2/27/2003 Israel / Haifa
Eine Busfahrt mit mulmigem Gefuehl
Wir nehmen den Linienbus Richtung Downtown
(Harald und Renata) Wir muessen mit Olga im Linienbus Nr. 23 in die Stadt, "Downtown" fahren. Die Nekrosovs haben kein Auto und kein Geld fuer die teuren Taxis. Zu Fuss ist es zu weit und mit dem Fahrrad kann Olga nicht bergauf fahren. Und die ganze Familie versichert uns, Haifa sei sicher und noch nie habe es hier einen Anschlag auf einen Bus gegeben, in Haifa lebten Moslems, Christen und Juden friedlich zusammen. Alle Kinder fahren jeden Tag mit dem Bus, heisst es, alle lachen ueber unsere Bedenken. Im Bus erinnere ich, dass wir versprochen hatten, nicht mit einem Bus zu fahren und jetzt sitzen wir hier. Mein Blick streift die anderen Fahrgaeste- kein arabisch aussehender Fahrgast zu sehen. Na ja, viele Juden sind ebenfalls dunkelhaeutig. Immer mehr Leute steigen zu, die Tueren sind nicht mehr zu sehen. Und die Attentaeter machen sich ja nicht durch ein rot-weisses Schmaach (das traditionelle Kopftuch) kenntlich, sondern tarnen sich. Im Gang stehen zwei Soldaten mit Gewehren. Die Soldaten muessen ihre Waffe auch in der Freizeit tragen und niemand beachtet dies. Ich komme mir albern vor mit meinen Blicken, aber auch Renata ist erleichtert, als wir unten ankommen. Wir erstehen eine neue Folie fuer die Fenster in einem kleinen Schuppen. Der uralte Ladeninhaber will mir verwirrterweise mehr Wechselgeld geben, als ich bezahlt habe. Er kramt so lange in seiner Geldschatulle herum, bis ich mir selbst das Geld herausklaube. Der Greis sagt in Hebraeisch zu Olga: "So sind die Deutschen! Hast Du gesehen, Muetterchen, er hat mich nicht betrogen und das Geld zurueckgegeben!" Und, sagt der 86jaehrige, er fuehle sich wie ein 17jaehriger. Ich verstehe erst"70jaehriger", aber das Eine ist so komisch wie das Andere. Nach langem Suchen finden wir in einem urigen, staubigen Krimskrams-Laden Fahnen. Aber der Preis fuer die schlecht gemachte, offensichtlich alte und verstaubte Ware ist zu hoch und verhandeln mag der Mann nicht. Dann geht es mit dem Bus wieder zurueck und jetzt denken wir kaum noch an die vermeintliche Gefahr. Zu Hause machen wir uns an die Arbeit. Olga naeht die Folien. Renata und ich naehen Klettbaender, verkleben die Seitenplanen des Trailers, die schon durchgescheuert sind. Bei Naesse dehnen sich die Planen und wenn Kari sich anlehnt, reiben die Reifen das Material von aussen durch. Ein Konstruktionsfehler. Damit Kari tiefer sitzt und nicht mehr gegen die Plane druecken kann, soll die stossdaempfende Decke auf meinen Gepaeckstaender, statt unter sie. Dafuer schneiden wir ein Stueck Schaumstoff zurecht und einen Karton, der Seitenschutz geben soll. Jeden Tag wird hier ueber die politische Lage diskutiert, wobei Andrej eher an der Vergangenheit interessiert ist, die Maedchen nichts mehr hoeren wollen von Nachrichten und Kriegsbedrohung und ueber die in ihren Augen nutzlosen Gasmasken lachen, die jeder Israeli vom Staat bekommen hat. Die sechs Masken liegen am Eingang in einem Karton und keiner hat sich hier die Muehe gemacht, die Dinger naeher anzuschauen. Sie seien nicht fuer die neuen Kampfgase geeignet, heisst es. Aber Hussein hat 1991 nur wenige Raketen nach Haifa geschossen und der Kriegsbeginn steht noch nicht unmittelbar bevor, wie wir im Internet auf der Seite des ZDF nachlesen koennen. Und so schlafen wir denn trotzdem gut. Geschrieben am 9.3. in Petah Tiqwa
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