1/31/2003 Syrien / Damaskus
Malula
Jihad, Massoun und wir Drei fahren nach Malula
(Harald und Renata) Vor dem Morgengrauen werde ich frierend wach. Mir wird klar, dass mein Kreislauf nach mehr als 2 Tagen Fasten nach Nahrung verlangt. So esse ich gegen meine Appetitlosigkeit an, zwinge mir Brot und Bananen auf. Nach einer Stunde wird mir warm und ich kann wieder schlafen. Jihad ruft morgens an und ich beschliesse aufzustehen, damit wir die Gelegenheit beim Schopfe packen koennen. Wir wollen draussen in der Sonne warten und schauen uns auf dem Al-Marsha-Platz die Fotos an, die auf zwei Vans aus dem Irak geklebt sind. Acht irakische Kuenstler haben sich aus Bagdad aufgemacht, um die Folgen des Ersten Golfkrieges und des andauernden Embargos fuer die Kinder Iraks publik zu machen. Die Fotos sind grauenvoll. Sie zeigen Dutzende missgestalteter Totgeburten und Saeuglinge. Ob es sich um Propaganda, oder tatsaechliche Folgen des Embargos, bzw. der Verwendung uranhaltiger Munition durch die USA im Krieg handelt, weiss ich nicht. Als Jihad kommt, erzaehle ich ihm davon und gleich vereinbart er eine Sendung mit den engagierten Maennern. Wir nehmen in der Stadt noch Massoun auf und dann gehts endlich auf nach Malula. Es gilt als Syriens schoenstes Dorf. Aber wir sehen vor allem Neubauten und die viel gepriesene blaue Farbe der Altstadt muss man heute suchen. Trotzdem ist allein der Anblick der Haeuser, die in die Steilhaenge hineingebaut wurden, einen Ausflug wert. Von den uralten, broeckelnden Bergkaemmen haben sich riesige Brocken bis Hausgroesse geloest und liegen jetzt am Hang ueber den Haeusern. Man kann nicht glauben, dass die Bewohner das Risiko, von den rutschenden Felsen zermalmt zu werden, auf sich nehmen. Es ist kalt hier oben, weswegen der Ort im Hochsommer von Damaszenern gerne besucht wird. Ein fruchtbares, gruenes Tal voller Obsthaine und Gaerten. Oben steht eine kleine, schlichte Kirche aus dem 4. Jahrhundert. Herrliche Ikonen koennen wir bewundern und in der Ruhe, die die alten Gemaeuer und der helle Stein ausstrahlen, kommt das Gefuehl auf, tatsaechlich an einem sehr urspruenglichen Ort zu sein. Die Altaere sind original und die Fuehrerin spricht das Vaterunser in Aramaeisch. Diese fast ausgestorbene Sprache wird in muendlicher Form nur noch hier und in zwei anderen Doerfern in der Naehe gesprochen und gilt als die Sprache Jesu. Weil ich wieder anfange zu bibbern, faellt die anschliessende Fuehrung durch eine kleine Schlucht kurz aus. Sie erinnert uns an Saklikent in der Tuerkei, nur das hier mal riesige Wassermassen geflossen sind, wie die gewaltigen Steinauswaschungen beweisen. Als die Berge hoeher waren, sind hier entsprechende Schmelzwasser abgegangen. Und in diese Schluchtwaende haben Hoehlenmenschen ihre Wohn- und Schlafplaetze geschlagen. Auch im Ortsbereich finden sich viele solcher Hoehlen, deren kunstvolle Bearbeitung aber darauf schliessen laesst, dass sie auch Jahrtausende spaeter weitergenutzt wurden. Jihad laedt uns alle zu einem koestlichen Essen ein und ich versuche erstmals wieder eine ganze Mahlzeit zu mir zu nehmen. Auf dem Rueckweg muss dann alles ganz schnell gehen, weil Jihad in Eile ist. Heute Abend moderiert er eine Konferenz arabischer Frauenverbaende und so setzt er uns ab und wir nehmen ein Taxi zum Hotel. Morgen soll die offizielle Eroeffnung sein und er will uns Karten besorgen, u.a., weil die Praesidentengattin Frau Assad da sein wird. Geschrieben am 2.2. in Damaskus
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