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Reisetagebuch

3/17/2003   Jerusalem

Jerusalem!

Wir rasen bergauf und erreichen die Hauptstadt Israels und schlagen unser Zelt mitten in der Stadt auf.

(Harald und Renata) Wenn man im Zelt liegt, kann man nicht sehen, was draussen vor sich geht. Anfangs hat uns das sogar geaengstigt, wir mussten uns an diese Ungewissheit erst gewoehnen. Keine Waende und Tueren schuetzen dich, keine Klingel und kein Fenster stehen zwischen dir und einem Besucher. Aber du hoerst alles! Viel lauter, als hinter einem Fenster. Der Wind weckt dich mit Planenschlagen, der Regen mit Tropfengetrommel, Getier mit unbekannten Geraeuschen. Autoscheinwerfer wandern ueber dein duennwandiges Zuhause, die Sonne scheint durch und erwaermt die Innenluft, bis du erst die Decke, dann den Schlafsack wegstrampelst, dann die Reissverschluesse der beiden Seiten- "Fenster", die nur Stoffnetze sind, nach und nach weiter aufziehst. Die Maschen sind noch durch das Kaetzchen vom Plattensee in Ungarn verkratzt und so bleibt uns das suesse Ding in Erinnerung.

Ueber uns haelt ein Auto, ein hebraeisches Ehepaar ist zu hoeren. Als wir aufstehen, ist Kari mit den Beiden spazieren gegangen, was sie noch nie gemacht hat. Erstaunen. Auch Rufen fruchtet nicht. Auch die neue, fuer menschliche Ohren unhoerbare Hundepfeife lockt sie nicht herbei.

Wir bauen ab und erst kurz vor Aufbruch sind die Drei zurueck. Der Mann mag Hunde nicht so, sagt die Frau, aber sie hat es unserem Hund wohl angetan. Als die Beiden mit dem Auto wegfahren, laeuft Kari hintendrein und ward nicht mehr gesehen. ?! Wir stehen da und warten und dann bringt das Paar den Hund im Kofferraum zurueck. Und faehrt los und Kari rennt hinterher und ist nicht zurueckzurufen. ?!!

Wir warten erneut. Sie hat wohl die Nase voll, ists satt, mag nicht mehr. Renata mutmasst, dass sie einen Rueden an den Kleidern gerochen habe, aber das Paar hatte keinen Hund. Sie sei durcheinander, weil laeufig. Und auch etwas Unappetitliches (wir ersparen dem Leser Einzelheiten) war ihr in der Nacht widerfahren. Vielleicht ists dies.

Mir ist klar, dass vor dem Hund die Hitze der Luft und unter den Pfoten, der Durst, der Hunger, die Parasiten Afrikas liegen. Noch mehr Moslems und Afrikaner, die Hunde hassen oder Angst vor ihnen haben. Kein Kariparadies. Der Hund hat recht; Israel ist fuer ihn ein Schlaraffenland voller hundefreundlicher Juden und Christen, fettem Hundefutter und einer Menge Artgenossen. Der Hund hat vollkommen recht!

Trotzdem laufe ich ihm hinterher und ein paar hundert Meter weiter hat Kari die Autoverfolgung aufgegeben und trottet mit haengenden Ohren zurueck. Mit Junken und Winseln scheint sie sich bei Renata zu entschuldigen. Mir ist klar, dass vor uns Dreien noch viele Strapazen liegen und nur wir Menschen entscheiden bewusst.

Wir schieben und schieben wieder. Ein Auto stoppt neben Renata und ein Fahrlehrer schenkt ihr einen Muesliriegel, der keine fuenf Meter ueberlebt.

Grosse Kakteen, Palmen und bluehende Buesche saeumen die Haenge.

Wir haben nicht gefruehstueckt und entern einen Spass-Kibbuz. Ein Mini-Disneyland mit Spielhalle und Kunststoff-Eisflaeche, mit Spielerobotern, Huepfburgen und Kartbahn, mitten in der Landschaft. Ringsum liegen kleinere "Settlements", auf oder direkt neben den Westbankgrenzen, die hier ganz nahe der Strasse beiderseits verlaufen. Viele Vaeter und Soehnchen tragen Kippas und einige sogar die langen Schlaefenlocken. Die Kassiererin sagt, man habe keine Probleme mit den Arabern. Als ich frage, ob sie die Palaestinenser meint, laechelt sie. Natuerlich nur die christlichen Araber! Zum Fruehstueck gibt es Pommes de Frites mit Mayonnaise und Cola und Eis.

Und weiter bergauf, Kilometer um Kilometer. 50-Meterweise. So schoen kann Radwandern sein. Hurtig erklimmt man luftige Hoehen.

Neben der Strasse die erste Eidechse seit der Tuerkei. Kari jagt erfolglos. Renata sieht auf einem kleinen Weg einen Schakal sitzen. Wie frech das Kerlchen mit kleinen, buschigen Ohren, so am helllichten Tag!

Am Himmel rattern grosse Armeehelikopter und immer wieder fauchen Jets durch die Wolkenfetzen.

Wir folgen der gewundenen Landstrasse 395 weiter und erreichen Jerusalem am Nachmittag. An einer Bushaltestelle snacken wir uns satt, Kari bekommt kostenlos vertrocknete Grillwuerstchen zugeworfen.

Sie gehen an uns vorbei: Die orthodoxen Juden, stets schwarz-weiss gekleidet, schwarze Huete aller Formen, lange Schlaefenlocken, einige mit schwarzen Kniestruempfen unter dreiviertellangen Hosen, helle Baumwollknotenfaeden baumeln vorne und hinten unten den schwarzen Jacken hervor. Einige Gesichter, weiss und weltfremd wie Computerfreaks, starren Kari an. Das gleiche Unverstaendnis wie bei den Moslems. Als ich laechle, weil sie so schamlos und anhaltend starren, schneiden sie mir frech Gesichter.

Soldaten und Zivil tragende Maenner mit M16-Gewehren warten auf Busse. Was fuer ein Mut, hier Busfahrer zu sein, in dieser umkaempften Stadt.

Jerusalem ist komplett aus hellem Kalkstein gebaut, der mit der Zeit in der Sonne haerter wird und dessen ausschliessliche Verwendung in Jerusalem Bauvorschrift ist. Die steilen Strassen sind aufwaendig in den Fels geschlagen, befestigt, die Strassen neu.

Wir fahren, vorbei an der Grossen Synagoge, zur schottischen Kirche neben der Cinemathek, einer Empfehlung Dorit Ballins. Das Gebaeude ist ein Traum, der junge Mann am Tresen hilfsbereit und das Zimmer zu teuer.

Wir duerfen kostenlos telefonieren, ein Youth-Hostel suchen. Alles unerschwinglich.

Auf einem Tisch in der Lobby liegt eine Zeitung. Eine 23-jaehrige, amerikanische Friedensaktivistin ist in der Westbank durch die Armee mittels eines Bulldozers getoetet worden. Sie war leider in einem palaestinensischen Haus, sorry, wusste man nicht. Haeuser einzuebnen, in denen sich noch Menschen aufhalten, ist halt nicht Routine, da kann das schon mal passieren. Die Klingel war wohl kaputt. Wer bremst eigentlich diese Bulldozermentalitaet der Armee, anstatt sie immer wieder zu entschuldigen?

Andrew heisst unser lieber Helfer. Es gibt Kaffee und den Tipp, hinter der Kirche auf einer Wiese zu zelten. Und nach Erkundung umfahren wir den Berg. Als wir absatteln, steht ein radfahrender Weltenbummler neben uns. James heisst er, aus USA, fliegt alsbald ab, um in Spanien seine leere Reisekasse aufzubessern, um dann,- Tatsache?- nach Kapstadt weiter zu fahren.

Wir schleppen alle Taschen, die Raeder, den Haenger und uns selbst (Kari traegt die Verantwortung) auf den Berg, durchs hohe Grass, mitten in eine Blumenwiese und fetten Klee. Hinter dem Zaun liegt die britische Botschaft und die Kirche und in der Naehe ein riesiger Supermarkt, in dem Renata ueppig-lecker einkauft, waehrend ich, ausnahmsweise ich, die gute Stube herrichte.

Wir schlemmen herrlich in unserem Heimzirkus. Ab und zu ein paar Schuesse garnieren die Abendstimmung aus der Ferne, ein paar Sirenen heulen. Also alles in Ordnung und normal.

Geschrieben am 20.3. in Jerusalem


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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