2/5/2003 Syrien / Damaskus
Einer flog ueber das Kuckucksnest
Ein Dinner for four- wir treffen ein letztes Mal Jihad Saad und Massoun
(Harald und Renata) Um 1.30 Uhr wird im Flur geputzt. Das Wasser prasselt in einen Eimer, der Abzieher stoesst gegen die Zimmertuere und eine lautstarke Unterhaltung rundet das Konzert ab. An Schlaf ist so nicht zu denken. Als ich reklamiere, dass wir auch fuers Schlafen, nicht nur fuer einen „Aufenthalt“ bezahlen, ist man voellig konsterniert und ratlos. Die Mengen an Wasser, die hier beim Putzen verwendet werden, sind ungeheuer. Da werden etwa 20 Liter Wasser auf 10 qm ausgegossen und dann, ohne Schrubber, einfach in Ausguesse abgezogen. In Jihads Haus in Kudsaeia lief uns eines Tages bei Ankunft eine Wasserflut entgegen. Im Hausflur versuchte eine Frau offensichtlich der stroemenden Wassermassen Herr zu werden. Aus dem 1. Stock floss ein Wasserfall die Stufen herab. „Ein Rohrbruch!“ dachte ich. Als ich nach oben eilte, sah ich aber, dass ein Schlauch aus der Kueche einer Wohnung in den Hausflur gelegt wurde und man zeigte mir: “Alles in Ordnung!” Das war die hier uebliche Art, den Flur zu reinigen. Dass das Wasser den Baukoerper durchdrang, dass die Eisenbewaehrung der Stufen schon rostete, schien niemand zu interessieren. Wir haben ueberall einen geradezu verschwenderischen Umgang mit Wasser beobachtet, der angesichts des akuten Wassermangels in Syrien unverstaendlich ist. Dem Euphrat wird schon in der Tuerkei soviel Wasser durch Aufstauung entnommen, dass fuer Syrien kaum etwas uebrig bleibt. Wenn die Syrer dann ebenfalls in Trockenzeiten viel Wasser entnehmen, haben die Iraker kaum noch Trinkwasser. Morgens gehe ich mit Khaled zur deutschen Botschaft, da er mit seinem Visaantrag nicht weiter kommt. Ich soll dolmetschen und den Inhalt der Sendung erklaeren, sowie den Grund fuer die Reise nach Hamburg. Er will dort ein Interview mit einer Tochter machen, die ihren syrischen Vater via Jihads Sendung sucht. Aber man verweist uns auf den ueblichen Antragsweg. So muessen wir unverrichteter Dinge wieder fahren. Wir gehen ins Netcafe und versuchen uns weiter an der Bilduebermittlung und formulieren ein Interview fuer die Westdeutsche Zeitung, die unsere Reise treu begleitet. In einer “Hundepause” treffen wir zum zweiten Mal einen Tuerken aus Ankara, der in Damaskus Urlaub macht und leidlich Deutsch spricht. Wir nehmen seine Einladung zum Kaffee an. Der Mann raucht eine Wasserpfeife, an der ich nur zweimal zaghaft ziehe, weil mir davon stets schummrig wird. Der Mann ist Restaurantbesitzer und war in Kapstadt, aber letztlich sind seine Deutschkenntnisse doch zu gering, um sich zu unterhalten. Am Abend gehen wir nochmals zur Fernsehstation, um eine Videokassette mit unserem Interview abzuholen. Der Pfoertner ruft Jihad an und der steht kurz darauf vor dem Gebaeude und nimmt uns nach Kudsaeia mit. Unterwegs wird Massoun abgeholt und eine Menge Essen eingekauft. Beim Essen draengt uns Jihad in Syrien zu bleiben. Das wuerde allein wegen der Visa schon nicht gehen, aber wir sind ja auch auf der Reise! Jihad legt nach: Er verspricht eine Rolle in seiner naechsten Inszenierung von “Einer flog ueber das Kuckucksnest”. Das waere was! Er legt nach: Was denn mein Traum waere? Die Auffuehrung von “Dinner for one”. “O.K.”, sagt er, er braechte das auf die Buehne, in Englisch. Jetzt wird mir warm angesichts dieser Moeglichkeit. Aber wir haben erlebt, wie sprunghaft Jihad ist. Und jetzt steht erstmal unser eigenes Projekt im Vordergrund und so lehnen wir, lehne ich schweren Herzens, ab. Erst zu spaeter Stunde faehrt uns Jihad ins Hotel und mir schwirrt der Kopf von Traeumen. Geschrieben am 17.2. in Haifa
|