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Reisetagebuch

1/26/2003   Syrien / Damaskus

Christin

Unser Besuch im Nonnenkloster Saednaia / Ein wuerdeloser Auftritt

(Harald und Renata) Morgens holen wir unsere neuen Visa ab. Mit dem Microbus fahren wir in die City und suchen uns zur Polizeistation durch. Dort geht alles zack-zack. Die Paesse der "Allemanie" liegen in einer kleinen Holzschublade und es braucht keine Quittung.

Wir sind im Verzug, weil es um 10 Uhr losgehen soll. Aber als wir ankommen, ist von Aufbruch keine Rede. Abu Jussif ist nicht da und als er dann erscheint, ohne Auto. Das wurde noch zur Waschanlage gefahren und taucht erst nach einer Stunde wieder auf. Wir sitzen in der Sonne und schauen den Hunden zu, die des Rangelns nicht muede werden. Heute bleibt Kari hier, nachts ist sie dann schoen ruhig.

Zu viert brechen wir auf, weil Abu Jussifs Rechte Hand dabei ist. Der spricht auch kein Wort Englisch, weshalb uns seine Anwesenheit nicht ganz einleuchtet.

Statt Richtung Kloster geht es in die City. Des Raetsels Loesung erscheint nach 20 Minuten, waehrend ich an Renatas Schulter eingeschlafen bin. Meine Kopfschmerzen vom Vortag haben sich verstaerkt und ich fuehle mich matt. Ich erwache, als ein junges, blondes Maedchen vorne ins Auto steigt. Sie wird uns als Nana vorgestellt. Wir raetseln, in welchem Verhaeltnis Abu und sie stehen. Die Rechte Hand macht die Freundschaftsgeste. Aha!? Das Maedchen sieht aus wie eine 16-Jaehrige. Der Mann umgibt sich auch in seiner Freizeit mit viel zu jungen Damen.

Stadtauswaerts geht die Fahrt, in die Berge hoch. Nach einer halben Stunde sind wir in Saednaia, einem Dorf, dass durch sein orthodoxes Kloster weltberuehmt ist.

Vornehmlich syrische und libanesische Touristen sind hier. Die Aussicht auf das Dorf und das Tal unter uns ist fantastisch. Ein kurzer Moment der Ruhe: abseits des Parkplatzes, der blaue, wolkenlose Himmel, der stumme Wind, die horizontweite Aussicht auf die braune Ebene und die schneebefleckten Berge.

Innen idealisiert ein Wandmosaik den roemischen Kaiser Theodorius und seine Frau als Bewahrer der Kirche. Ueber 1600 Jahre sind diese Gebaeudeteile alt, somit gehoert Saednaia zu den aeltesten Kirchen ueberhaupt.

Die kleine Kirche ist eine Augenweide voller Luester, Ikonen, Kerzen, Statuen und Vertaefelungen und in der Luft liegt der Duft von Weihrauch.

In einem winzigen, dunklen Raum stehen Menschen jeden Alters Schlange, um ein kurzes Gebet im Knien vor einem Marienbild zu verrichten und es zu kuessen. Das ist kein Ort fuer Touristen und wir gehen.

Auch im naechsten Raum, in den wir gefuehrt werden, fuehlen wir uns fehl am Platze. Vier Mitglieder einer Familie sitzen da mit rot-verweinten Augen an einem Kranken- oder Sterbebett in dem eine Greisin liegt, als sei sie nicht mehr in dieser Welt. Als wolle sie jedem die Hand geben, reckt sich ein duerres Aermchen aus den Decken. Warum dies sehenswert sein soll, bleibt unklar. Uns ist es peinlich. Wir sagen "Salam-aleikum" und mit leichtem Laecheln antworten die Vier: "Aleikum-salam".

Wir sind betroffen, atmen durch. Das war die 95jaehrige Aebtissin des Klosters, Schwester Christin.

Statt weiter nach Malula, das nur wenige Kilometer entfernt ist, fahren wir, trotz frueher Stunde, zurueck. Malula sei nicht so schoen, sagt uns die Rechte Hand. Im Reisefuehrer steht, es sei das schoenste Dorf Syriens.

Bald halten wir an einem Edelrestaurant. Hier wird nun ueberreichlich aufgetafelt, was das Herz begehrt: Salate, Pasten wie z.B. das unverzichtbare Hummus, Gegrilltes, gefuellte Weinblaetter, dazu Bier und Arrak, ein Anisschnaps. Solch ein Gedeck haben wir noch nicht gesehen. Und Herr Jussif ist hier nicht unbekannt.

Ich versuche eine rudimentaere Unterhaltung zu Wege zu bringen. Zumindest erfahren wir, dass Nana 15 Jahre alt ist und drei Schwestern hat.

Ungemuetlich wird uns, als Herr Jussif dem Maedchen einen Finger in den Mund steckt und mich mit "Harly-Harly!" sichtlich stolz bittet, dass zu kommentieren. Wir beginnen zu ahnen, welche Art von Freundschaft hier gepflegt wird.

Ich fuehle mich zusehends matter, will ins Bett. Wir sind frueh in Damaskus, aber Herr Jussif setzt uns samt seiner Rechten Hand im Suk ab und faehrt mit Nana davon, wohl um sie nach Hause zu fahren. Die Rechte Hand fuehrt uns nun herum, erledigt nebenbei Geschaefte und zeigt uns als eine Art Fremdenfuehrer, was wir alles schon gesehen haben. Wir wollen nicht unhoeflich sein, aber uns, ohne zu fragen, hier abzusetzen, ist schon seltsam.

Ich bin krank, Schuettelfrost stellt sich ein. Ich muss ins Bett, egal wie. Nach anderthalb Stunden Herumlaufens reicht es mir. Ich bedeute dem Fahrer, dass wir ein Taxi nehmen wollen. Ja, sagt er, aber hier waeren keine, wir muessten aus dem Suk heraus. Hinter ihm stehen zwei Taxis - er will offensichtlich Zeit schinden. Wozu? Offensichtlich hat Herr Jussif nicht vor, uns hier wieder abzuholen.

Angekommen, kostet das Taxi 50 SP. Am Morgen hat uns dieser Mann noch 25 SP extra aus der Tasche gezogen, so dass wir 125 SP bezahlt haben. Da hat er sich mit dem Taxifahrer, statt mit uns solidarisiert.

Wir koennen nicht in unsere Unterkunft, weil die Hoftuere verschlossen ist, aber Herrn Jussifs Auto steht unten. Wir blicken uns betroffen an, denn jetzt ist klar, was hier laeuft. Unser Fahrer wirft Steine gegen das Fenster oben - ohne Reaktion.

Ein Mitarbeiter steigt ueber die Mauer und oeffnet von innen. Wir lassen den Fahrer vorgehen, aber als wir auf der Terrasse stehen, tritt Abu Jussif mit blankem Bauch vor die Tuere und ruft mich "Harly-Harly!". Hat der Mann keine Scham, sich vor Renata, vor seinen Gaesten und Mitarbeitern so zu zeigen?

Wir warten, bis drinnen alles geregelt scheint.

Nana ist wie aus dem Ei gepellt und guter Dinge, ihr ist keine Peinlichkeit anzumerken und sie laechelt freundlich. Das war offensichtlich nicht das erste Mal.

Von nebenan erklingt alsbald lautes Schnarchen. Der Fahrer versucht irgendwie Konversation zu machen und Renata macht ihm Vorhaltungen wg. des Betruges mit dem Taxigeld.

Als der Mann gegangen ist, will ich sofort aufbrechen und in einem Olivenhain nebenan campieren. Aber Renata will keinen Eklat und morgen frueh fahren. Waere ich nicht krank, ich haette mich darueber auch noch mit ihr gestritten.

Mittels einer Zeichnung versuchen wir Nana zu erklaeren, dass Renata Lehrerin ist. Aber das Maedchen versteht die Zeichnung nicht und uns wird klar, wie beschraenkt der Horizont der 15-Jaehrigen ist.

Wir muessen warten, bis Abu erwacht ist. Der Fahrer hatte angedeutet, dass der Mann um 20 Uhr in die Disko gehe. Aber Nanas Weckversuche haben erst spaet Erfolg. Und beim Hinausgehen bedeutet Jussif noch, dass Nana heute Nacht hier vorne schlaeft. Na, herzlichen Glueckwunsch!

Wir bereiten alles fuer den Aufbruch vor. Ich will die Haengerreifen aufpumpen und stelle fest, dass das bei dem syrischen Ventil mit unserer Pumpe nicht geht und wechsle auf den alten.

In einem populären Musikclip singen Kinder stakkatoartig "Wauwa!" - was soviel bedeutet, wie: "Ich hab Auah!". Und Nana singt hingebungsvoll mit. Sie schauspielert das "Auah" und legt Leiden in ihre Stimme. Weiss sie eigentlich, ob es ihr gut geht?

Wir bitten Nana, von den arabischen Clips auf einen Film umzuschalten, was sie mit der Gegenfrage: "Sexfilm?" beantwortet. Himmel, in was fuer einer Welt sieht sich das Maedchen?

In der Nacht werden vorne die Couchliegen herumgeschoben, Abu Jussif ist da. Ich hoere noch das Klappern des Videogeraetes, sinke aber in einen tiefen Schlaf zurueck. Bloss weg hier! ist mein letzter Gedanke.

Geschrieben am 1.2. in Damaskus


 

 

 

 

 

 

 


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