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Reisetagebuch

2/13/2003   Israel / Nazareth

Die Schwestern von Nazareth

Wir werden unsanft geweckt und radeln durchs Paradies nach Nazareth

(Harald und Renata) Um 5.30 Uhr werden wir durch Karis Gebell geweckt. Auf unser Versteck im Heu kommt ein riesiger Traktor zu, seine Scheinwerfer tauchen das strohfarbene Zelt in grelles Licht. Ich versuche Kari vergeblich zu beruhigen, als ich vor dem Zelt stehend ins Licht blicke. Hat der Fahrer uns nicht gesehen, so koennte seine rotierende Ernteschaufel unser Zelt zerfetzen und uns verletzen. Die Scheinwerfer blenden ab. In der Fuehrerkabine sitzt ein ganz junger Kerl, dem ich erklaere, dass wir unser Hier sein mit dem Pfoertner abgesprochen haben. Alles o.k., meint der Junge, aber in einer halben Stunde brauche er die Heustapel um uns herum und faehrt nebenan in eine Scheune und schaufelt dort Futtermittel ein.

Wir muessen also eilig packen- schade um das gemuetliche Fruehstueck im Heu!

Als wir losfahren beginnt es zu regnen. Die Autos hupen nicht mehr, was uns sehr erleichtert. Die Hupen sind so leise, wie wir das aus Europa gewohnt sind. Endlich keine Tankerhoerner mehr. Die Strassenschilder sind dreisprachig: hebraeisch, arabisch und englisch.

Wir stemmen uns wieder dem Wind entgegen. Wir fahren in den untersten Gaengen, mehr als 10 km/h sind nicht drin. Um uns herum ist alles gruen. Eukalyptusbaeume, mannsdicker Ficus, Faecher- und Dattelpalmen, Platanen, Zypressen und Zedern, Buesche und hohes Gras umgeben uns. Nie gehoerte Vogelstimmen. Die dazugehoerigen Exemplare haben schillernde Federn, auf den Strommasten sitzen kleine, weisse Reiher und auf den Dachfirsten reihen sich Kraehen mit grauer Brust aneinander. Rechts der Strasse rinnt uns das Regenwasser schlammig entgegen und weiss-graue, zierliche Bachstelzen fliegen daraus nervoes auf, wenn wir vorbeifahren. Aus den Wiesentuempeln quaken unsichtbare Froesche mit fremden Stimmlagen. Die Felder sind frei von Steinen, an den Wegen stehen grosse Duenge- und Bewaesserungsanlagen. Die Strassenraender sind sauberer, als wir es seit Kroatien gewohnt sind.

Wir sehen mehrfach Rotten von Kampfflugzeugen am Himmel und als wir an der naechsten Tankstelle anhalten, steht ein junger Mann mit einem M 16-Schnellfeuergewehr an der Kasse, ein Busbegleiter. Wir sind muede und durch Wind und Regen genervt- ein gutes Fruehstueck muss her! In der Auslage der Tankstelle gibt es frisches Baguette und wir ordern zwei Ruehreisandwiches und wahre Poette von Kaffee. Es wird das teuerste Fruehstueck unserer Reise, aber wir sind moralisch darauf vorbereitet, dass Israel mindestens so teuer wie Deutschland ist.

Wir passieren ein Gefaengnis, umrahmt von Massen von Stacheldrahtrollen, Wachtuermen und Mauergaengen, auf denen gewehrbewaffnete, dunkelblau Uniformierte patrollieren.

Ein Reifen des Haengers ist wieder platt und muss stuendlich nachgepumpt werden.

Die erste Stadt ist Afula. Wir fragen nach einem Netcafe, aber wiederholt wird uns versichert, dass es keines gaebe, aber vielleicht im groesseren Nazareth.

An einer Kreuzung setzen wir uns in die Sonne. Der Kioskbesitzer spricht Deutsch und hat echte Coca-Cola, Langnese-Eis und all die suessen Spitzenprodukte im Angebot, die es in Syrien nicht gab.

Wir gehen in einer Pizzeria nebenan Essen. Am Fenster laufen Afrikaner mit weiss-blauen, runden Kipas, den Judenkaeppis vorbei. Die 40-cm-Pizza macht uns satt, warm und faul. Aber wir muessen weiter, ein Netcafe finden. An den Strassen haengen Werbetafeln in kyrillischer Schrift und wir vernehmen deutlich Russisch.

Kaum aus der Stadt heraus, in Sichtweite des Berges, auf dem Nazareth liegt, zwingt uns ein heftiger Schauer zum Unterstellen. Es giesst wie aus Eimern und die billigen Regenmaentel haengen uns jetzt in Fetzen am Koerper.

Dann geht es sechs Kilometer steil bergauf. Renata spricht schon seit dem Jordantal von “ich spuere, dies ist das versprochene Land” und “stell dir vor, hier war Jesus” u.ae. Diese fiebrige Erwartung angesichts all der geschichtstraechtigen, biblischen Orte befaellt so Manchen, der hierher kommt und macht einen Teil des Konfliktes aus, der die halbe Welt beschaeftigt.

Uns stroemt, auf der sich bergauf schlaengelnden Strasse, ein Bach entgegen. Von oben haben wir einen herrlichen, weiten Blick ueber Afula, Nazerath-Illit und die Huegel vor Haifa an der Kueste, unserem naechsten Ziel.

Es ist bereits dunkel, als wir ein Hotel suchen. Aber bei Preisen ab 40 EU aufwaerts muessen wir passen. An Zelten ist in der hektischen Bergstadt nicht zu denken. Hier hoeren wir fast nur Arabisch. Ein freundlicher Hotelier laesst uns aber kostenlos fuer kurze Zeit unsere Mailbox lesen, denn auch in Nazareth gibt es kein Netcafe.

Wir wollen in der Baptistenkirche nach Unterkunft fragen, aber dort wird gerade ein Gottesdienst abgehalten. An einem Imbissstand bedient uns ein Palaestinenser. Wir essen Doener, der hier kleiner ist und “Pitta” heisst. Der Mann beschreibt uns den Weg zur grossen Kirche ueber der Stadt, dort gaebe es bei den Nonnen guenstige Unterkunft.

So schieben wir mit letzter Kraft bergauf, nass und durchgefroren und klingeln an einer kleinen Pforte der “Schwestern von Nazareth”. Man hat ein kleines Zimmerchen fuer uns, beheizt, mit warmer Dusche, schnuckelig eingerichtet mit zierlichen, weiss-lackierten Moebeln und tonfarbenem Natursteinboden. Im Innenhof des Konvents stehen zwei grosse Palmen und im umlaufenden Arkadengang stehen weisse Baenke. Herrlich!

Wir duschen und waschen und versinken in dringend benoetigten Schlaf. Kari ist heute erneut fast 50 km gelaufen.

Geschrieben am 20.2. in Haifa


 

 

 

 

 

 

 

 


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