2/12/2003 Israel / Bet Shean
Jordan-River-Valley-Border-Crossing-Check-Point
Wir sind "ueber den Jordan" / Eine Nacht im Heu
(Harald und Renata) Am Morgen draengt man uns zum Bleiben. Es regnet und die Wegbeschreibung zur Grenze, die uns unser Gastgeber gibt, zeigt, dass es doch nur einen Uebergang gibt. Was bedeutet, dass wir einen Umweg von 50 Kilometern gemacht haben. Jetzt ist es muessig sich zu aergern. Der Mann wollte uns eben auch um den Preis der Wahrheit unbedingt als Gaeste in sein Haus bugsieren. Obwohl wir seit Grenzuebertritt wieder die Fahrtrichtung um 90 Grad geaendert haben, blaest uns der Wind erneut ins Gesicht. Seit der Tuerkei haben wir viermal die Richtung gewechselt und jedes Mal, seit drei Monaten, Gegenwind. Es ist wie verhext. Wir sind nach Ammam und nach Al Karak im Sueden eingeladen und sollen mit Dr. Al-Nehar nach Petra fahren. In den Doerfern geht der Kleinkrieg mit der maennlichen Dorfjugend weiter. Wegen des Feiertags haben sie jetzt alle Plastikpistolen, Pumpguns und Gewehre, die z.T. trockene Erbsen verschiessen. Staendig wird auf uns gezielt und geschossen. Wenn die ersten Steine aufgehoben werden, versuche ich energisch zu warnen: ”No stones!” Die Rasselbande hat schon verstanden, zeigt an: Wuerden wir doch nie machen! Kaum haben wir uns umgedreht, fliegen uns dicke, scharfkantige Brocken um die Ohren. Die zahlreich herumstehenden Erwachsenen lachen und ruehren sich nicht. Renata ist auch vom Rad gesprungen, versucht ebenfalls einen der Steinewerfer zu erwischen. Ich schnappe den uebelsten Kerl, der aengstlich schreiend in einer Gruppe Maenner Schutz sucht. Ich bin ausser mir und die Maenner koennen mich nicht festhalten. Aber angesichts von ca. 30 Jugendlichen und 10 Maennern bin ich ueberfordert. Kari wird getroffen und Renata rastet aus und wirft selber einen Stein, droht mit der Polizei. Daraufhin rafft sich ein einzelner, alter Mann auf und tritt fuer uns ein, ein juengerer Mann gesellt sich hinzu und wir koennen mit dieser Rueckendeckung weiterfahren. In den naechsten zwei Ortschaften ein aehnliches Spiel. Angelo und Markus hatten uns in Fethiye schon vor den Steinewerfern gewarnt, die auch sie traktiert hatten. Und gelesen hatten wir auch darueber. Als uns ein Mann sagt: “Welcome in Jordan!”, klingt uns das wie Hohn. Wir fuehlen uns nicht willkommen. Es ist schlimmer als in Syrien, mit dieser Xenophobie, der Ablehnung alles Fremden. Allerdings werden wir zweimal mit „Shalom“ gegruesst- man haelt uns wahrscheinlich so nahe der Grenze zu Israel fuer Juden und dieser Landstrich wird von auch von vielen palaestinensischen Fluechtlingen bewohnt, wie wir spaeter erfahren. Jedenfalls haben wir wg. der hiesigen Aggressionen die Idee aufgegeben weiter Richtung Sueden, nach Ammam zu fahren und erst dort die Grenze zu ueberschreiten. Es geht im Regen steil bergab ins Tal des Jordan. Dieser Fluss bildet groesstenteils die natuerliche Grenze zwischen Jordanien und Israel. Linker Hand voraus sehen wir den See Genezareth. Die Huegel sind gruen, im Tal sattbraune Aecker und Schilfgras. Hier ist es etwas waermer als im Hochland. Wir landen am falschen Grenzuebergang, der nur fuer LKWs vorgesehen ist und muessen zurueck. Kari hat trotz ihres Marathons von gestern keine Laufprobleme. Heute sind es erneut fast 50 km die sie rennt. Die Grenze ist pico-bello sauber. Mit den Raedern koennen wir nicht ueber die Grenze fahren, sondern sollen einen Shutlebus nehmen. Aber der Haenger passt nicht in den Bus und so ruft man per Handy-Hotline “drueben” an und regelt das auf dem Kleinen Dienstweg. Nach Zahlung einer Ausreisesteuer koennen wir den Jordan ueberschreiten. Der Grenzuebergang heisst “Jordan-River-Valley-Border-Crossing-Check-Point und als erster Israeli begegnet uns ein junger Mann mit Pudelmuetze in Zivil, der ein hochmodernes Automatikgewehr traegt. Er begruesst uns mit “Shalom”= Frieden. Ein Maedchen Anfang 20 kontrolliert unsere Paesse. Wir seien erst die zweiten Touristen, die mit Raedern kaemen. Im hochmodernen Kontrollgebaeude werden alle Gepaeckstuecke durchleuchtet, der Haenger auf einen doppelten Boden untersucht und auch die Fahrraeder, weiss der Himmel wie, in einem Spezialraum durchleuchtet. Die Visa sind kostenlos und gelten fuer drei Monate, ohne Meldepflicht bei der Polizei. Vor allem 18-,19-jaehrige Maedchen arbeiten hier. Sie leisten ihre Wehrpflicht und sind unterscheidbar von den Hauptberuflichen durch einen grauen Kunstpelzkragen an ihren Windjacken. Und alle sprechen gut Englisch und alle moegen den Hund. Es herrscht eine ernsthafte, aber freundlich-lockere Atmosphaere. Karis Impfpass wird vom einzigen aelteren Mann, einem Veterinaer geprueft- alles o.k. Als wir wieder draussen sind, ist es schon stockduster. Man hat uns einen Schlafplatz in einem Kibbuz 4 km weiter empfohlen. Ein Schild verweist nach kurzem auf eine Schlafmoeglichkeit, aber das zweite Schild weist dann in die Felder und am Eingangstor des landwirtschaftlichen Kibbuz gegenueber weiss man auch nichts damit anzufangen. Wir sollen doch einfach dort drueben unter dem Wellblechdach das Zelt aufstellen. Es regnet wieder und wir sind muede. Also suchen wir in der Umgebung nach einem geeigneten Zeltplatz. Ein ueberdachter Heustapelplatz lockt uns. Hier zwischen den schulterhohen Heuballen ist es windgeschuetzt, warm und trocken und wir bereiten uns eine Strohlage unter der Plane. Der Pfoertner der Kibbuz leiht uns Besteck und eine Schuessel und wir essen im Schein der Fahrradlampe unser Nachtbrot. Geschrieben am 18.2. in Haifa
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