1/11/2003 Syrien / Hisyah
Lady Di in der Boutique
Ein Beinaheunfall und eine wichtige Begegnung
(Harald und Renata) Am Morgen ist alles so nass, als habe es geregnet. Die Decke, die Schlafsaecke und die Kleidung sind von der Feuchtigkeit durchdrungen. Der Nebel verzieht sich erst nach und nach und weicht der Sonne, die unsere Sachen und das Zelt trocknet. Hinter dem Kieshuegel kommt ein Mann aus dem Nebel hervor, der neugierig alles begutachtet und uns auf die Finger schaut. Scheinbar ein Waechter der Baustelle, der aber nichts gegen unsere Anwesenheit einzuwenden hat. Schliesslich, als wir abfahrtbereit sind, laedt er uns zum Tee ein. Wir haben am Vorabend unsere letzten Lebensmittel vertilgt und nun nichts mehr zum Fruehstueck. So kommt die Einladung gerade recht. In seinem winzigen Betonhaeuschen sitzen wir auf einem Stueck Styropor auf dem Boden und der freundliche Mann kocht auf einem winzigen Elektrokocher Tee. Dafuer wirft er extra einen riesigen Generator an. Es wird nicht viel gesprochen- wir leisten uns einfach Gesellschaft. Man stelle sich nur vor, wie Wachpersonal in Deutschland in vergleichbarer Situation reagiert haette. Erst gegen halb zehn fahren wir ab. Der klebrige Kalk hat Zelt und Schuhe eingekleistert und Kari hat weisse Pfoten. Es geht weiter durch die Wuestenlandschaft. Der dichte Verkehr flutet an uns vorbei und das uebliche ohrenbetaeubende Gehupe begleitet uns, sobald wir in Sichtweite der Autos sind. Auf den Wipfeln der nahen Berge liegt Schnee und auch heute weht uns ein starker Wind ins Gesicht. Seltsam, da wir doch seit Homs unsere Fahrtrichtung um 90 Grad geaendert haben und uns schon dort der Wind entgegen blies. Wir muessen wieder schieben, weil an Fahren nicht zu denken ist, denn es geht auch leicht bergauf, was wir anfaenglich gar nicht bemerkt haben. Ich bin fiebrig und dauernd ausser Atem. Irritierend ist, dass ich gehen will, aber einfach nicht kann. Wir muessen etwas essen und so steuern wir nach acht Kilometern die naechste Siedlung an. Es ist ein Dorf am Hang, bestehend aus Lehm- und Betonhaeusern, alles erdfarben. Aus diesem Farbeinerlei stechen die bunten Kopftuecher und Umhaenge der Frauen hervor. Die ganze Dorfjugend laeuft zusammen, so scheint es. Bald sind wir von ca. 30, 40 Kindern umringt. Einer reitet ein staubiges Pferd mit Holzsattel, zwei andere einen Esel, der mit einer Holzlatte staendig gegen den Hals geschlagen wird, damit er vorangeht. Kari mault die Reittiere an, bis wir sie in den Haenger bugsieren und diesen verschliessen, als wir wieder die ersten Steine in den Haenden der Halbwuechsigen sehen. Wir fragen uns zu einem winzigen Ecklaedchen durch, vor dem ein alter Mann sitzt und uns willkommen heisst und die Kinder auf Arabisch zurechtweist. Drinnen gibt es nicht viel zu kaufen. Aber ein paar Kekse und eine Buechse Salamifleisch fuer Kari sind zu haben. Dabei erscheint eine Frau, die uns zum Tee einlaedt. Renata nickt und so gehen wir um die Ecke. Ich lasse sie meist, oft per Augenkontakt, fuer uns beide entscheiden: vertrauenswuerdig oder nicht? Die Frau hat einen Laden mit allerlei Tand, etwa 1,5 x 2,5 Meter gross, vor allem gebrauchte Kleidung und Plastikspielzeug wird angeboten. Ueber einer Wandnische mit Glasregalen haengt ein Foto von Prinzessin Diana und die nette Frau zeigt auf ihr Herz und ballt beide Faeuste darueber zusammen: Die liebe ich! Nach und nach stellen sich ihre drei Kinder in dem kleinen Raum ein, alles schart sich um den Oelofen. Ueber der Tuere haengen an Schnueren zwei Kofferradioblenden mit Lautsprechern, die mit einem Knaeuel von duennen Draehtchen verbunden sind. Zwei davon steckt der Sohn in einen CD-Player und schon hoeren wir syrische Volksmusik. An die fuer deutsche Ohren fremd klingenden Lieder haben wir uns gewoehnt. Seit der Tuerkei begleitet uns das Auf und Ab und Ziehen der Laute, wobei die Musik in Syrien viel melodischer und rhythmischer daherkommt. Schaltet man seinen inneren Widerstand dagegen ab, so entdeckt man viele tanzbare Stuecke und manch bewegende Weise. Nadihm hat mir den beliebtesten Volkstanz beigebracht, eine Art syrischen Sirtaki. Man bietet uns Brot an und wir nehmen ein richtiges Fruehstueck mit Obst zu uns. Dann eisen wir uns los- auch hier fuehlen wir uns so wohl und willkommen, dass wir bleiben koennten- nach Hause sind wir laengst eingeladen. Wir wollen von der Autobahn herunter, um nicht mehr angehupt zu werden. Die Landstrasse verlaeuft hinter dem Dorf, muendet aber alsbald wieder in die Autobahn. Nach und nach stellt sich bei mir wieder Kraft ein, wahrscheinlich wirkt das Essen. Die Sonne scheint kraeftig und ueber die Fahrbahn flattert ein Schmetterling. Kurze Zeit spaeter hupt es hinter mir wieder mal fuerchterlich und ein Lastwagen faehrt viel zu nahe an mir vorbei. Renata schreit von hinten und berichtet mir, der Wagen habe unseren Haenger nur knapp verfehlt. Gut, dass ich nicht nach hinten geblickt habe, denn ein kleiner Schlenker haette mich vielleicht, samt Kari im Haenger, unter die Raeder gebracht. Die LKWs sind hier oft abenteuerlich ueberladen. So wundert es nicht, dass die Schilder ueber den Fahrbahnen, trotzdem sie in ca. sechs Meter Hoehe haengen, meist am unteren Rand zerrissen sind. Neben der Fahrbahn liegen in diesem Land tausende voellig zerfetzter Reifen und wir sehen viele Oellachen und Motorteile. Ueberhaengende Ladungen, wie z.B. Eisenstangen und heruntergeklappte Laderampen schleifen funkenspruehend ueber den Asphalt und manche Ladung sieht aus, wie ein Schluck Wasser in der Kurve. In der Abendroete haelt vor uns ein Van. Eine junge Frau und zwei Maenner steigen aus und stellen sich vor. Einer der Syrer arbeitet fuer einen deutschen Reiseveranstalter in Bielefeld, der andere stellt sich als Schauspieler und Regisseur namens Jihad Saad vor und die junge Dame als Massoun, ebenfalls Schauspielerin. Herr Saad laedt uns in sein Haus in Damaskus ein und gibt uns eine Mobilnummer. Er will uns Malula zeigen und mit uns Essen und Wein und Arrak trinken. Klingt nicht uebel, Herr Saad- wir werden sehen. Wir steuern wegen der Kaelte ein 24-Stunden-Restaurant an der Autobahn an. Am Eingang ruempft man zwar die Nase ueber den Hund, aber wir setzen uns, wie stets, abseits und binden Kari kurz an. Nach einem ueppigen Essen, setzt sich der Chef zu uns und spendiert Gebaeck und Kaffee. Unsere Frage nach einem Zeltplatz auf dem Gelaende beantwortet er mit einer Einladung. Er zeigt uns zwei Raeume, die wir samt Hund zur Uebernachtung nutzen koennen. Wir waehlen den einfacheren, kleineren Raum, der uns waermer erscheint. Als der Chef sich verabschiedet hat - man traefe sich um neun Uhr zum Fruehstueck - hebt eine heftige Diskussion unter den Angestellten an. Mit viel Gelaechter und heftigen Gesten wird auf den Hund verwiesen. Deutlich hoeren wir das Wort "Kaelb" = Hund. Als wir zu spaeter Stunde, nachdem wir einige Seiten Tagebuch vorgeschrieben haben, zu Bett gehen wollen, bedeutet man uns: Der Hund muss draussen schlafen! Wir verweisen auf die Einladung des Chefs, aber man bleibt dabei. Der Spott der Kellner macht uns beide ungehalten und wir sagen der Bagage auf Deutsch unsere Meinung und packen alles wieder ein. Draussen passen uns zwei traditionell gekleidete Araber ab, die alles mitbekommen haben und erklaeren uns, wir sollen das naechste Lokal ansteuern, da gaebe es so ein Problem nicht. 500 Meter weiter steht ein noch schoeneres Etablissement. Und hier koennen wir in einer grossen Glasrotunde mit Gaestenischen uebernachten. Alles aufs Feinste eingerichtet. Wir schlafen auf Sitzmatten, haben Lehnpolster als Kopfkissen und viel Platz. Was haette uns Besseres passieren koennen? Geschrieben am 20.1.2003 in Damaskus
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