1.2003 in Damaskus


 

 

 

 

 

 

 

 

 


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