2/17/2003 Israel / Haifa
Genadij
Wir lernen einen Ex-Gewichtheber und ein nettes Ehepaar kennen
(Harald und Renata) Der Hund hat in der Nacht den Strand in ein Ruebenfeld nach der Ernte verwandelt- ein Loch reiht sich an das andere. Um acht Uhr kommt der Waechter aus seinem Kabuff und ist ganz aufgeregt und hektisch und wir sollen sofort! verschwinden- jedenfalls hoere ich das aus seinem hebraeischen Geschimpfe heraus. Waehrend wir einpacken kommt ein weiterer Herr und fragt uns, was wir hier gemacht haben. Tja, was wohl? Vielleicht Foermchen gespielt. “We slept here”, sage ich ihm. “You leave now?” Ja, ganz offensichtlich packen wir gerade ein. Um die Ecke nehmen wir einen Kaffee und essen zwei Croissants und dann wollen wir uns in die City aufmachen. Wir hoffen, an der Kueste entlang den Berg umfahren zu koennen, um diesen nicht besteigen zu muessen. Wir brauchen ein Netcafe und das finden wir nur in der City. Ein paar Kilometer weiter gibt es kleine, schoene Straende. Das Wellenrauschen und die salzige Gischt auf den Lippen heben unsere Laune, genauso wie die Sonne, die schon am Morgen Temperaturen um 20 Grad schafft. Wir fragen einen staemmigen Wanderer nach dem Weg zur City. Der Mann ist Russe und Renata mobilisiert ihre Sprachkenntnisse und wir erfahren, dass es keinen anderen Weg in die City gibt, als bergauf. Na- herzlichen Glueckwunsch! Der Mann verabschiedet sich und geht, aber nach drei Minuten kommt er zurueck, er koenne uns so nicht gehen lassen, ob er uns irgendwie helfen koenne. Ja- wir suchen einen Zeltplatz. Er will uns auf dem Rasen vor seinem Haus zelten lassen und geht voraus. Er ist Gewichtheber und jetzt, mit ueber sechzig, Trainer in Haifa. Er heisst Genadij und sagt, wir seien sehr mutig und Helden. Unterwegs treffen wir ein aelteres Ehepaar, ebenfalls Russen, die Englisch sprechen. Sie sagen uns, dass jeder fuenfte Israeli russischer Abstammung sei. Genadijs Heim ist ein Miethaus und der Rasen voller Katzenkot. Hier koennen wir nur auf einer Terrasse die Raeder und den Haenger stehen lassen und die Taschen bringen wir nach oben in die Wohnung. Die Frau scheint nicht sonderlich erbaut zu sein, was es uns leicht macht, die Einladung des aelteren Ehepaares anzunehmen. Wir sollen mitkommen und erstmal fruehstuecken und wir koennten den Computer benutzen, um ins Internet zu gehen. Die beiden stellen sich als Dr. Benjamin und Mina Kantor vor. Sie sind Ende sechzig und ganz begeistert ueber unsere Reise und eine lebhafte Unterhaltung entspinnt sich. Die Beiden sind seit 15 Jahren in Israel. Zum Fruehstueck gibt es Kascha- Buchweizengruetze- wie sich herausstellt, Benjamins Leib- und Magenspeise. Wir koennen den Computer benutzen und haben eine gute Verbindung. Die Wohnung ist klein und voll mit allem Moeglichen. Am Samstag fliegen die Kantors nach Oesterreich zum Skifahren in Neustift und um Besuche in Deutschland zu machen, u.a. in Koeln. Bei einer Freundin von Benjamin und Mina koennen wir die Raeder und den Haenger im Keller abstellen. Die Frau war Deutschlehrerin und heisst Szima, eine resolute Person, die Klartext spricht. Benjamin und Mina fahren mit uns zu einem schoenen Aussichtspunkt. Hier steht der "Schrein des Bab", eine Gedenkstaette fuer den Begruender einer neuen Religion, die von dem bereits mit 31 Jahren fuer seine "Irrlehre" 1850 von den Osmanen hingerichteten Siyyid Ali-Muhammad gegruendet wurde. Diese Lehre predigt die Einigkeit aller Monothoismen, Gleichheit der Geschlechter, Etablierung einer demokratischen Weltordnung usw. Hoert sich jedenfalls symphatisch an. Und die Gartenanlagen sind wunderschoen. Am Abend gehen wir zu Genadij und holen unser Gepaeck ab, um am Strand zu zelten. Es weht ein kraeftiger Wind und wir schaetzen die Hochwasserlinie ab, um nicht nachts umziehen zu muessen. In der Nacht beginnt es zu regnen, aber wir haben es hier drinnen im faltbaren Eigenheim warm und trocken. Geschrieben am 20.2. in Haifa
|