1/23/2003 Syrien / Damaskus
Eine neue Bleibe
Wir ziehen um und finden uns im Nachtgewerbe wieder
(Harald und Renata) Heute ziehen wir aus. Auf die Frage, ob wir nicht stoeren, hatte Jihad geantwortet, wir sollten gehen, wenn wir fuehlen, dass es an der Zeit sei. Nun- es ist soweit. Wir waren eingeladen, wollten ausgehen, wir haben eingekauft und wollten kochen und Jihad wollte mit uns nach Malula fahren. Das hat alles nicht stattgefunden. Und nun, nachdem die Sendung nicht ausgestrahlt wurde, meldet sich auch niemand. Herr Fadly holt uns morgens ab und bringt Brot und Croissants mit. Dann fahren wir wegen der Visa zum oertlichen Fremdenpolizisten, der fuer Kudsaeia zustaendig ist. Aber der kann nichts machen, weil die Visa um zwei Tage ueberzogen wurden. Na- herzlichen Glueckwunsch! Dann gehts zur Polizeistation am Marschaplatz. Auch dort sind wir nicht richtig. Weiter zur naechsten und dort schickt man uns Drei von Pontius nach Pilatus, bis wir dort ankommen, wo wir angefangen haben. Schliesslich sagt der oberste Kommandeur, man solle uns neue Visa geben. Drei Lichtbilder pro Person sind faellig und Geld und Kopien und alles bezahlt Herr Fadly. Die Visa sind am Sonntag abholbereit. Bei Fadlys gibt es ein Abendessen und wir stellen fest, dass auch der zweite Reifen des Haengers platt ist. Die Raeder der Bikes halten seit 6500 km und die des Haengers sind nach 1000 km beide platt?! In den Reifenmaenteln liegt innen die Kupferarmierung blank- vielleicht stechen diese Faeden die Schlaeuche durch. Dann fahren wir zu Herrn Abu Jussif, der vor der Stadt, in der Naehe des Flughafens, eine Diskothek hat. Wir treffen eine Baustelle im Hof an, weil hier ein Restaurantkomplex erneuert wird. Das Gelaende ist bestimmt von einem grossen Schwimmbecken, mit einem Rutschenturm und Sonnenterrassen. Und Kari findet einen jungen Schaeferhundrueden vor, der stuermisch versucht, sofort zu spielen. Herr Abu Jussif fuehrt uns in seinen kleinen Privatbereich. Eine Art Wohnraum mit Fernseher und Videogeraet, einem Schlafraum mit Doppelbett und einem Bad. In dem Bett koennten wir schlafen- erstmal. Wir richten uns etwas ein und trinken einen Begruessungstrunk. Zu spaeter Stunde gehen wir in die Diskothek im Erdgeschoss. Dort wird arabische Popmusik gespielt und auf der Tanzflaeche tanzen vor allem sehr junge, stark geschminkte Maedchen und ein paar junge Maenner aus Saudi Arabien oder Kuwait, wie man an den bodenlangen, mantelartigen Kleidern erkennen kann. Seltsam, dass immer wieder buendelweise geldscheinartige Papierstuecke umhergeworfen werden, vor allem auf die tanzenden Maedchen. Dann wieseln ein paar Jungs umher und sammeln das Papier komplett wieder auf und geben es ab. 100 Stueck kosten 1 Dollar, um so zu tun, als habe man soviel Geld zum Wegwerfen. Zu spaeter Stunde wird eine Etage hoeher, in einem Nachtclubambiente, Live-Musik gespielt. Herr Jussif hat uns eingeladen und wir werden fast uebertrieben hofiert, staendig gibt es neue Servietten, werden die Aschenbecher geleert, wird nachgeschenkt. Die Musik ist sehr laut, aber gut und mitreissend. Befremden ueberfaellt uns, als sich dann auf der Tanzflaeche 10 sehr junge Maedchen einfinden, offensichtlich nicht in eigenen, weil nicht passenden Kleidern, so eng, dass nichts verborgen bleibt, bis zur Karikatur ueberschminkt und grossenteils sichtbar ungluecklich ueber die gaffende Maennerschar um sie herum. Diese Maedchen laufen nun Stunde um Stunde im Kreis, wie Kaelbchen, die zur Schlachtung gefuehrt werden. Tanzen koennen sie nicht. Wofuer, fragt man sich, sind sie dann da? Sie verdecken voellig die Sicht auf das gute Orchester und die wechselnden Saengerinnen und Saenger. Renata mutmasst das Schlimmste. Abu Jussif hat neben sich zwei blutjunge Maedchen sitzen, ebenfalls aufgedonnert und die Eine fragt Renata, ob sie sie huebsch findet. Abu Jussif wird ein 10 cm hoher Stapel 100 SP-Scheine gebracht, die er buendelweise einfach in die Luft wirft, dabei gibt er der Saengerin, die neben ihm Platz genommen hat, murmelnd Anweisung, fuer wen diese Geldbegeisterung gedacht ist. Unter anderem fuer uns. Die Scheine behaelt aber niemand, denn sie werden fix wieder aufgesammelt. Die beiden repraesentativen Damen werfen verstohlene Blicke auf ihre Uhren und bald sind sie verschwunden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie fuer eine bestimmte Zeit bezahlt wurden, um unseren Gastgeber zu schmuecken. Wir entziehen uns dem seltsamen Spektakel erst um 2.30 Uhr, um unseren Gastgeber nicht zu brueskieren, denn mangels Englischkenntnissen ist dies das Einzige, was er uns an Unterhaltung bieten kann. Wird sind Laerm mittlerweile gewohnt, sonst koennten wir bei dem ohrenbetaeubenden Krach, der bis 5 Uhr morgens anhaelt, nicht schlafen. Geschrieben am 28.1. in Damaskus
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