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Reisetagebuch

1/19/2003   Syrien / Damaskus / Homs

Ausser Plan

Nadihm bugsiert uns nach Homs / Lawrence von Syrien

(Harald und Renata) Morgens steht Nadihm vor der Tuere. Eigentlich wollte ja die ganze Familie gekommen sein, wenigstens aber Nuhr und Rayd. Aber Nadihm ist alleine. Beim Fruehstueck versucht er uns zu ueberreden, mit ihm nach Homs zu fahren. Aber wir muessen mindestens drei Stunden im Netcafe schreiben und brauchen vor allem neue Visa, weil wir sonst heute Richtung Jordanien abreisen muessten.

Nadihm meint, schreiben koenne ich ja in Homs am Nachmittag. Und die Visa-Antraege? Nadihm hat Freunde bei der Fremdenpolizei in Homs und verspricht, dass fuer uns alleine zu erledigen.

Renata traut dem Braten nicht, aber die Aussicht, die schwierige Visa-Prozedur so einfach erledigt zu bekommen, treibt mich, sie zu ueberreden. Ich frage Nadihm nochmals ausdruecklich, ob er ganz sicher die Visa sofort bekommt und er verspricht es erneut.

So fahren wir mit einem Taxi zur Fernbusstation, hier "Polman" genannt - wohl abgeleitet vom Mercedes Typ "Pullmann".

Nach dem ueblichen Theater wg. Kari, die auch hier wieder im Gepaeckraum sitzen soll, geht es Richtung Norden, vorbei an unseren Uebernachtungsplaetzen auf dem Hinweg.

Nach drei Stunden sind wir "zu Hause". Die Mutter und Nuhr sind da und die beiden Schwiegertoechter aus dem Erdgeschoss. Rayds Frau ist Managerin in einem staatlichen Betrieb und hat sich extra frei genommen, weil wir kommen sollten. Spaeter stellen sich der Vater und Rayd ein. Die kleine Sheima ist immer noch so krank, wie bei unserer Abreise.

Geplant war ein schneller Imbiss sofort. Aber bis wir abfahrtbereit sind, ist es frueher Abend. Was ist mit den Visa? Nadihm sagt, seit 14 Uhr habe die Polizei geschlossen! Aha- aber das wusstest du doch schon heute Morgen, wenden wir ein. Ja, grinst er, aber wie haette ich euch sonst nach Homs bekommen? Das finden wir nun nicht mehr komisch.

Nadihm telefoniert mit einem Freund und sagt uns, wir koennten den Visa-Zeitraum bis zu sechs Tage ueberziehen. Was das an Strafgeld an der Grenze kostet, weiss er nicht, wir sollen einfach bestechen, ein paar Dollars wuerden es schon richten. Aber dafuer koennen wir auch Visa bekommen.

Wir wollen ins Netcafe, wie vorhergesehen. Aber Nadihm sagt, sein Onkel wolle uns unbedingt kennen lernen, nicht der General- ein anderer. Das sei nicht weit, 10 Minuten und nach einer halben Stunde koennten wir ja wieder fahren. Und danach ins Netcafe.

Schicksalsergeben fahren wir mit. Nadihm hat mir seinen schwarzen Umhang geliehen und sein Schmaach, ein beigefarbenes Kopftuch. Ich sehe aus wie Lawrence von Syrien.

Die ganze Familie sitzt im Van und nach einer halben Stunde endet die Fahrt in einem Dorf an der libanesischen Grenze.

In einem Riesenwohnzimmer sitzen gut 20 Familienmitglieder auf den Bodenkissen. Es gibt ein ueppiges Abendessen, in der Kueche sitzen die fuenf Toechter des Gastgebers, die Soehne sitzen im Wohnzimmer. Weil der Mann nur Arabisch spricht, ruft er eine Lehrerin an, die Englisch unterrichtet. Spaeter fragt mich seine Frau, was ich meine, ob ihr Mann diese Frau zusaetzlich heiraten soll. Wie bitte?? Ja- der Mittfuenfziger will eine zweite Frau haben. Auch Nadihms Vater hatte mal zwei Frauen, mit dieser Zweitfrau hat er ein Kind. Was in Deutschland mit Gefaengnis bestraft wird, ist den Maennern (nicht den Frauen) hier erlaubt. Bis zu vier Frauen gestatten Koran und Staat, wobei die Frauen das nicht verhindern koennen. Es ist Sache der Maenner, die sich aber damit auch verpflichten, alle Frauen gleich zu behandeln, keine vorzuziehen. Jedenfalls sollte es so sein.

Wir beide setzten uns in der Kueche zu den Frauen. Renata wettert erneut fuer Frauenrechte und gegen den Schleier, bzw. das Kopftuch, dass hier alle Frauen tragen. Nur eine Tochter erklaert, das Kopftuch nicht freiwillig zu tragen, alle anderen sagen, sie truegen es gerne, so sei es lt. ihrer Religion bestimmt.

Ich erzaehle ein paar Witze, die mangels Verstehen mit grossen Gesten versehen sind.

Im Wohnzimmer lachen sich alle ihr Befremden ueber die Huendin vom Herzen, als ich Kari wechselweise "Madam Sharon" und "Misses Bush" nenne.

Nadihm fuehrt mich durchs Dorf. Niemand wundert oder amuesiert sich ueber meinen seltsamen Aufzug.

Hier heisst fast jeder "Ghanoum". Der Grossvater ist hier der Imam einer Moschee. Er hat ueber 120 Kinder, Enkel und Grossenkel. Insgesamt umfasst der Clan in diesem und einem zweiten Dorf etwa 1600 Mitglieder. Vor lauter Onkeln und Neffen und Cousins blicke ich nicht mehr durch.

Als wir zurueckfahren wollen, ist erst Kari, dann einer von Renatas Turnschuhen verschwunden, den Kari verschleppt hat und Kinder werden zum Suchen und zur Mobilmachung der Nachbarschaft ausgeschickt. So finden sich Hund und Schuh alsbald wieder.

Erst spaet sind wir in Homs. Im Netcafe bleibt gerade noch Zeit die Mails zu lesen, bevor wir zu muede sind. Auf dem Nachhauseweg zeigt uns Nadihm sein Restaurant- einen kleinen Imbiss auf dem Gemuesemarkt, der Haendler und Kaeufer mit oertlichem Fastfood versorgt.

Die Nacht verbringen wir in "unserem" Zimmer. Renata erzaehlt mir, dass Nuhr ihr anvertraut hat, Nadihm habe sie nicht mit nach Damaskus nehmen wollen, sie sogar belogen.

Dass mein Bruederchen ein Schlitzohr ist, hat sich heute wieder bestaetigt.

Geschrieben am 28.1. in Damaskus


 

 

 

 


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