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Reisetagebuch

2/11/2003   Jordanien / Kufr Sum

Haschisch?

Wir ueberschreiten die Grenze nach Jordanien und muessen uns erneut unserer Haut wehren / Kaffeesatzlesen

(Harald und Renata) Wir haben herrlich geschlafen und von Scarlet OHara und Rett Butler getraeumt.

Frueh schon klopft Mohammed an die Tuere und serviert selbst Kaffee; die fast sirupartige Variante, von der man nur etwa einen Essloefel voll trinkt.

Das Fruehstueck ist in Syrien meist fast identisch mit dem Abendbrot. Mittlerweile beherrschen wir die Technik, statt mit Messer, Gabel und Loeffel, alles mit dem duennen Chebbes, dem Fladenbrot zu essen.

Gut gestaerkt machen wir uns auf den Weg. Mohammed geleitet uns auf seinem Moped bis zur Ortsgrenze. Selbst zum Abschied hat sich seine Frau nicht gezeigt, wie Renata meint herausgehoert zu haben, weil ihr Mann das nicht moechte.

Ohne Mohammed floegen wieder Steine. Aber ein paar strenge Worte Arabisch verhindern das Aergste.

“Schukran”-Danke! Und “Frieden mit Dir” heisst es dann und dann sind wir wieder auf der Strasse und im Kampf mit dem Gegenwind. Die Sonne lugt immer mal wieder zwischen den Wolkenfetzen hervor. Es ist kalt.

Von den Feldern her bellen uns Horden von zehn und mehr Hunden an. Kari ignoriert die Klaeffer. Erst als zwei Rueden ganz nah kommen, stellt sich ihr Nacken- und Rueckenkamm auf und dann sieht sie zum Fuerchten aus. Wir nennen sie dann unsere “Schwarze Hyaene”.

Wir erreichen am Mittag Der-a ueber eine Palmenallee. Dies ist die letzte Stadt vor der Grenze. Auch hier ziert eine Monumentalstatue von Herrn Assad sen. den Ortseingang.

Und wieder fliegen Steine, wieder drohen wir, selbst zurueck zu werfen. Ich nehme fuer etwa 100 Meter die Verfolgung auf, um Ruhe zu schaffen. Eine Gruppe von Frauen beobachtet das Geschehen, schreitet aber nicht ein. Ist das Bewerfen von vorbeifahrenden Touristen mit Steinen voellig normal? Wir versuchen uns die gleiche Szene in Deutschland vorzustellen- undenkbar.

Nahe dem Zentrum bricht an einem Kreisverkehr eine Panik unter einer Gruppe von Kindern aus, die Kari sehen. Zwar rennen sie alle herum und schreien, aber dann bleiben sie stehen und schauen den Hund fasziniert an, der sich ob des Geschreis verschuechtert an mein Bein schmiegt.

Uns verfolgen seit der Tuerkei die Lockrufe, nachgeaefftes Hundegebell und das kehlige “daa-daa!”, was soviel wie “hierher!” bedeutet. Kommt die Huendin dann auf die Rufer zu, laufen sie weg oder treten nach ihr.

Wir haben mehrmals tolle Geschichten ueber die Gefaehrlichkeit der Hunde gehoert. Aber gerade die Hunde in der Tuerkei und in Syrien sind ueberaengstlich und dem Menschen gegenueber absolut unterwuerfig, wie auch Kari. Sie sind nicht selbstbewusst genug, um Menschen anzugreifen. Bei einem Biss waere schlimmstenfalls Tollwut ein Problem.

Laut Koran muss eine Schuessel aus der ein Hund gefressen hat, vor Benutzung durch den Menschen, siebenmal gewaschen werden, davon einmal mit Sand (das war offendichtlich vor Erfindung der Seife). Leckt ein Hund einen Moslem, so erzaehlte uns Ammar in Damaskus, so muesse er Duschen, bevor er beten darf. Der Hund gilt als unrein.

Aber der Prophet Mohammed hat lt. Koran Kinder, die einen Hund mit Steinen bewarfen, belehrt, dass nicht zu tun, weil Hunde lebendige Geschoepfe Gottes seien. Das wird geflissentlich vergessen und es zeigt auch, dass man seit 1400 Jahren diesbzgl. nichts hinzugelernt hat.

Im Zentrum verfahren wir uns wegen der schlechten Ausschilderung und machen erstmal Pause auf einem Platz, trinken Kakao und geniessen ein paar Sonnenstrahlen. Leider gibt es in Der-a, wie schon in Sheik Meskin, kein Netcafe.

Hinter Der-a folgt der laengste Grenzuebergang unserer Reise. Acht Kilometer fahren wir zwischen den Kontrollpunkten entlang. Aus kleinen Betonhaeuschen am Hang links der Strecke, von denen zerfetzte syrische Fahnen wehen, rufen uns Soldaten zu, teils in Unterhemden, ohne Stiefel und mit Kopftuechern. Was fuer eine Truppe… Dass Polizisten mit Zigaretten in der Hand, oder Kaugummi kauend den Verkehr regeln, dass Autofahrer gestossen, am Kragen gepackt oder geohrfeigt werden, haben wir mehrfach gesehen.

Auf der jordanischen Seite tragen die Beamten blitzsaubere, dunkelblaue Uniformen. Die Gebaeude sind sauber und intakt und geziert mit Fotografien des verstorbenen Koenigs Hussein und seines regierenden Sohnes.

Der Zollbeamte fragt uns aus und nach Haschisch, schaut oberflaechlich in die Packtaschen, will hoeren, ob wir wissen, wo wir sind. In Ar-Rhamta, Jordanien!

Im Duty-free-Shop koennen wir mit syrischem Geld einkaufen. Dabei versucht mich der junge Angestellte dreimal zu betruegen. Ich rege mich mittlerweile ueber so etwas nicht mehr auf.

Weil die Wechselstube geschlossen ist und wir die Visagebuehr nur mit Jordanischen Dinaren bezahlen koennen, muessen wir im Duty-free zu einem schlechten Kurs wechseln. Aber man darf nicht mit hiesiger Waehrung einreisen. Wir haben jetzt drei Monate Aufenthaltsrecht.

Die Haeuser der Stadt sind fertiggebaut, verputzt und gestrichen, die Autos sind groesser, teurer und unverbeult. Leider gibt es auch hier kein Netcafe.

Hinter der Grenze entschliessen wir uns, jetzt nach Israel zu fahren, anstatt nach Ammam.

Heute ist ein moslemischer Feiertag, an dem geschaechtet wird. D.h., Kuehen, Ziegen und Schafen werden die Halsschlagadern aufgeschnitten und man laesst sie ausbluten. Das macht das Fleisch haltbarer. Ueberall auf den Strassen stehen Blutlachen, liegen Haufen von Eingeweiden. Die stinkende Bruehe wird von Autoreifen weit verteilt. Vor den Fleischereien hat man sich nicht mal die Muehe gemacht, wenigstens den Gehsteig abzuspuelen. Das Fleisch haengt draussen an der Strasse.

Wir fahren Richtung Irbid. Als wir dort angekommen nach dem Weg fragen, geleitet uns ein Jordanier, der sehr gut Englisch spricht, mit seinem Auto. In einer Metzgerei kaufen wir fuer Kari Fleisch. Aus dem zusammengelaufenen Haufen Jungs fliegen alsbald die ersten Steine. Dann schallt es: “F…you, f… your mother!” Unsere Zurueckhaltung wird falsch ausgelegt und man schreit uns ins Gesicht. Das Mass ist voll. Ich springe vom Rad und nach 50 Metern liegt der aergste Schreihals am Boden. Das wars erstmal.

Der Jordanier beschwichtigt, die ca. 13- bis 14-Jaehrigen wuerden nur ihr Englisch ueben. Er laedt uns zu sich nach Hause ein, das laege auf dem Weg zur Grenze, es gaebe mehrere Grenzuebergaenge, was uns verwundert, weil unsere Karte nur einen anzeigt. Da es auch in dieser grossen Stadt kein Netcafe gibt, nehmen wir die Einladung an.

Bis zum Haus sollen es 15 km sein, aber es werden mehr als 20 und wir sind voellig groggy und Renata klagt ueber Knieprobleme. Das Haus liegt in Kufr Sum und der Mann ist Dr. der Englischen Sprache und seine Frau Dr. der Jordanischen Geschichte.

Leider ist die Stimmung im Hause gedrueckt, weil ein Cousin gerade im Krankenhaus an Zucker gestorben ist.

Wir essen spaet und es wird ueber Politik diskutiert. Dann lesen zwei Frauen aus dem Kaffeesatz. Der Hund sei Renatas Schutzengel, Soldaten wuerden uns dereinst helfen und wir sollten den Hund beschuetzen. Es wuerden viele Probleme auf uns zukommen, aber am Ende wuerde alles gut.

Klingt fuer uns etwas prosaisch.

Ich habe mich immer gefragt, wie das Kaffeesatzlesen funktioniert. Nun- man trinkt Kaffee mit vollem Bodensatz, der sich dann durch Schwenken an der Innenseite der Tasse absetzt. Die entstehenden Strukturen interpretiert die Wahrsagerin.

Wir schlafen in einem Nebenraum auf einem Futon auf dem Boden.

Unsere Hyaene ist heute ca. 75 km gelaufen- was fuer eine Heldin!

Geschrieben am 18.2. in Haifa


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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