Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

3/18/2003   Ost-Jerusalem

Im Paulus-Haus

Wir fruehstuecken in der schottischen Kirche, quartieren uns in einer chrstlichen Einrichtung ein und besuchen die Altstadt.

(Harald und Renata) Wegen meines geringeren Schlafbedarfs bin ich der Fruehaufsteher unserer Truppe. Dann drehe ich mich notgedrungen nochmals um, was soll ich auch vor dem Zelt machen? Und Renata allein zurueckzulassen, behagt mir auch nicht, trotz Hund, selbst wenn der am Zelt bliebe, was er morgens nicht taete.

Das Rauschen des Verkehrs ist ertraeglich, obwohl ich vor der Reise nicht geglaubt haette, bei solchem Laerm je ein Auge zumachen zu koennen. Als ich den Reissverschluss des Aussenzeltes oeffne, weht mir ein laues Lueftchen entgegen, mit Geruch nach Blueten und Gras und feuchter Erde. Was wir in der Abenddaemmerung kaum ausmachen konnten: das Zelt steht in einem Teppich roter Anemonen. Und auf der naechsten Anhoehe sehe ich die Stadtmauer der Altstadt aus osmanischer Zeit, praechtig hoch und gut erhalten.

Wir befinden uns hier in Ost-Jerusalem, dass 1967 im 6-Tage-Krieg zwar dem israelischen Staatsgebiet einverleibt wurde, aber dies ist international weitgehend nicht anerkannt. So befindet sich z.B. die Deutsche Botschaft auch nicht hier, in den Palaestinensischen Gebieten, sondern in Tel Aviv, das international als Hauptstadt gilt, waehrend fuer die Israelis Jerusalem die Hauptstadt ist.

Wir packen, schleppen den ganzen Roedel wieder bergab und fahren um den Huegel herum zur Kirche. Dort gibt es Kaffee aus einem Automaten und wir fruehstuecken in dem soliden, ruhigen Gebaeude. Es gibt hier wie ueberall, keine Touristen. Die Intifada (die keine mehr ist- was nuetzt noch Streiken und Steinewerfen?) hat die sicherheitsgewohnten Besucher verjagt. Und die eh, durch die weltweite Rezession angeschlagene, israelische Wirtschaft weiter geschwaecht.

Uns gesellt sich Charlotte zu, eine Amerikanerin, die hier laenger bleibt. Sie gibt uns einen Tipp fuer eine preiswerte Unterkunft, telefoniert, empfiehlt uns als "very nice people" und reserviert fuer einen Preis, den wir selbst bestimmt haben im "Paulus-Haus", einer christlichen Einrichtung an den Mauern der Altstadt.

Wir staunen ueber soviel Schoenheit der Architektur. Ein bildschoenes Gebaeude reiht sich an das andere. Mein geschultes Auge erfreut sich an soviel Koennen und Phantasie, Alt neben Neu zu stellen. Dazwischen lila bluehende Bodengewaechse und gepflegte, oeffentliche Gaerten, gestiftet und mit Gedenksteinen versehen.

Die komplett ummauerte Altstadt hat mehrere Tore. Wir passieren das Jaffator, muessen aber umkehren, weil es hier nur ueber Stufen weitergeht. Und fahren entlang der ca. 20 Meter hohen Mauer aus dicken Quadern bis zum naechsten Durchlass, dem Damaskus-Tor. Unterwegs versucht Renata wieder mal eine Lehrstunde "Lieber Hund" fuer arabische Schulknaben. Das endet, bei allen kleinen Teilerfolgen, stets in einem Massenauflauf, zuckenden Fuessen und Haenden und am Ende mit Steinwuerfen. Entnervt wollen wir foermlich fliehen, geraten in eine Baustelle, laden Kari ein, kehren in die Hoehle der Miniloewen zurueck und strampeln so schnell wie moeglich weiter.

Das deutsche "Schmidt-College" und das daneben postierte "Paulus-Haus" sind sogleich gefunden, Oberin Ruth reagiert erstmal konsterniert ob des Hundes. Aber mit viel "Der ist ganz lieb, bellt nicht, ist sauber, keine Probleme, macht keinen Schmutz, kann fliegen..." wird uns ein Zimmer zugestanden.

Seit Nazareth schaetzen wir die Ruhe eines Nonnenkonvents, die ausgeglichene Freundlichkeit der Nonnen und die schoene, dicke Architektur.

Wir sind im Zimmer 204 im zweiten Stock untergebracht und direkt gegenueber liegt der "Shelterroom" dieser Etage, ein mit Plastikplanen abgedichteter Raum, mit Wasserflaschen und Klebebaendern und Notfallkoffer, fuer den Kriegsfall vorbereitet, fuer den Gasangriff, eine Anordnung der Regierung. Nur Gasmasken haben wir keine.

Tatsaechlich sind die Nachrichten heute sehr schlecht. Saddam hat sich geweigert auszureisen, seine Heimat, sein Amt aufzugeben. Wer hat geglaubt, er ginge? Und Mr. Bush und Mr. Blair poltern weiter. Und die UN stehen wie begossene Pudel da, hilflos gegenueber diesem Kriegswillen beider Seiten.

Wir gehen durch die Altstadt, ein Staffellauf mit dem Hund. Selbst hier, wo die Moslems so nahe und so lange schon, neben hundehaltenden Juden und Christen wohnen, loest der Hund Erstaunen und Angst aus.

Wir landen auf der anderen Seite der Altstadt, am Tempelberg, der von der Grossen Moschee mit der goldenen Kuppel gekroent wird. Und davor steht die "Klagemauer", ein angeblich original erhaltenes Mauerstueck vom ehemaligen Tempel Davids, Heiligtum der Juden. Alle Zugaenge sind bewacht durch schwerbewaffnete Polizei, gesichert durch Zaeune, Sichtschutz und Schleusen. Kein Zutritt fuer Hunde.

Wir sind eh spaet dran und muessen zum Abendessen zurueck sein.

Wir sitzen mit einem deutschen Paar aus der Naehe von Hamburg und einem Flugbegleiter zusammen. Die drei muessen heute vorzeitig abreisen, weil die Lufthansa ab morgen angeblich oder befuerchtet, nicht mehr fliegt. Der Krieg kommt unweigerlich!

Eine Nonne erzaehlt uns von einem Ehepaar aus Muenchen, die in neun Monaten zu Fuss bis hierher gepilgert sind. Der Mann war schon 64 Jahre alt. Hut ab !

Der junge Flugbegleiter ist gut informiert und steht der israelischen Siedlungspolitik genauso kritisch gegenueber, wie das Paar. Und auch der drohende Krieg ruft nur Unverstaendnis hervor.

Wir ziehen uns in unsere Klause zurueck, schauen uns den Schutzraum an und lesen die Sicherheitsanweisungen fuer den Fall der Faelle und muessen diese auch unterschreiben.

Was wird dieser Krieg fuer uns bedeuten? Es ist zu befuerchten, dass Fanatiker und schlecht informierte Landbevoelkerung auf den ersten Blick keinen Unterschied machen zwischen Amerikanern, Englaendern einerseits und "Westlern" allgemein.

Geschrieben am 20.3. in Jerusalem


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


  Team Login

© biketour4goodhope