1/17/2003 Syrien / Damaskus
Die Omajaden- Moschee
Im Suk, dem Herzen Damaskus/ In der Grossen Moschee/ 2 kg suesses Gift
(Harald und Renata) Wir sind bei unserer netten "Begruessungsfamilie", den Fadlys, in der City eingeladen. Wir sitzen in ihrer kleinen Kueche, die mit einem, hier so haeufig anzutreffenden, 6-flammigen Gasherd ausgestattet ist. Die Kuechenzeile selbst besteht aus Marmor, incl. des Spuelbeckens. Es gibt kleine, ovale Pizzen mit feingewuerztem Gehacktem, in der Tuerkei "Lamacun" genannt. Dazu wird Joghurt gereicht und als Dessert gibt es, neben den obligatorischen Suedfruechten, kleine, suesse Teigtaschen mit ausgekochter Sahne. Die Haeppchen werden mit Zuckerwasser uebergossen, einer Melange aus einem Teil Wasser und zwei Teilen Zucker, abgeschmeckt mit Zitronensaft. Wir werden nicht nur an der Wohnungstuere, sondern auch im Wohnzimmer mit "Welcome!" begruesst - ein Wort, das wir nirgends so oft gehoert haben, wie in Syrien. Bei einer Tasse Kaffee plaudern wir Kurzweiliges und dann faehrt uns Herr Adnan Fadly durch die City, vorbei an dreien der insgesamt sieben alten Tore der Altstadt. Zu Fuss streifen wir durch die uralten Gassen, die heute, am Sonntag-Freitag, ruhig daherkommen, da fast alle Laeden geschlossen und kaum Menschen auf den Strassen sind. Unser Fuehrer erklaert uns, dass in einem kleinen Viertel ausschliesslich Juden wohnten, die jedoch alle nach Palaestina ausgewandert seien - wohlgemerkt: nicht nach Israel! Die Hauswaende sind grau und schwarz vor Schmutz, nur wenige, gelb leuchtende Laternen geben nach Einbruch der Dunkelheit Licht. Eng sind die Gassen, manchmal beruehren sich die Obergeschosse fast, verwinkelt, mit flachen Stufen; jahrhunderte alte Holztore mit verrosteten Eisenbeschlaegen teilen die ehemaligen Handwerkerviertel voneinander ab. Diese Tradition, alle gleichartigen Gewerke einer Stadt an einem Platz anzusiedeln, hat sich bis heute u.a. auch in Griechenland und der Tuerkei erhalten. In einem Laden voller Suessigkeiten wollen wir Vollmilchschokolade kaufen. Auf sechs Quadratmetern tuermen sich ueber hundert verschiedene Pralinees, kandierte Fruechte, Bonbons und Pasteten uebereinander. Am Ende hat uns Herr Fadly mit zwei Kilogramm Koestlichkeiten versorgt - soviel haben wir beide noch nie im Leben auf einen Schlag gekauft. Und bezahlen duerfen wir nicht. Dann besuchen wir die grosse, alte Omajaden-Moschee im Herzen der Altstadt inmitten Damaskus. Die Omajaden hatten ihre Bluetezeit im 8.Jhrt. Damaskus ist uralt, mit Aleppo im Norden die aelteste, staendig bewohnte Stadt Syriens, vielleicht der Welt. Im riesigen, marmorgefliesten Innenhof der Moschee steht ein schoener Waschpavillion. Hier werden vor den Gebeten Gesicht, Ohren, Haende und Fuesse gewaschen, die der Hintermann ja bei den Verbeugungen ja vor dem Gesicht hat. Die Kuppeln im Eingang des Hofes sind von erschlagender Pracht: fingernagelgrosse, bunte Kachelstueckchen, vornehmlich gruen und goldfarben, ergeben herrliche Bilder von Palmen und Blumen. Die Moschee selbst ist rechteckig und heute, am Feiertag, recht belebt. Wie alle Moscheen hat sie etwas Gemuetliches, weil sie, hier sogar mittels Fussbodenheizung erwaermt wird und mit kostbaren Teppichen ausgelegt ist. Hier spielen Kinder, verweilen ganze Familien wie beim Picnic, sitzen blinde Korangelehrte, die man zu Rate ziehen kann, hier beten Maenner und Frauen. Wir koennen filmen und fotografieren. Auch hier wird in einem Glashaeuschen eine Art Heiliger angebetet, dessen riesiger Holzsarg mit gruenem Tuch abgedeckt ist. Draussen ist Renata wieder mal von gut vierzig Schaulustigen umringt die Kari bestaunen. Ein Mann spricht uns auf Deutsch an. Er ist Jordanier und kommt aus der Naehe von Dar-a an der Grenze. Er laedt uns ein und da der Ort auf unserer Route liegt, notieren wir seine Adresse. Dann trinken wir in einem beruehmten Lokal im Suk Kaffee mit Kardamom. Die Gastraeume sind eine Augenweide fuer Liebhaber orientalischen Kunsthandwerks. Neben kunstvoll geschmiedeten Lampen aus Messing und Eisen, gibt es kleine Polsterstuehle, Tischplatten aus gehaemmertem Messing, Tierplastiken aus Stein und Metall und Elfenbein und Oelbilder. Eines hat es mir besonders angetan: Wilde Reiter in der Wueste auf Schimmeln und Kamelen haben zwei Loewenjunge geraubt und die beiden Elterntiere kaempfen, schon schwer verwundet, tapfer um sie. Mir gefaellt, dass das noch neue Bild eines Franzosen nicht einseitig heroisiert. In der Luft liegt ein betoerender Kuechenduft voller Zimt, Muskat, Nelken, Kardamom und Kraeutern, dass einem das Wasser im Mund zusammen laeuft. Zum Abschluss spazieren wir durch die Gassen, vorbei an roemischen Saeulen und Boegen, bevor wir in die Wohnung der Fadlys zurueckkehren. Der Reifen des Haengers ist wieder platt. Ich montiere ihn ab und ziehe den Schlauch heraus. Aber Herr Fadly will morgen einen neuen Schlauch und Flickzeug besorgen. Wir bewundern seine kunstvollen Stoffkreationen, die der Dekorateur sogar nach Amerika liefert. Er hat vier Jahre in Riad, der Hauptstadt Saudi Arabiens gearbeitet, waehrend Frau und Kind in Damaskus blieben. Danach konnte er diese Wohnung kaufen. Frau Fadly fliegt naechste Woche mit ihrer Tochter und einer Tante nach Mekka/ Saudi Arabien, um eine Pilgerreise zu machen. Wir unterhalten uns ueber Syrien, die aktuelle politische Lage und darueber, was uns hier gefaellt und was weniger und ueber Musik. Renata spielt ein paar Takte "Fuer Elise" auf dem Klavier und erst spaet faehrt uns Herr Fadly mit seinem zurueckhaltenden Sohn nach Kudsaeia. Geschrieben am 28.1.in Damaskus
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