2/1/2003 Syrien / Damaskus
Ammar
Herr Fadly taucht auf und wir treffen einen Iraker
(Harald und Renata) In der Nacht hatte ich erneut Fieber. Ein Rueckfall, weil ich zu frueh aufgestanden bin und auch am Morgen fuehle ich mich schwach. Aber wir setzen uns gemeinsam ins Netcafe. Es will uns trotz wochenlanger Versuche nicht gelingen, die Fotos zu uebermitteln. So langsam glauben wir auch nicht mehr an den Moment, wo alle Fotos in guter Qualitaet zu Hause ankommen. Die immer neuen Arten von technischen Problemen bleiben uns z.T. in ihrer Natur verschlossen, in keinem Fall sind wir alleine in der Lage, sie zu loesen, was die Sache muehselig macht. Staendig ist gerade jemand den wir brauchen nicht da. Haben wir ein Problem geloest, so taucht ein neues auf. Wir lernen einen Iraker kennen, der neben uns nach Hause mailt. Er sucht hier Arbeit, aber das ist schwer. Wir wollen reden. So setzen wir uns in ein Cafe und er erzaehlt von den Lebensmittelrationen, die immer weiter schrumpften, dass es zuwenig Milch gaebe, Benzin sei genug da, Oel und Elektrizitaet zum Heizen auch und die Reichen bekaemen trotz des Embargos einfach alles. Man lebt von Reis, Brot, Eiern usw. - Fleisch kann sich allerdings kaum jemand leisten. Die staatlichen Rationen werden zwei Monate im Voraus gegeben und die Leute essen sofort alles auf und stehen dann den Rest der Zeit ohne ausreichende Versorgung da. Das Land blutet aus, weil viele gute Leute, die im Ausland mehr Geld verdienen koennen, auswandern. Korruption ist eine staendige Geissel. Lehrer machen Pruefungen absichtlich fuer ihre Schueler unbestehbar, um bestochen zu werden. Doktorentitel sind kaeuflich, d.h., nicht nur die Faehigen, sondern auch die Wohlhabenden koennen Aerzte werden. Ammar heisst unser Gespraechspartner, ist 32 Jahre alt und lebt in Bagdad. Er hat Angst vor dem Geheimdienst. Waehrend des Golfkrieges war er Soldat in Bagdad, in eben dem beruehmten staedtischen Verwaltungsgebaeude, dass die ganze Welt ueber CNN hat immer wieder in die Luft fliegen sehen. Er sagt, dass Flugzeuge vor dieser alles zerstoerenden Bombe sechs Raketen in das Gebaeude geschossen haben, so dass man gewarnt war und fast alle fliehen konnten. Seine Schicht war eine Stunde vorueber, als das Hochhaus endgueltig zusammenbrach. Er hat im Krieg viele Freunde verloren und ringt um Fassung, als er davon erzaehlt. Seine Wehrpflicht dauerte drei Jahre, aber man liess ihn einfach nicht gehen, sondern hielt ihn weitere zwei Jahre im Dienst. Die Familie hat Video, Fernseher, Kuehlschrank, Auto verkauft, um Geld zu haben. Jetzt geht nichts mehr. Sein Vater ist alt und er muss die Familie unterstuetzen- nur wie, ohne Arbeit? Und wieder sind seine Augen glasig. "Es ist alles traurig" sagt er. Eine Aenderung muesse her. Die Iraker seien tapfer und sie fuerchteten den Tod nicht. Sie wuerden kaempfen, wenn es so weit kaeme. Wir kommen kaum von einander los und mir ist, als kennte ich diesen Mann schon lange. Ich sehe seinen Humor, seine Lebensfreude, seine Kraft- alles wie in nassen, schweren Tauen und Netzen gehalten. Wir wollen uns morgen wieder sehen. Am Abend sind wir beide froh, wieder im Hotel zu sein. Kaum liege ich wieder fiebrig und frierend im Bett, steht Herr Fadly in der Tuere. Was fuer eine Freude, den lieben Mann wieder zu sehen! Er war sehr beschaeftigt, auch damit, seine Frau zu troesten, deren Mekkaflug erst verschoben wurde und nun wegen Visaproblemen gar nicht stattfindet. Die Freude ist gegenseitig. Er holt frische Zitronen, presst sie aus, verduennt das mit Wasser und gibt reichlich Zucker hinzu und das muss ich trinken. Wir tauschen unsere Neuigkeiten aus und dann muss Herr Fadly auch schon gehen. Geschrieben am 2.2. in Damaskus
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